30 Jahre Klebstoff, der das Internet zusammenhält
Die Entwicklung des Internets wäre ohne das Protokoll TCP/IP kaum möglich gewesen - vor 30 Jahren wurde es eingeführt. Die AZ blickt zurück auf 30 Jahre, die die Welt revolutionierten.
München Es ist der Kleber, der das Netz zusammenhält: Das Internetprotokoll TCP/IP wird am 1. Januar 2013 genau 30 Jahre alt. Ohne diesen Standard wäre die Entwicklung des Internets wohl ganz anders verlaufen – einige Experten nennen die Einführung von TCP/IP die eigentliche Geburtsstunde des Internets. Die AZ blickt zurück auf 30 Jahre, die die Welt revolutionierten.
Der Sputnik-Schock war der Auslöser
Wer hat’s erfunden? Die Militärs. Seit dem Ende der Sechziger Jahre arbeitete ein Ableger des US-Verteidigungsministeriums an einer sicheren Datenübertragung. Selbst im Falle eines teilweisen Netzausfalls nach einem Nuklearschlag sollten die Daten beim Empfänger ankommen. Am 1.Januar 1983 löste das TCP/IP-Protokoll den Vorgänger NCP im Arpa-Netz der US-Regierung und der amerikanischen Universitäten ab. Einer der Köpfe hinter TCP/IP war der Netz-Pionier Jon Postel. Den Aufbau des Arpa-Netzes hatten die Russen mit ausgelöst. Nach dem Sputnik-Schock trieben die USA die Entwicklung des Netzwerkes mit Hochdruck voran. „Das wegweisende an TCP/IP ist das offene System“, erklärt Software-Ingenieur Gerd König von der Computer-Firma Kontron. „TCP/IP sind mehrere Protokolle in einem“ Neue Anforderungen können so immer wieder in Einzelprotokolle nachgerüstet werden. „ So ist man auch nach 30 Jahren noch nie an eine Grenze gestoßen“, so Gerd König.
Doch es dauerte bis zum Anfang der Neunziger Jahre, bis sich mit dem World Wide Web das Internet der heutigen Form entwickelte. München war in Deutschland ganz vorn dabei. 1994 ging mit INXS (Internet exchange Service) der erste Internetknoten Deutschlands ans Netz. Und er steht noch immer in den Hallen von „Cable und Wireless“ in der Landsberger Straße. Mit dem Knoten von 1994 hat INXS aber nichts mehr zu tun. Mittlerweile hat er sich samt angeschlossener Rechner auf 10 Schränke verteilt. INXS verarbeitet zu Spitzenzeiten heute knapp 20 Gigabits pro Sekunde - ist damit ein kleinerer Knoten. Doch er habe schon allein aus historischen Gründen eine Daseinsberechtigung lobt Jan Dirnberger von „Space Net“ das geschichtsträchtige Gerät.
Die Firma betreibt INXS für „Cable und Wireless“. Dirnbergers Kollege Sebastian von Bomhard von „Space Net“ gehörte schon vor der Inbetriebnahme von INXS zur GUUG, der German Unix User Group. Diese betrieb an der TU München Anfang der Neunziger Jahre einen Internetrechner mit dem Namen „guug.guug.de“. Bomhard sendete erste Mails und chattete. Ein Privileg für IT-Freaks. Denn die komfortablen Oberflächen der Programme waren noch weit weg. Anekdoten unter anderem über die Internet-Anfänge in München hat Bomhard in seinem Buch „World Wide Was?“ gesammelt.
Ohne HTML war alles nichts
Für das Massenmedium Internet musste erst HTML erfunden werden - die Sprache, die von den Browsern in Texte und Bilder übersetzt wird. Mitarbeiter der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) wollten Forschungsergebnisse mit Kollegen übers Netz austauschen und begannen mit der Entwicklung von HTML. Am 3. November 1992 erschien die erste Version der HTML-Spezifikation. Mit den Browsern kam der Durchbruch. Netscape und Co stellten die Internetinhalte auf einer grafischen Oberfläche dar. Online ging es damals mit dem Modem - diese verdrängten die klobigen Akustikkoppler. Die Kistchen wählten sich mit einem „Chhhrrrt-Tscht“ ein, dann stand das World Wide Web offen. Schnellere Rechner hatten die PCs der Internet-Gründertage abgelöst. Vorbei waren die Zeiten des „Brotkastens“ Commodore C64 oder das Ur-Macintoshs von Apple. Da das TCP/IP-Protokoll auch die Einbindung von Audio und Videos ermöglicht, wurde das Internet zum Multi-Medium, und das Geschäft mit den Online-Inhalten ging durch die Decke.