Zu Besuch bei Münchner Griechen: Was sagen Sie zum Finanzdesaster?

Die Nöte ihrer alten Heimat lassen die 22.000 Hellenen in der Stadt nicht kalt. Sie empören sich über Vetternwirtschaft, aber auch über die Polemik aus Deutschland.
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Tomaten, eingelegte Oliven – aber auch Wein und Kräuter hat Tassos Ekizoglou in seinem Laden in der Donnersberger Straße im Angebot.
Gregor Feindt Tomaten, eingelegte Oliven – aber auch Wein und Kräuter hat Tassos Ekizoglou in seinem Laden in der Donnersberger Straße im Angebot.

MÜNCHEN - Die Nöte ihrer alten Heimat lassen die 22.000 Hellenen in der Stadt nicht kalt. Sie empören sich über Vetternwirtschaft, aber auch über die Polemik aus Deutschland.

Athen ist weit weg. Geograhisch sind es 2150 Kilometer von München aus. Athen ist in diesen Tagen aber auch nah. Knapp 22.000 Griechen leben in München und die Nachrichten über das griechische Finanzdesaster treiben sie um. Überrascht hat es anscheinend nicht.

In der Donnersberger Straße duftet es nach Gebratenem, Knoblauch und reifen Tomaten. „Griech. Spezialitäten“ steht über dem Eingang von Hausnummer 36. Jeder im Viertel kennt den Laden, in dem gerade Tassos Ekizoglou die Vitrine neu bestückt. Der 35-Jährige hat immer in Deutschland gelebt, verfolgt aber gespannt, was in der Heimat seiner Eltern passiert. Er ist mit den Sparmaßnahmen der griechischen Regierung einverstanden. „Man muss kürzen, wo man kürzen kann“, sagt Ekizoglou. Auch wenn es weh tut. „Deswegen wird es Demonstrationen geben, als Ventil für die Wut. Das liegt in der Natur des Menschen“, ist er überzeugt.

Kein Geld, dafür Solidarität

Als Wurzel allen Übels begreift er das Gewinnstreben. „Niedrige Steuern wie in Griechenland sind der falsche Weg. Damit hilft man nur dem Kapital.“ In gewisser Weise sieht er in der aktuellen Krise eine Chance: „Wir sind alle Bürger der EU und müssen eine starke Gemeinschaft bilden, als Gegengewicht zum Kapital. Die Bevölkerung muss bereit sein,, mehr zu verlangen.“ Gleichzeitig ärgern ihn die Anfeindungen von europäischen Staaten gegen Griechenland. „Die EU-Staaten müssen kein Geld versprechen, aber Solidarität.“

Eine Ansicht, die viele Münchner Griechen teilen. Zum Beispiel Apostolos Malamoussis, Erzpriester des Ökumenischen Patriarchats. Er sagt: „Ich bete jeden Tag dafür, dass Griechenland es aus der Krise schafft - mit der moralischen Unterstützung der EU und Wohlwollen vor allem aus Deutschland.“ Wie viele andere Griechen plagt auch Malamoussis die aufgeheizte Diskussion in Deutschland. „Auf einmal stehen alle Griechen unter Generalverdacht, gelten als faul und korrupt“, sagt er nachdenklich. „Von einem hochkultivierten Land wie Deutschland erwartet man keine solche Polemik.“

Sorge um die Armen

Malamoussis, der Griechenland vor 37 Jahren verlassen hat und bis vergangenen Sommer als Religionslehrer im Staatsdienst stand, befürwortet die beschlossenen Sparmaßnahmen. Seine Sorge gilt den ärmeren Bevölkerungsschichten: „In Griechenland leben viele Rentner von 300, 400 Euro im Monat, dort kann man nicht sparen.“ Umgekehrt müssten jene zur Kasse gebeten werden, die mehr haben. Sich selbst schließt er dabei nicht aus. „Ich bin bereit, etwas von meinem Gehalt abzugeben, um die Krise zu bekämpfen.“

Wie verbreitet diese Einschätzung ist, muss sich zeigen. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, seit Jahrzehnten leidenschaftlicher Mykonos-Urlauber, wendet ein: „Griechische Rentner, Studenten und Jugendliche lassen sich ungern sagen, dass sie den Gürtel enger schnallen sollen.“ Die Nachrichten über die schlechte Finanzlage Griechenlands haben den OB bestürzt, aber nicht ganz kalt erwischt. Der Kontrast zwischen privatem Reichtum, mit Villen und Luxusyachten und öffentlicher Armut in jeder Stadt hat immer schon verwundert.“

„Ich bin schockiert, dass die Maßnahmen nicht vorher ergriffen wurden“, sagt Manolis Manussakis, Wirt der Schwabinger Fischtaverne Kalypso., in der auch OB Ude gerne isst. 1982 kam Manussakis von Kreta nach München, heute lebt seine Mutter noch dort. Wie groß wird der Image-Schaden sein, den Griechenland aus der aktuellen Krise mitnehmen wird? Der Wirt und Mathematiker ist besorgt: „Für den Tourismus wird es hart.“ Wie hart, davon wird er sich bei seiner nächsten Kreta-Reise Ende April ein Bild machen, wo er seine Mutter besucht. Fest steht, das wissen auch die Münchner Griechen: Das Bild vom Ouzo-trinkenden, lebenslustigen Hellenen hat einen Riss bekommen.

Vanessa Assmann

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