50. Todestag von Che Guevara: Hasta siempre, comandante!
Damals haben sie ihn verraten, heute wird er hier als Heiliger verehrt. Gonzalo Flores Guzmán steht mit einer Gruppe Touristen in der wohl berühmtesten Waschküche der Welt. "Hier haben sie die Leiche zur Schau gestellt, damit alle Welt weiß: Che ist tot", erzählt Guzmán. "Er hatte die Augen offen, für viele sah er wie ein Heiliger aus. Sie haben ihn San Ernesto getauft." Auf dem Waschtisch aus Beton haben sie den erschossenen Ernesto "Che" Guevara de la Serna im Oktober 1967 aufgebahrt. Heute stehen weiße Rosen darauf, der Raum ist voll mit Wandkritzeleien wie: "Die Völker der Welt folgen deinem Beispiel."
Man fragt sich bei einem Besuch im bolivianischen Vallegrande, wie Che Guevara vor genau 50 Jahren auf die Idee kommen konnte, in dieser verschlafenen Region eine Revolution anzetteln zu wollen.
Der Leichnam des Guerilleros, dessen Bolivienabenteuer mit seinem Tod am 9. Oktober 1967 kläglich scheiterte, war nur zwei Tage hier. Das reichte aber, um den 6000-Seelen-Ort für immer zu verändern. Zum 50. Todestag am heutigen Montag gibt es Hoffnungen auf einen Touristenschub. "Hier haben sie ihm die Hände abgetrennt, um sie nach La Paz zu schicken, damit es den letzten Beweis gibt: Es ist Che."
Die Leichen von Che und einigen Mitkämpfern wurde neben der Piste des Flugplatzes verscharrt, man wollte einen Wallfahrtsort verhindern. Erst 30 Jahre später wurde das Skelett in Vallegrande gefunden. Dort ist heute ein Mausoleum, eine weitere Station auf der Che-Tour von Guzmán. Doch die sterblichen Überreste Guevaras kamen nach dem Fund in das weit opulentere Mausoleum von Santa Clara (Kuba).

Ches Grabstein auf der Landepiste des Flugplatzes von Vallegrande. Foto: dpa
Er wird am 14. Juni 1928 in der argentinischen Stadt Rosario geboren und entstammt einer wohlhabenden Familie. Der junge Ernesto - "Che" ist das argentinische Wort für Kumpel - studiert Medizin, prägend wird eine Motorradtour durch ganz Südamerika, bei der er mit Not und Unterdrückung konfrontiert wird. "Dieses Herumziehen in unserem Amerika hat mich mehr verändert, als ich gedacht hätte", notiert er.
Er verehrt den sowjetischen Diktator Stalin und schwört einen erbitterten Kampf gegen den Kapitalismus. 1955 lernt er in Mexiko Fidel Castro kennen, der sich hier auf den Kampf gegen den kubanischen Diktator Fulgencio Batista vorbereitet. Sie landen 1956 in Kuba, kämpfen in der Sierra Maestra, die Bewegung wird größer. 1959 nehmen sie in Havanna ein, Batista ist Geschichte.
Che Guevara wird Chef der kubanischen Nationalbank, er zeichnet die Peso-Noten mit "Che" - bis heute sind sie in Kuba zu kaufen. Er formt mit Castro eine totalitäre Diktatur. 1961 wird Che Guevara ein wenig erfolgreicher Industrieminister. Mit Castro kommt es zu Reibereien.
Che Guevara verlässt Kuba. Nach einem missratenen Kongo-Abenteuer reist er am 3. November 1966 mit verändertem Aussehen und falscher Identität in Bolivien ein. Seine deutsche Mitkämpferin Tamara Bunke organisiert die Logistik. Sie gewinnen ein paar Minenarbeiter für den Kampf im tropischen Tiefland im Süden, dazu stoßen einige Kubaner.
Doch sie werden verraten. Am 8. Oktober 1967 umzingeln Soldaten die letzten Kämpfer.
Einen Tag später wird Che Guevara in der Schule des Dorfes La Higuera von dem angetrunkenen Soldaten Mario Terán erschossen - Boliviens Präsident René Barrientos hatte die Exekution angeordnet (siehe Interview unten).
Die Leiche wird per Hubschrauber nach Vallegrande gebracht. Aber das Aufbahren im Waschhaus, das Märtyrer-Bild, das um die Welt ging, nährt schließlich ganz entscheidend den Mythos des Che.

