"Zum Leben bleibt nicht viel übrig"

1650 netto: Münchner Erzieherinnen erzählen, warum sie morgen wieder streiken
von  Magdalene Schmude
Erzieherin Petra Bräuer mit ihren beiden Söhnen.
Erzieherin Petra Bräuer mit ihren beiden Söhnen. © AZ

1500 netto: Münchner Erzieherinnen erzählen, warum sie morgen wieder streiken

MÜNCHEN Der Streit ums Geld geht weiter: Morgen wird der Öffentliche Dienst wieder streiken, in München hat sich zur Kundgebung auch Verdi-Chef Frank Bsirske angekündigt. Auch Julia Werner wird dabei sein.
Die 22-Jährige arbeitet seit September in einer Münchner Kindertagesstätte und ist trotz einer ganzen Stelle auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen: „München ist wahnsinnig teuer, dafür reicht mein Gehalt nicht aus”, sagt sie. Als Berufsanfängerin verdient Julia rund 1500 Euro netto, inklusive des „Münchenzuschlags” von 120 Euro, der die höheren Lebenshaltungskosten in der Stadt ausgleichen soll. „Allein an Miete bezahle ich 645 Euro, dazu kommen weitere Fixkosten. Zum Leben bleibt da nicht viel übrig.”


Viele ihrer Kolleginnen wohnen deshalb noch bei den Eltern. Oder sie haben neben ihrem 39 Stunden-Job noch einen zweiten, als Kellnerin zum Beispiel.
Julia und ihre Kolleginnen sind sich einig: „Wir machen unsere Arbeit alle sehr gerne, aber einen Haufen Kinder zu betreuen ist anstrengend. Dass man zusätzlich noch jobben muss, um finanziell zurechtzukommen, kann einfach nicht sein”.

Ein weiteres Problem in den Betreuungseinrichtungen ist der Personalmangel, wie Erzieherin Petra Bräuer erzählt. „Offiziell versorgt bei uns eine Erzieherin 10,5 Kinder, aber oft sind Kolleginnen krank, und dann steht man schon mal mit einer Gruppe von 25 Kindern allein da.”

Eigentlich soll es für solche Fälle Vertretungen geben, aber dafür müssten Aushilfen eingestellt werden: „Viele offene Stellen werden einfach nicht mehr besetzt”, sagt die 33-Jährige. Sie hat zwei Söhne. Seit sie Kinder hat, arbeitet sie nur noch 20 Stunden pro Woche. Für 900 Euro netto. „Die Hälfte davon geht für die Kinderbetreuung drauf, finanziell lohnt es sich für mich nicht, zu arbeiten.” Nur weil ihr Mann genug verdient, funktioniert ihr Familienmodell: „Als Alleinerziehende wäre ich auf staatliche Unterstützung angewiesen.”

Dass sie in ihrem Beruf nicht reich werden, wissen Erzieherinnen schon während der Ausbildung. Die dauert in Bayern fünf Jahre, besteht aus einem zweijährigen Vorpraktikum, zwei Jahren schulischer Ausbildung und einem praktischen Anerkennungsjahr in einer Kinderbetreuungsstätte. Für das Vorpraktikum gibt es rund 400 Euro, im letzten Ausbildungsjahr bekommen die angehenden Erzieherinnen 80 Prozent des späteren Gehalts, etwa 1000 Euro. Aber auch nach Abschluss der Ausbildung bleibt das Geld knapp: Trotz der Arbeit in einem Beruf, der Verantwortung bedeutet und auf dessen Zuverlässigkeit viele berufstätige Mütter und Väter angewiesen sind.

Trotzdem haben die meisten Eltern auf den Warnstreik mit Verständnis reagiert, erzählen die beiden Erzieherinnen. Ob das so bleibt, wird sich zeigen. Wenn sich in den Verhandlungen nicht bald etwas bewegt, kann es den ganzen März über zu weiteren Streiktagen kommen.

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