Zinswende auf dem Immobilienmarkt in München: Der Kauf-Boom ist jetzt vorbei
München - Der Vorsitzende des Immobiliendachverbandes Süd (IVD) Stephan Kippes hat sich jahrelang die Augen gerieben. Von Januar zu Januar stiegen die Kaufpreise für Häuser und Wohnungen in schwindelerregende Höhen. Rekordwerte von Jahr zu Jahr. Aber er sagte auch einen Preisrückgang voraus: "Normalerweise sind es Sieben-Jahres-Zyklen", erzählte er aus seiner Erfahrung bei regelmäßigen IVD-Presserunden. Sprich: sieben Jahre steigende Preise, sieben Jahre fallende.
Diese Rechnung galt aber stets für einen Markt, auf dem sich die Nachfrage und das Angebot halbwegs ausgleichen. Doch in München war das immer anders. Hier war und ist bekanntlich die Nachfrage höher als das Angebot. Weil die Kreditzinsen teilweise unter einem Prozent lagen, Geld also kaum etwas kostete, kauften die Wohnungsinteressenten mit dem nötigen Eigenkapital wie verrückt. Energieausweis oder Lage? Oft zweitrangig. Dennoch: Auch in München müsse dieser Boom eigentlich auch mal ein Ende finden, sagte Kippes stets. Nur wann war die Frage.
Immobilienmarkt in München: 13 Jahre Kaufrausch haben ein Ende
Die Antwort ist: jetzt, mit den aktuellen Bedingungen. Die sieben guten Jahre für Makler, Verkäufer und Investoren waren in München sogar 13 gute Jahre. Kippes sagt: "13 Jahre Boom auf dem Kaufmarkt sind nun vorbei." Seit Mitte 2022, seit der Leitzins von der Europäischen Zentralbank angehoben wurde und Geld zu leihen wieder etwas mehr kostet (bis zu 4,5 Prozent effektiver Kredit-Jahreszins), fallen die Kaufpreise fast in allen Segmenten. Vor allem bei Eigentumswohnungen im Bestand sanken sie münchenweit zuletzt deutlich, um satte 13 Prozent.
Nun gibt es mindestens fünf parallele, sehr bedenkliche Faktoren, die am Ende den Mietmarkt in München und auch im Umland heißlaufen lassen, abzulesen in der Halbjahresbilanz des IVD. Diese Rahmenbedingungen sind ungünstig für Mieter: steigende Materialkosten (Platz eins: Flachglas, plus 49 Prozent), Baustopp auf Baustellen, dazu "Bau-Überhang" (genehmigte Bauprojekte, die nie beginnen), rund 20.000 Neu-Münchner jährlich, und potenzielle Immobilien-Käufer, die lieber abwarten, wie weit die Preise noch sinken - und auf den Mietmarkt drängen.
Mehr als die Hälfte aller genehmigten Projekte in München werden nicht gebaut
Wer will schon 50.000 bis 100.000 Euro Wertverlust in wenigen Monaten riskieren beim derzeitigen Preisverfall auf dem Kaufmarkt. "Vor allem der Bau-Überhang tut dem Mietmarkt massiv weh", sagt IVD-Chef Kippes. Das sei ein enormer zusätzlicher Druck auf Mietpreise, wenn einfach zu wenige neue Wohnungen entstehen. Er beträgt in München minus 56 Prozent. Sprich, mehr als die Hälfte der genehmigten Projekte werden derzeit nicht gebaut. Nach 13 Jahren Goldgräberstimmung und teils immensen Wertzuwächsen führt all das dazu, dass die Kaufpreise sich neu einpendeln - und zwar abwärts.
Das ist einerseits gut. Doch vor allem im Stadtgebiet schießen jetzt die Mietpreise nach oben. Schon lange entscheiden sich viele Münchner dazu, an den Stadtrand zu ziehen, weil bereits im stadtnahen Planegg der Quadratmeter im Schnitt nur 12,70 Euro kostet und nicht so viel wie in der Stadt. Dass Leute ins Umland ausweichen, bestätigt auch der Ebersberger Immobilienfachmann Patrick Eichler.
"Kann man sich nicht schönrechnen: Kaum ein Verdienst steigt im Gleichschritt zur Inflation"
Wie auf der Karte zu sehen, kostet in München der Quadratmeter Kaltmiete bei Neuverträgen im Schnitt (!) 19,50 Euro - 4,3 Prozent mehr als vor einem halben Jahr (Erding und Freising: plus 4,1 Prozent), mit kleineren Ausschlägen nach unten und größeren Ausschlägen nach oben. Da hilft es auch nichts, sich schönzurechen, dass inflationsbereinigt manche Mieten trotz Anhebung auf die ortsübliche Vergleichsmiete sogar sinken. Denn: "Kaum ein Verdienst steigt im Gleichschritt mit der Inflation. Da braucht es Verhandlungsgeschick, das hat nicht jeder", sagt IVD-Chef Kippes. Wer auf den gängigen Portalen nach Wohnungen schaut, merkt schnell, dass auch 30 Euro je Quadratmeter möglich sind, je nach Lage, Wohnqualität und Stadtteil.

Da stellt sich die Frage: Wie teuer kann es in München eigentlich noch werden? 40 Euro, 50 Euro Quadratmeter-Kaltmiete – vielleicht sogar im Schnitt? Wer wird sich das noch leisten können? Ein banales Rechenbeispiel: Eine familientaugliche 100-Quadratmeter-Wohnung würde in manchen Stadtteilen schon heute 3000 Euro Kaltmiete kosten. Plus Strom, Internet und Nebenkosten: Sagen wir 3500 Euro Warmmiete. In vielen Berufen wird das netto nicht verdient.
Da bleibt noch, in Zeiten von Homeoffice aus München weit wegzuziehen. Im postkartenhaften Schliersee kostet der Quadratmeter Miete derzeit nur 9,90 Euro.
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