Pilgerstätte: die Waschküche, in der Che Guevara aufgebahrt wurde. Foto: dpa
Die aus dem Münsterland stammende Ordensschwester Antonia Maria Freude, die damals im örtlichen Krankenhaus arbeitete, erzählt, Vallegrande habe nie so viele Leute gesehen wie in diesen Tagen.
Die 81-Jährige findet es bis heute komisch, dass die Guerilleros hier kämpften. 1952 hatte es in Bolivien eine Revolution samt Landreform gegeben, Präsident Barrientos, ein "Campesino" war gerade auf dem Land beliebt. Für linke revolutionäre Ideen, ein zweites Kuba, war man nicht empfänglich.
Schwester Antonia hatte am Tag der Ankunft der Leiche in der Entbindungsstation zu tun. "Aber am nächsten Tag bin ich extra früher aufgestanden, um ihn mir im Waschhaus anzuschauen." Der Eindruck blieb haften, die verfilzten Haare, der bärtige Che, mit offenen Augen, der Oberkörper entblößt. "Er sah so aus wie ein Jesus Christus."
Was von Che bleibt? In jedem Fall Polarisierung. Für die einen ein ideologiegetriebener Mörder, für die anderen ein Vorbild im Kampf für eine gerechtere Welt, der im Ringen gegen Unterdrückung und Ausgrenzung durch einen ungezügelten Kapitalismus fortlebt. Boliviens sozialistischer Staatschef Evo Morales fördert den Kult nach Kräften.
Der Biograf Jorge Castañeda meint, Che Guevara sei so populär, weil sich auch dank seiner Person eine irreversible kulturelle Revolte in der westlichen Welt vollzogen habe: "Danach sollte die Welt nie wieder wie vorher ein."
"Es gab den Befehl, ihn zu töten. Ohne Prozess."

Herr Prado, warum musste Che in Bolivien scheitern?
GARY PRADO: Che kannte nicht Bolivien, nicht die Leute. Sie hatten sich zudem ein fast unbesiedeltes Gebiet ausgesucht, fast so groß wie die Schweiz. Und da operierten sie mit 50, 60 Leuten. Sie waren völlig isoliert, sie litten Hunger, Durst, waren krank.
Woher wusste man, dass es eine Guerillagruppe gibt?
Wegen ihrer eigenen Fehler. Sie kannten die Gegend nicht, hatte keine Karten und wandten sich orientierungslos an Bauern. Und die informierten Soldaten in der Gegend. Dadurch wurde schnell klar, dass es dort eine bewaffnete Gruppe gibt.
Wie war das in Vallegrande?
Ich war Hauptmann. Am Morgen des 8. Oktober kontaktierte mich über Radio ein Militärposten, der in La Higuera stationiert war. Ein Bauer sei zu ihm gekommen, eine Gruppe Guerilleros sei bei einer Schlucht. Er sagte, er hätte nicht genug Leute, nur 20. Ich sagte, ich habe 50 Männer, wir bewegen uns dahin. Das war schwieriges Terrain mit großen Steinen, umgestürzten Bäumen. Wir schnitten ihnen den Weg ab, umstellten die Schlucht, es kam zu Schusswechseln, zwei meiner Soldaten starben.
Wie lief die Festnahme ab?
Che versuchte noch, mit einem anderen Guerillero zu entkommen. Wir stellten sie. "Wer sind Sie", fragte ich. Die Antwort: "Ich bin Che Guevara". Wir fesselten sie unter Baumstämmen. Er fragte: "Kann ich rauchen?" Ich gab ihm Zigaretten und Wasser. Dann sind wir mit den Gefangenen, Verletzten und Toten Richtung La Higuera gegangen und brachten Che in die Schule.
Warum wurde Che dort am nächsten Tag erschossen?
Es gab einen Befehl des Präsidenten und der Militärführung. Sie hatten entschieden, die Exekution des Che ist die beste Lösung, um größere Probleme zu vermeiden. Ich habe danach den Oberbefehlshaber der bolivianischen Armee General Alfredo Ovando gefragt, warum es zu dieser Entscheidung kam. Es gab zuvor einen Prozess in Camiri gegen Regis Debray und andere. Da waren plötzlich Journalisten aus der ganzen Welt. Sie wussten, ein Prozess gegen Che Guevara würde weltweit große Aufmerksamkeit erregen, 100 Mal mehr.
Was sprach gegen einen fairen Prozess?
Die Höchststrafe wären 30 Jahre Gefängnis gewesen. Die Gefängnisse in Bolivien waren damals ein Witz, es gab kein Hochsicherheitsgefängnis. Wo sollten wir ihn 30 Jahre festhalten? Es hätte ständig Versuche gegeben, ihn zu befreien. So wurde entschieden, ihn zu töten, ohne Prozess. Das haben sie in Kuba zuvor auch gemacht und Che hat auch in Bolivien Menschen getötet. Wir hatten mehrere Soldaten verloren. Es wurde gesagt, wir haben den Befehl, ihn zu töten, wer meldet sich freiwillig. Sieben meldeten sich. Alle wissen, wer das letztlich am 9. Oktober übernahm: Mario Terán.
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