Zu hohe Nachfrage: Geht München der Matcha aus?

Man sieht es überall auf Social Media, in ganz München – vom Glockenbachviertel bis in die Maxvorstadt – schießen Cafés, die das Trendgetränk schlechthin anbieten, förmlich aus dem Boden: Die Rede ist vom grasgrünen Teegetränk Matcha.
Junge Münchnerinnen und Münchner schlürfen es, meist auf Eiswürfeln und Pflanzenmilch serviert, täglich aus To-go-Bechern oder schicken Kristallgläsern. Sogar in der deutschen Popkultur ist das Getränk inzwischen angekommen: In ihrem Sommerhit aus dem Jahr 2024 "Bauch, Beine, Po" rappte Shirin David eingangs: "Iced Matcha Latte, zu spät beim Pilates". Matcha steht für Lifestyle, Gesundheit und Urbanität.
Droht ein Matcha-Engpass in München?
Laut Deutschem Tee- und Kräutertee-Verband importierte Deutschland zwischen Januar und August 2024 240 Tonnen Matcha – ein Plus von 240 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Grüntee, zu dem Matcha gehört, macht etwa neun Prozent des deutschen Teemarkts aus. Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Exportmarkt für japanischen Tee.
Die Nachfrage ist so groß, dass japanische Bauern die Produktion kaum noch decken können. Die "Japan Times" berichtete Anfang des Jahres von einem "Matcha-Engpass". Der Teeverband bestätigt außerdem, dass "die Wetterbedingungen in der ersten von drei Erntephasen in Japan im Jahr 2025 außergewöhnlich ungünstig" waren. Kälte und Spätfrost hätten die Ernte stark beeinträchtigt. Ob die folgenden Ernten das ausgleichen können, sei unklar.

"Matcha-Nachfrage hat sprunghaft zugenommen"
Der nahe München ansässige Tee-Importeur Zeekei aus Geltendorf versorgt nach eigenen Angaben viele Münchner Cafés mit Matcha. Auf AZ-Anfrage sagt Inhaber Christopher Wehner, dass "kaum mehr Rohware zur Produktion von Matcha" verfügbar sei. "Die weltweite Nachfrage nach Matcha hat sprunghaft zugenommen."
Durch die Knappheit seien "die Bestellungen doppelt oder gar dreifach so groß" wie sonst. Wehner glaubt, dass die Nachfrage weiterhin steigen werde. Matcha sei kein Hype, sondern "ein etabliertes Produkt, das seinen festen Platz in der gesunden Ernährung speziell bei den jüngeren Generationen hat". Das zeigt sich spätestens beim Blick in die Münchner Cafés ganz deutlich. Die Verfügbarkeit von Bio-Rohtee sei aber begrenzt.
Aufwendige Herstellung von Matcha-Pulver
Die Herstellung von Matcha ist aufwendig: Vier Wochen vor der Ernte werden die Pflanzen beschattet, um mehr Chlorophyll zu bilden und das Pulver intensiv grün zu machen. Nach der Ernte werden die Blätter gedämpft, von Stängeln getrennt und in Steinmühlen zu feinem Pulver vermahlen – teils von Hand. Hochwertiger Matcha kostet daher mehrere Tausend Euro pro Kilo.
Warum ist Matcha so beliebt?
Die wachsende Beliebtheit des pulverförmigen Grüntees kann auf den wachsenden Gesundheitsfokus, insbesondere bei jüngeren Generationen, zurückgeführt werden. Matcha gilt als sogenanntes Superfood, das gesundheitsfördernde Eigenschaften verspricht, etwa eine maximale Aufnahme der enthaltenen Nährstoffe wie Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen, so der Teeverband.

