Nach Seilbahnunglück in Lissabon - Trauer und viele Fragen

Zwei Tage nach dem schwersten Unglück in der Geschichte der berühmten Standseilbahnen in Lissabon sind die Trümmer beseitigt. Die Calçada da Glória, wo einer der gelben Wagen der Elevador da Glória ungebremst bergab raste und 16 Menschen in den Tod riss, liegt wie ausgestorben da. Zudem wurden 21 Menschen, darunter auch Deutsche, zum Teil schwer verletzt. Nur Flatterbänder der Policia Municipal, Blumenkränze und Kerzen erinnern noch an die Tragödie, die sich hier im Herzen der Touristenmetropole abgespielt hat.
Aber im Gedächtnis der Stadt und vermutlich auch vieler ihrer Besucher werden die grausigen Bilder des Unglücks noch lange nachwirken. Trümmer, Qualm, Schreie, Tote und Verletzte, dieses grausige Bild bot sich den Ersthelfern und Sanitätern am Mittwochabend. "Es hätte genauso gut uns treffen können", sagte erschüttert eine ältere britische Touristin im Fernsehen. Und eine junge Italienerin antwortete ohne zu zögern auf die Frage, ob sie noch einmal mit der Standseilbahn fahren werde: "Auf keinen Fall."
Elf Ausländer unter den Toten - Deutsche verletzt
Die 16 Todesopfer sind inzwischen alle identifiziert. Es handelt sich um fünf Portugiesen, drei Briten, zwei Kanadier, zwei Südkoreaner und je ein Todesopfer aus der Schweiz, der Ukraine, Frankreich und den USA, wie die portugiesische Kriminalpolizei mitteilte. Anfängliche Berichte in portugiesischen Medien, auch ein Deutscher sei unter den Todesopfern, beruhten offenbar auf einer Verwechslung.
Unfassbare Tragödie
Auch Einheimische, die das Gefährt ebenfalls täglich nutzen, zeigten sich geschockt. "Ich habe einen großen Schmerz gespürt und sofort an die Menschen gedacht, die von diesem schlimmen Unfall betroffen waren", sagte die Lehrerin Ana Mesquita der Deutschen Presse-Agentur. Das sei einfach eine unfassbare Tragödie. "Der Elevador da Glória war schon immer wichtig für alle Besucher Lissabons und auch für viele Arbeitnehmer. Ich kann nur beten für alle Opfer und ihre Familien", fügte sie hinzu.
Die Sprachlehrerin Rita befürchtet dauerhafte Folgen für die Stadt. "Das Unglück wird man hier nie vergessen. Es wird in die tragischen und schwarzen Seiten der Geschichte Portugals eingehen, wie die Waldbrände von 2017 in Pedrogao", sagte sie dpa. Der Tourismussektor ist für die portugiesische Wirtschaft von großer Bedeutung. Vergangenes Jahr wurden nach Angaben des Statistikamtes Ine 29 Millionen ausländische Besucher gezählt. Der Tourismus trug fast zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Sorge um das Ansehen des Urlaubslandes Portugal
Der IT-Fachmann Jorge zeigte sich bestürzt über die vielen Opfer. Er macht sich aber auch wegen der weltweit negativen Schlagzeilen über seine Stadt Sorgen. "Was alle hier hoffen und fordern ist, dass es eine schnelle Aufklärung gibt und man sich in Lissabon wieder sicher fühlen kann", sagt er im Gespräch mit dpa.
Die verunglückte Elevador da Glória ist eine der vergleichsweise wenigen der Stadt, die auch Einheimische regelmäßig benutzen. Sie ist keine reine Touristenattraktion, sondern befördert die Menschen täglich einen steilen Hügel hinauf oder von dort wieder hinunter. Die Wagen fahren dabei eine Strecke von rund 265 Metern und überwinden dabei einen Höhenunterschied von rund 45 Metern zwischen Praça dos Restauradores und dem Bairro Alto. Und das seit Ende des 19. Jahrhunderts, als eine deutsche Firma die Bahn baute.
Seilschaden vermutet
Die Untersuchungen zur Unglücksursache laufen nach Angaben der Regierung auf Hochtouren. Auch Präsident Marcelo Rebelo de Sousa mahnte eine rasche Aufklärung und Konsequenzen an. Vermutet wird, dass eines der Seile gerissen ist, mit deren Hilfe die Wagen nach oben gezogen und bei der Rückfahrt nach unten gebremst werden. Vorwürfe, die Bahn sei womöglich nicht ausreichend gewartet und überprüft worden, wies der Betreiber, die Lissabonner Verkehrsgesellschaft Carris, zurück.
Gewerkschaftsvertreter kritisierten jedoch, dass die Instandhaltung der Standseilbahn an eine private Firma vergeben worden sei. Beschäftigte von Carris hätten wiederholt vergeblich auf dringend notwendige Wartungsarbeiten hingewiesen, zitierte SIC Notícias den Gewerkschafter Manuel Leal.
Diese Fragen müssten nun schnell geklärt werden, betonte auch Portugals Ministerpräsident Luís Montenegro. Den Unfall bezeichnete er als "eine der größten menschlichen Tragödien unserer jüngeren Geschichte".