Zwischen Magie und Worst Case: Die große Silvester-Show an der Ludwigskirche

Zur Silvesternacht verwandeln zwei Lichtkünstler das Gotteshaus an der Universität in eine riesige Projektionsfläche. Dabei können Besucher interaktiv in die Installation eingreifen.
Helena Ott |
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Die Lichtkünstler Christian Gasteiger und Raphael Kurig kennen sich vom Gärtnerplatztheater. Für ihre Licht-Installation an der Ludwigskirche haben sie sich vom Bauwerk inspirieren lassen.
Die Lichtkünstler Christian Gasteiger und Raphael Kurig kennen sich vom Gärtnerplatztheater. Für ihre Licht-Installation an der Ludwigskirche haben sie sich vom Bauwerk inspirieren lassen. © Daniel Loeper

Raphael Kurig und Christian Gasteiger stehen vor der stolzen Fassade der Ludwigskirche an der Universität. Die Fahrbahn ist schon abgesperrt für das Event. Zwei große Projektoren thronen in einer Art Schaukasten auf Stelzen über dem Gehweg. Die Linsen sind auf die Kirche gerichtet, noch sind sie dunkel. Es ist Montagnachmittag, als die AZ die beiden Lichtkünstler trifft.

Am Silvesterabend wird die Kirchenfassade zur Leinwand für ihre Kunstinstallation. Dann projizieren Kurig und Gasteiger mit den leistungsstarken Beamern bunt-bewegte Muster auf den weißen Kalkstein. Ihre Installation ist Teil der diesjährigen Silvestermeile, mit der München erstmals seit der Jahrtausendwende wieder eine zentrale Silvesterparty bekommt.

In der Silvesternacht verwandeln zwei Lichtkünstler die Kirche an der Universität

Der Aufbau beginnt zwei Tage vorher: Im Korb einer gelb-roten Hebebühne fährt ein Lichttechniker mehrere schwarze Strahler auf einen Zwischenbalkon am Kirchendach. Den Rest müssen seine Kollegen zu Fuß bewältigen und die Strahler die enge Stiege in den Türmen nach oben tragen.

Insgesamt zwölf solcher schweren schwenkbaren Strahler werden die Videoshow, das sogenannte Mapping, auf der Fassade später flankieren. Unterdessen richten Raphael Kurig und Christian Gasteiger unten auf Straße, auf dem gegenüberliegenden Gehweg in einem winzigen weißen Container mit Fenster zur Kirche, eine Steuerungszentrale ein. Ihre Installation ist eine von insgesamt vier Stationen auf dem Areal mit Lichtinstallationen verschiedener Künstler.

Raphael Kurig: "Für die Kirche keine klassischen Silvestermotive, wie Raketen oder Sektkorken"

Auf zwei Tischen verkabeln sie Monitore und ihre Laptops. Sobald am Mittwoch um 19 Uhr der Einlass beginnt, können sie die Installation von hier aus starten. "Für die Kirche haben wir keine klassischen Silvestermotive, wie Raketen oder Sektkorken gewählt", sagt Raphael Kurig. Stattdessen haben sie sich vom Bauwerk inspirieren lassen. Sie durften in der Vorbereitung einen der schmalen Türme hinaufsteigen.

Kurig zeigt jetzt ein Video vom Ausblick auf das leuchtende gelb-grün-blaue Dachmosaik. Es dient als Vorlage für ein Motiv, dass die beiden Beamer dann auf den weißen Kalkstein projizieren werden. Die Beamer seien etwa 15-mal so stark wie herkömmliche für zu Hause. „Das Besondere bei uns ist, dass es auch eine Mitmachtinstallation ist“, sagt Kurig.

So soll die Ludwigskirche in der Silvesternacht erstrahlen.
So soll die Ludwigskirche in der Silvesternacht erstrahlen. © We are Video

Er zeigt auf zwei große Plexiglas-Konstruktionen, an die Teammitglied Mitch Enzmann gerade Metallfüße schraubt. Sie sehen aus wie zwei durchsichtige Blasebälge, wie man sie von mittelalterlichen Schmieden kennt. Nur etwa zehnmal so groß. "Besucher können mit dieser Pumpe Lichtkugeln auf unserer Installation nach oben pumpen", sagt Kurig. Sprich, je mehr man pumpt, desto höher steigen die Lichtkugeln in die Türme der Kirche. Wenn sie oben ankommen, werde ein neues Motiv ausgelöst.

Kurig und Gasteiger kennen sich von ihren Lichtinstallationen am Gärtnerplatztheater. Vor fünf Jahren haben sie die Firma "We are Video" gegründet. Aus ihrer Entwicklung stammt zum Beispiel auch der interaktive Screen im Foyer der Isarphilharmonie. Wer davor steht, kann über Bewegung die Grafikpartikel steuern. Die beiden haben schon viele Projekte zusammen umgesetzt, aber die Installation an der Silvestermeile ist auch für sie eine Premiere – mit so vielen Zuschauern gleichzeitig.

Worst-Case-Szenario wäre ein technischer Ausfall

Die Türme der Kirche sind etwa 71 Meter hoch und die Fassade ist in etwa noch einmal so breit. Dementsprechend steigt bei Kurig und Gasteiger langsam die Aufregung. "Das ist wie bei Musikern, du kannst noch so viel üben, live weißt du nicht, was passiert", sagt Gasteiger. Das Worst-Case-Szenario wäre ein technischer Ausfall.

Kurz vor null Uhr sollen die individuellen Lichtshows pausieren. Der Abend soll in einer über Monate durchkomponierten Licht- und Soundshow kulminieren. Der Mann, der sich die Dramaturgie dazu überlegt hat, heißt Benedikt Brachtel. Der Komponist (40) aus München hat die Herausforderung angenommen, für den Jahreswechsel ein sinnliches Großereignis für Augen und Ohren zu schaffen.

 Schon kurz vor Mitternacht startet das Spektakel

Die Video-, Licht- und Soundshow soll elf Minuten dauern. Schon kurz vor Mitternacht startet das Spektakel. "Wir haben zuerst dieses Herbeisehnen und die Anspannung auf das neue Jahr hin dramaturgisch aufgenommen", sagt Brachtel. Am Ende eines Countdowns soll sich diese Spannung dann in tanzbaren Klängen entladen.

Die Musik dazu hat er in einem großen Tonstudio von Musikern eigens einspielen und zum Teil einsingen lassen. "Ich will eine positive Erwartung auf das neue Jahr transportieren – und die Freunde am gemeinsamen Feiern und Zusammenkommen." Besucher mit Kindern, die früher nach Hause müssen, können die Null-Uhr-Show in abgespeckter Form schon um 21.45 Uhr erleben.

Wie imposant das Ganze dann aussieht, bestimmt auch das Wetter

Zurück zur Ludwigskirche. Die Dämmerung legt sich um den kleinen weißen Container, das Licht der Halogenröhre strahlt nach draußen. Christian Gasteiger und Raphael Kurig werden in der Silvesternacht viel über ihre Funkgeräte miteinander sprechen. Dann wird einer draußen auf der Straße stehen, um die Installation in voller Höhe zu checken, der andere sitzt innen vor den Monitoren.

Wie imposant das Ganze dann aussieht, bestimmt auch das Wetter: "Etwas Feinstaub von umliegendem Feuerwerk und Nebel ist gut für die Scheinwerfer", sagt Kurig. "Aber nicht zu viel, sonst kommt das Beamerlicht nicht gut an", sagt Gasteiger.

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