Außerdem spiele die Ästhetik des Getränks eine Rolle. Die kräftige Farbe macht sich gut auf Instagram und gibt auch Baristas viele Möglichkeiten, sich kreativ auszutoben.
Matcha ist inzwischen nicht nur in Cafés, sondern auch in Drogerien und Supermärkten erhältlich. Das habe es in dieser Form früher nicht gegeben, so der Verband.
Matcha-Einkaufspreise könnten steigen
Die steigende Nachfrage und die knappen Ernten könnten bald zu Engpässen im Handel führen. Ob und wie stark, ist noch unklar, weil die zweite und dritte Ernte in Japan noch anstehen und vom Wetter abhängen.
Trotzdem erwartet der Teeverband, dass das geringere Angebot und die hohe Nachfrage die Einkaufspreise steigen lassen. Wie sich das auf die Ladenpreise auswirkt, bleibt abzuwarten. Ein Exportstopp aus Japan sei jedoch nicht zu erwarten.
Matcha-Knappheit trifft auch Münchner Cafés
Münchner Café-Betreiber bekommen die Engpässe zu spüren. Ein bekannter Name in der Münchner Matcha-Szene ist das Orno Café in der Fraunhoferstraße. Das minimalistisch eingerichtete Café arbeitet seit einigen Jahren eng mit Tee-Bauern in Japan zusammen und ist daher nicht auf externe Lieferanten angewiesen. Trotzdem fällt die Beschaffung von vor allem hochwertigem Bio-Matcha in diesem Jahr besonders schwer – wegen der Erntebedingungen, aber vor allem wegen der starken Nachfrage, erklärt Benedikt Schäfermeyer, einer der Gründer. Davon lassen sich die Café-Betreiber jedoch nicht aus der Ruhe bringen, betont Schäfermeyer.

Auch im Niu Asian Café in der Sendlinger Straße sagt man der AZ, dass die zunehmende Nachfrage eine Herausforderung ist. Das asiatische Café gibt es auch in Nürnberg und ist für seine bunten Kuchen und Milchschaum mit Glitzer bekannt – und für Matcha. Pro Monat verkauft der Laden rund 2500 Matchagetränke – Tendenz steigend.

"Schade, wie sich der Matcha-Markt entwickelt"
Aufgrund der begrenzten Anbauflächen und der weltweit steigenden Nachfrage nach hochwertigem Matcha, insbesondere der Ceremonial Grade-Qualität, werde es zunehmend schwieriger, an authentische Ware aus Japan zu gelangen, so Nici Huang, die Inhaberin. Aktuell verzögern sich die Lieferungen um bis zu vier Monate. "Ich finde es schade, wie sich der Markt für Matcha gerade entwickelt – insbesondere im Hinblick auf die japanische Tradition", so Huang.
Die Café-Betreiberin beobachtet, dass immer mehr Cafés in München Matcha in ihr Sortiment aufnehmen – häufig auch ohne tieferes Verständnis für die dahinterstehende Kultur und Tradition. Viele dieser Betriebe hätten keinen asiatischen Hintergrund, was sich ihrer Meinung nach auch in mangelndem Qualitätsbewusstsein widerspiegele.
Wird Matcha Kaffee ersetzen?
Huang ist überzeugt, dass Matcha langfristig einen festen Platz im Alltag vieler Menschen einnehmen wird – ähnlich wie Kaffee. Den Trend erklärt auch sie sich durch ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft sowie durch den Social-Media-Hype des Getränks.
Die Produktionslandschaft werde sich dadurch voraussichtlich verändern: Bereits jetzt entstünden erste Anbaugebiete außerhalb Japans, die ihrer Einschätzung nach künftig eine Alternative darstellen könnten, um der wachsenden weltweiten Nachfrage gerecht zu werden.
In einer Stadt, in der der Bierkonsum pro Kopf bei über 100 Litern im Jahr liegt, hat sich Matcha überraschend gut etabliert. Ob München der Matcha tatsächlich ausgeht, bleibt abzuwarten. Doch keine Sorge – Biergärten gibt es hier zur Not noch zur Genüge.