Als die Knochen bimmeln lernten

Das Handy wird 25 Jahre alt.Wie die Mobiltelefonie unser Leben verändert hat. Das erste Gerät wog 800 Gramm. Inzwischen sind über 80 Prozent der Deutschen ausgestattet.
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Wer wichtig ist, ist in ihrem Handy-Adressbuch: Die „SMS–Kanzlerin“ Angela Merkel liebt elektronische Kurznachrichten.
dpa Wer wichtig ist, ist in ihrem Handy-Adressbuch: Die „SMS–Kanzlerin“ Angela Merkel liebt elektronische Kurznachrichten.

Das Handy wird 25 Jahre alt.Wie die Mobiltelefonie unser Leben verändert hat. Das erste Gerät wog 800 Gramm. Inzwischen sind über 80 Prozent der Deutschen ausgestattet.

Hat es das wirklich gegeben? Eine Zeit ohne Klingeltöne im Bus, ohne Dauertelefonierer im Café, ohne Menschen, die allüberall Botschaften tippen, Filme drehen, Termine abrufen, im Internet surfen – mit ihrem Handy? Eine Zeit ohne die Möglichkeit, jeden auf der Welt zu jeder Zeit direkt zu kontakten und selber immer erreichbar zu sein? Die unter uns, die mittleren Alters sind, dürften sich erinnern, wenn auch vielleicht vage: Es hat. Und das ist gar nicht lange her.

Es war der 13. Juni 1983, als Motorola das erste Mobiltelefon auf den Markt brachte: den legendären „bimmelnden Knochen“, das „Dynatac 8000x“. 800 Gramm wog das Monstrum, das länger war als eine DIN-A-4-Seite. Nach einer halben Stunde Redezeit hatte es keinen Saft mehr und kostete 3500 Dollar. Doch das Trumm hat die Welt verändert.

80 Prozent der Weltbevölkerung hängen heute am Handynetz, mit 3,3 Milliarden Mobiltelefonen. 81,1 Prozent der Deutschen nutzen laut Statistischem Bundesamt ein Handy – bei den 10- bis 15-Jährigen jeder Dritte, unter den 15- bis 44-Jährigen 95 Prozent – das sind acht Mal mehr Menschen als noch vor zehn Jahren.

Zu groß, zu teuer, zu unhandlich

Nur, erstmal waren die Technologen gefordert. Zu groß, zu teuer, zu unhandlich waren die ersten Handys, die ihren Namen der Legende nach einer Sekretärin verdanken, die beim Brainstorming bei der Telekom 1988 das englisch klingende Wort „Handy“ gemurmelt haben soll. Ein Meilenstein war die Einführung des C-Netzes 1985. Mit ihm war man auch in Deutschland erstmals ohne Vorwahl erreichbar. Jetzt entwickelten immer mehr Hersteller handliche Geräte mit kleineren Akkus, längerer Standby-Zeit und weniger Gewicht. Berühmtheit erlangte 1989 der Nokia „Mobira Cityman“, mit dem Michail Gorbatschow von Deutschland aus sein Büro in Moskau anrief.

Der große Startschuss ins Handy-Zeitalter aber begann mit dem Standard GSM (Global System for Mobile Communications). Digitalisierung, neue Microelektronik und kleine SIM-Karten brachten Neuerungen im Monatstakt hervor: Das „Nokia 2110“ (1994), mit dem n erstmals SMS verschickt werden konnte, das „Nokia 9000“ mit Organizer samt Internet-Browser als erstes Smart-Phone (1996) oder „Toshiba Camesse“ (1999), das weltweit erste Handy mit integrierter Digitalkamera. Ende der 1990er eroberten die kleinen, nun auch billigeren Technikwunder den Massenmarkt.

Inzwischen gehört die Digitalkamera genauso zum Handy-Inventar wie ein MP-3-Player. Seit UMTS kann man Videotelefonieren und mit GPS navigieren. Sogar fernsehen per Handy geht. Weshalb sich längst auch der Trend zu immer winzigeren Geräten umkehrt: Die Displays werden wieder größer, die Tasten handlicher. Die Handynutzer werden zu Multi-Taskern: Es wimmelt von Hobbyfotokünstlern, Dokumentarfilmern und SMS-Poeten. Sich verabreden ohne Handy – für kaum jemanden noch vorstellbar.

„SMS-Kanzlerin“

Auch die Politik hat Taschenformat. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel liebt elektronische Kurznachrichten, teilt Journalisten und Mitarbeitern wichtige Entscheidungen am liebsten per SMS mit. Auch Bayerntrainer Hitzfeld gratulierte sie so zur Deutschen Meisterschaft. In Berlin nennt man sie die „SMS-Kanzlerin“ und es geht die Kunde, sie habe sogar ihre eigene Wahl auf diese Weise verbreitet.

Die Regelmacher, die die Klingelton- und quasselgeplagte Restbevölkerung vor Handy-Ruhestörern schützen wollten, haben vielfach aufgeben müssen. In sensibler Umgebung wie im Flugzeug, im Krankenhaus und am Steuer eines Autos (ohne Freisprecheinrichtung) bleibt handyfonieren zwar verboten – ebenso wie in Kinos, Schulen, Theatern und Gotteshäusern. Längst ist es Fahrgästen in Trams, Bussen, U-Bahnen und bei der Bundesbahn wieder erlaubt, zu quasseln, zu tippen und Musik zu hören.

Was man dort in Zukunft mit dem Kommunikations-Zwerg noch so alles machen kann, wird die Zeit zeigen. Der Erfinder des ersten Motorola-Knochens, Martin Cooper, hat jedenfalls schon eine Idee: „Das Telefon sollte irgendwann ein Teil des Menschen werden – vielleicht unter der Haut hinterm Ohr.“ Das ist dann hoffentlich doch ein bisschen zu viel Vision.

Irene Kleber

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