Zwei Stunden Wartezeit beim Finanzamt
Im Servicezentrum des Finanzamtes in der Deroystraße sind Schlangen von über 200 Menschen derzeit keine Seltenheit. Aus Frust gab's schon Graffiti-Beschimpfungen
MÜNCHEN - Wer dieser Tage ins Servicezentrum des Finanzamts in die Deroystraße muss, braucht Nerven. Vormittags liegt die durchschnittliche Wartezeit bei zwei Stunden! Einem Besucher platzte daraufhin offenbar der Kragen: Im Schutz der Dunkelheit beschmierte er die sieben Meter breite Glasfront des Besucherzentrums großflächig mit deftigen Beschimpfungen.
Jedes Jahr im November fährt AZ-Leser Peter L. aus Haidhausen zum Finanzamt in die Maxvorstadt. Der 60-Jährige gibt seine Steuererklärung persönlich ab: „Falls es Fragen gibt, kann ich sie gleich beantworten. Und oft bekomme ich die Belege auch gleich wieder zurück“, sagt der Selbstständige. Warten musste er in den vergangenen Jahren gut eine halbe Stunde – „immer im vertretbaren Rahmen“, meint der Münchner.
Ganz anders diese Woche. Als Peter L. am Dienstag kurz nach 10 Uhr das Servicezentrum betrat, zog er einen Zettel mit der Warte-Nummer 332. „Bitte warten Sie, bis Ihr Aufruf auf der Anzeigentafel erscheint. Es warten 147 Personen vor Ihnen“, las der Selbstständige. „Ich konnt’s gar nicht glauben. Das wollte ich mir nicht antun.“ Er wollte später wiederkommen.
Da kam es aber noch dicker. Als er zurückkehrte, wurde gerade die Nummer 334 aufgerufen - er war zu spät dran, musste eine neue Marke ziehen. Diesmal hieß es: Es warten 214 Personen (!) vor Ihnen. ]„WennS’ da stehen, da denken’S an früher, das kann man kaum glauben, dass es so was noch gibt.“
Was Peter L. erlebte, machen derzeit tausende Münchner durch. An Spitzentagen kommen bis zu 2500 Steuerzahler ins Amt. Sie wollen ihre Steuererklärung abgeben, Lohnsteuermerkmale ändern oder Freibeträge eintragen lassen. Erst kürzlich kamen die Info-Schreiben der Ämter.
An mangelndem Personal liegt’s nicht. „Wir haben extra aufgestockt, Derzeit arbeiten zehn weitere Mitarbeiter im Servicezentrum“, erläutert Finanzamtssprecherin Andrea Juppe (33). „Uns tun die langen Wartezeiten auch sehr leid. Aber die derzeitigen Probleme liegen nicht in unserer Macht.“
Schuld sind technische Probleme mit der bundesweiten ELStAM-Datenbank, die die Lohnsteuerkarten durch ein elektronisches Verfahren zur Erhebung der Lohnsteuer ersetzen soll. Diese technischen Probleme treffen auch die Mitarbeiter in den Finanzämtern. Mal können sie zehn Minuten nicht auf Daten zugreifen, mal macht die Technik ein paar Stunden schlapp. Andrea Juppe: „Für uns leider Gottes völlig unvorhersehbar.“
Finanzamts-Chef Christoph Hütt empfiehlt, Anträge möglichst per Post zu schicken. Anträge per Mail sind leider nicht möglich. Formulare gibt es unter www.lfst.bayern.de. Auch die Lohnsteuererklärung sollte elektronisch geschickt werden (www.elster.de).
Peter L. hatte doch noch Glück. Vor ihm kapitulierte eine Frau, die ebenfalls wartete. Sie schenkte dem 60-Jährigen ihre Marke - die Wartezeit verkürzte sich auf flotte 90 Minuten.
Ins Leere verliefen bislang die Ermittlungen gegen den wütenden Grafitto-Künstler. Die Polizei ermittelt nach wie vor gegen Unbekannt.
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