Abergläubisch sein bringt Unglück

Mag die Welt derzeit für viele auch ein Jammertal sein – Eckart von Hirschhausen (41) sieht mehr als ein Licht am Ende des Tunnels. Seit der Mediziner Stethoskop und Behandlungszimmer vor elf Jahren mit Bühne und Buchmarkt getauscht hat, verschreibt er auf erfrischend provokante Art, kompetent und komisch, Lachen als Medizin. Ein Comedian cum laude.
Eckart von Hirschhausen ist Arzt, Comedian, Bestseller-Autor, Zauberer, Moderator und Anti-Ärger-Coach. Gerade ist sein neues Buch „Glück kommt selten allein“ (Rowohlt) erschienen. Derzeit tourt der Berliner mit seinem Programm „Glücksbringer“ durch die Republik. Am 7. und 8. April tritt er in München auf.
AZ: Herr von Hirschhausen, wie schmiedet man sein Glück in Krisenzeiten?
ECKART VON HIRSCHHAUSEN: Die Finanzkrise hat einen großen Wert: sie erinnert uns an die Illusion materialistischer Befriedigung. Wir kaufen uns Dinge, die wir nicht brauchen, von Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen. Wer aus diesem Spiel aussteigt, hat den ersten Schritt zum Glück getan.
Und wie wird man Ängste und düstere Gedanken los?
Silbermedaillengewinner sind unzufriedener als Bronzemedaillengewinner. Silber denkt, ich hätte Gold haben können. Bronze denkt: schön, dass ich überhaupt eine Medaille habe. Um negative Gefühle abzuschalten, muss man seine Gedanken kennen lernen und sich zum Beispiel fragen: mit wem vergleiche ich mich? Man kann üben, seine Gedanken zu beobachten und negative schneller unterbrechen.
Was, wenn einfach alles schief läuft?
Salopp gesagt: Shit happens. Mal bist du die Taube, mal bist du das Denkmal. Die frohe Botschaft: die allermeisten Menschen zerbrechen nicht an Widrigkeiten im Leben sondern gehen sogar gestärkt daraus hervor.
Pflegen Sie Ihren positiven Gefühle
Gibt es dauerhaftes Unglück?
Genauso wenig wie dauerhaftes Glück. Das Gegenteil von Glück ist nicht Unglück sondern, wenn man gar nichts mehr fühlt, so wie in der Depression. Positive Gefühle zu pflegen ist der beste Schutz gegen Burn-out und Niedergeschlagenheit.
Hilft auch positives Denken?
Das macht mich latent agressiv. Ich wehre mich gegen unüberlegte Ratschläge, wie man sie zum Beispiel in vielen typischen Ratgeber-Büchern findet: „Seien Sie heute nett zu sich selbst, und gönnen Sie sich vor dem Aufstehen eine schöne Tasse Kakao im Bett." Super Tipp. Ich hab das ausprobiert.
Und?
Ich lag im Bett, und sagte mir: „Nicht aufstehen, das Buch hat ausdrücklich gesagt ich soll hier auf den Kakao warten". Am Nachmittag immer noch kein Kakao, nur richtig schlechte Laune. Seitdem weiß ich, warum solche Bücher „Geschenkbücher" heißen - weil man sich die schenken kann.
"Würden Sie als Glück gerne bei sich vorbeikommen?"
Ihre These ist: Glück fällt einem nicht vor die Füße, sondern ist eine Frage des Trainings. Womit fange ich an?
Stellen Sie sich vor, Sie selber wären das Glück. Würden Sie dann gerne bei sich vorbei kommen? Die Perspektive umzudrehen überrascht. Und automatisch fällt uns vieles ein, was wir tun können um dem Glück eine Freude zu machen, damit es eher zu uns kommt. Und in welchen Ecken unseres Lebens wir besser noch aufräumen, für den Fall, dass es bleiben will.
Das heißt, Glück ist keine Glücksssache...
... sondern die Summe meiner täglichen Gedanken und Handlungen.
Was macht Sie glücklich?
Was mich nachhaltig am glücklichsten macht, ist, Menschen zum Lachen zum bringen und sich um andere zu kümmern. Positive Gefühle zu kultivieren braucht gezielte Anstrengung, aber die lohnt sich. Es ist einfach, glücklich zu sein. Schwer ist nur, einfach zu sein.
Ist Humor, wenn man trotzdem lacht?
Gerade erst kürzlich ist die Festplatte meines Computers kaputt gegangen und mit ihr habe ich zahlreiche Texte und Notizen unwiederbringlich verloren. In solchen Situationen kann ich mir noch so oft sagen „Ärger, den man nicht gehabt hat, hat man nicht gehabt.“
Mit Humor regt man sich schneller ab
Manchen Ärger würde man sich gern ersparen.
Der Wert von Humor besteht nicht darin, sich über nichts mehr aufzuregen - aber man regt sich schneller wieder ab.
Haben Sie als Glücksbringer der Nation eigentlich selbst einen Glücksbringer?
Nein. Ich bin nicht abergläubisch – denn das bringt Unglück! Warum soll ein vierblättriges Kleeblatt Glück bringen? Vier Blätter sind seltener als drei. Wir erklären Dinge zu Glücksbringern, die bewusst selten vorkommen, und meckern dann, dass wir selten glücklich sind.
Gibt es notorische Pechvögel?
Wer lange kein Hufeisen mehr gefunden hat, ist kein Pechvogel, sondern lebt schlichtweg in einem Jahrhundert, wo weniger auf der Straße geritten wird. Bedeutet eine schwarze Katze Unglück? Das kommt drauf an – bist du Mensch oder Maus?
Selbstbefriedigung macht nicht glücklich
Oder Single? Glück, so schreiben Sie ja, kommt selten allein. Auch wenn der „per Selbstbefriedigung ausgelöste Orgasmus sich besonders intensiv anfühlt, macht er nicht glücklicher“.
Singles können viel glücklicher sein als unglücklich Verheiratete. Aber geteilte Freude ist doppelte Freude.
Vielen fällt’s schwer, einen Partner zu finden.
Wenn man einen sucht, muss man nicht auf jede Party, aber es könnte helfen, die Wohnung zu verlassen. Es sei denn, man steht auf Postboten und Zeugen Jehovas. Dann bitte zu Hause bleiben. Was wir tun, bestimmt mit darüber, ob das Glück uns finden kann. Wir können es nicht erzwingen, aber wir müssen es ihm auch nicht unnötig schwer machen.
Von Renate Schramm