Zwölf Jahre Mobbing-Opfer: "Das hat gereicht"

Die Münchnerin Anne Kexel ist von ihrem Chef schikaniert worden. Sie hat gelitten, ist krank geworden - hat sich gewehrt und geklagt. Mit ihrer Erfahrung hilft sie heute anderen
John Schneider |
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12 Jahre gemobbt: Jetzt hilft Anne Kexel anderen Opfern.
John Schneider 12 Jahre gemobbt: Jetzt hilft Anne Kexel anderen Opfern.

Die Münchnerin Anne Kexel ist von ihrem Chef schikaniert worden. Sie hat gelitten und ist krank geworden. Dann hat sich gewehrt und geklagt. Mit ihrer Erfahrung hilft sie heute anderen

München - Anne Kexel kennt sich aus mit Mobbing. „Mein Chef hat mich ständig angeschrien, aus nichtigen Anlässen heraus.” Es war die Hölle für sie.
Als die Lehrerin an einem Münchner Förderzentrum für schwer erziehbare Kinder den allzu rauen Umgangston nicht mehr aushalten kann und will, spricht sie den Direktor in einem Vier-Augen-Gespräch darauf an. „Ich bat ihn um einen korrekten, nicht einmal besonders höflichen Umgangston. Einfach nur korrekt. Seine Antwort war: ,Daran wird sich nichts ändern. Ich kann dich nicht leiden.’”

Das ist 1995. Was folgt, seien zwölf Jahre Mobbing gewesen, sagt Anne Kexel. Schikanen und Demütigungen, die sie zwischenzeitlich sogar krank gemacht haben. Ihr Arzt attestiert ihr eine Depression und Erschöpfungssyndrome, die eindeutig mit der Situation an ihrem Arbeitsplatz zusammenhingen.
Woran sie sich in dieser Zeit festhält, sind ihre Schüler. Die Vorgänge im Lehrerzimmer verdrängt sie – und freut sich an den Erfolgen ihrer Schüler. Bei fast allen schafft es die engagierte Lehrerin, alle wieder in die Normalität zu führen.

Doch erst 2004 rafft sich die Lehrerin auf und geht aktiv gegen den Schulleiter vor. „Es hat einfach gereicht. Er wollte mich isolieren.” Was auch teilweise funktioniert habe. Einige Kollegen schlagen sich auf die Seite des mächtigen Mannes. Sie beschwert sich bei der Regierung von Oberbayern. Ohne Erfolg. Sie klagt vor dem Arbeitsgericht auf Unterlassung der Schikanen – und verliert. In der ersten Instanz können die Richter kein Mobbing erkennen, sprechen von „normalem Umgangston”.

Kexel gibt nicht auf. In der zweiten Instanz dann tatsächlich die Wende. Diesmal haben die Richter ein offeneres Ohr für ihre Vorwürfe. Weil sie sich bei dem Gespräch im Mai 1995 sogar die Uhrzeit notiert hat, meint eine Richterin, dass das ja wohl eine „große Verletzung gewesen sein müsse, wenn man sich die genaue Uhrzeit gemerkt hat”.
Gelöst wird der Konflikt dann aber von der Regierung von Oberbayern. Die Behörde versetzt den Direktor im März 2007. Anne Kexel macht dafür auch das Bekanntwerden ihrer Vorwürfe verantwortlich.

Jetzt hat Anne Kexel wieder gut lachen. Die Pädagogin ist nach 20 Jahren in den Ruhestand gegangen, die Zeit des Mobbings ist für sie nur noch böse Erinnerung. Sie lehrt privat weiter, weil ihr der Beruf immer auch Berufung war. Das sei auch der tiefere Grund, warum sie die Jahre der Schikanen irgendwie wegstecken konnte.
Erfahrung macht klug: Anne Kexel hilft jetzt als Patin anderen, die sich von ihren Chefs und Kollegen gemobbt fühlen. Ihre Motivation: „Ich war selbst eine Betroffene, habe die Sache gut geklärt und möchte nun anderen Betroffenen mein Wissen weitergeben.”
Ein wichtiger Tipp: Aufschreiben, was einen stört, was im Umgang am Arbeitsplatz falsch läuft: „Und danach die Emotionen rausstreichen.” Übrig bleiben sollen die reinen Mobbing-Fakten. Wer diese in einem Mobbing-Tagebuch festhält, hat einen wichtigen Zeugen im Kampf gegen die Schikanen gewonnen.
15 Mobbing-Opfern konnte die Mobbing-Patin Kexel in den vergangenen vier Jahren helfen. So wie der Mechatronik-Studentin, die von ihren männlichen Lehrern und Kommilitonen ständig mit Sprüchen wie „Was will die denn hier?” aufgezogen wurde. Und dies in einer äußerst schwierigen privaten Situation: Ihr Vater ignoriert sie, ihre Mutter hatte sich umgebracht. Der jungen Frau half Kexel, sich auf ihre Erfolge und Fähigkeiten zu besinnen – und so neues Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Eine Erfolgsgeschichte, freut sich Anne Kexel. So wie ihre eigene. 

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