40 Tage ohne Internet: Netzlos = nutzlos?

MÜNCHEN - Kann man ohne Handy, Netbook oder Smartphone überleben? Der Münchner Autor Christoph Koch hat das Internet-Fasten 40 Tage lang ausprobiert. Sein Fazit: Es geht – aber ganz schön schlecht.
Abschalten war gestern: Jeder zweite Deutsche liest auch in seinem Urlaub geschäftliche E-Mails. Das ergab kürzlich eine Umfrage. Früher technisch unmöglich, sorgen plötzlich Netbook, Handy und Smartphone für Erreichbarkeit rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Leben im Stand-by-Modus. Muss das sein? Diese Frage hat sich auch der freie Journalisten Christoph Koch (Neon, SZ) gestellt. Ergebnis: Ein 40-tägiger Selbstversuch ohne Internet und Handy, nachzulesen im Buch „Ich bin dann mal offline“ (Blanvalet, 12,95 Euro).
Wie oft waren Sie heute schon im E-Mail-Postfach?
CHRISTOPH KOCH: Bestimmt fünfzehn Mal.
Drei Mal täglich reichen – diesen Tipp haben Sie doch nach ihrem Online-Fasten formuliert. Nichts dazugelernt?
Ich muss zugeben: Viele schlechte Angewohnheiten sind zurück. Etwa das gleichzeitige Telefonieren und E-Mail-Schreiben. Aber ich habe jetzt einen Online-Sabbat. Samstags bleibt das Handy zuhause und ich gehe nur notfalls ins Internet.
Wie kamen Sie denn auf die Idee, den Stecker zu ziehen?
Ich bin umgezogen und hatte mehrere Wochen kein Internet. Das machte mich rasend. In meiner Not kaufte ich einen Internetstick. Der Preis für den Zweijahresvertrag: 600 Euro. Da merkte ich: Ich bin abhängig. Ich sprach mit Freunden darüber und erfuhr, dass sie dieses Gefühl auch kennen. Das war nicht nur meine Macke. Ich entschloss mich also zum Selbstversuch.
40 Tage Alltag ohne Handy und Internet. Wie war’s?
Am Anfang dachte ich, das wird schon gehen, nur mit Festnetz und Briefpost. Komisch war das Phantomvibrieren. Ständig griff ich ins Leere. Dann kam das Gefühl, ich sei isoliert. Keine Geburtstagseinladungen per E-Mail, keine SMS-Verabredungen. Mit der Zeit habe ich gelernt, alles neu zu arrangieren.
Vermutlich hatten Sie weniger Verabredungen.
Im Gegenteil. Wenn die Online-Kontakte wegfallen, ist man ganz heiß darauf, neue Infos im direkten Gespräch zu bekommen. Man hat ja auch plötzlich viel mehr Zeit, wenn man nicht ständig YouTube-Videos anschaut oder endlos herumgoogelt.
Fühlt man sich netzlos denn nicht auch nutzlos?
Nur abgeschnitten, aber nicht nutzlos. Weil ich nicht abgelenkt war, war ich oft doppelt so produktiv. Insgesamt ist es entspannter, offline zu leben, aber auch teurer. Um zum Beispiel ein Manuskript rasch zum Auftraggeber zu bringen, musste ich einen Kurier engagieren. Sonst genügt ein Mausklick. Und meine Telefonrechnung war auch mehr als dreimal so hoch wie sonst - allein wegen der ganzen Anrufe bei der Auskunft.
Sollte jeder Internet-Fasten?
In diesem Umfang ist das eigentlich unmöglich. Was ich aber empfehle, ist ein Tag in der Woche auf Handy und Internet zu verzichten. Und ohne Laptop und Blackberry in den Urlaub zu fahren.
Interview: Vanessa Assmann