Zahnärztin weist HIV-Positiven ab
Dem Beamten (52) ist eine Brücke herausgebrochen. Er wird aus der Praxis geschickt - auch wegen "Hygienevorschriften".
München Wer HIV-infiziert und ein medizinischer Notfall ist, wird in München nicht immer behandelt. So ist es auch dem Beamten Andreas W. ergangen. Er arbeitet in der Stadt. Neulich brach ihm am Vormittag eine Zahnbrücke heraus. „Weil ich außerhalb Münchens wohne, habe ich mir eine Praxis in der Nähe rausgesucht.
Ich wollte das so schnell wie möglich gerichtet haben“, sagt der 52-Jährige. Er könne sofort vorbeikommen, sagte die Helferin der Praxis im Glockenbachviertel. Doch noch bevor er die Ärztin gesehen hatte, wurde er gebeten, wieder zu gehen. Andreas W. vermutet, dass seine HIV-Erkrankung der Grund war.
„Ich hatte auf dem Patienten-Fragebogen ehrlicherweise angegegeben, dass ich HIV-positiv bin“, sagt er. „Als ich vom Zähneputzen kam, schauten mich die Sprechstundenhilfen ganz betreten an, dann wurde ich ins Wartezimmer gebeten und die Tür geschlossen.“ Ein Helfer bat ihn zum Gespräch.
Derzeit könne man ihn nicht behandeln, HIV-Kranke bräuchten eine Randbehandlung, so erzählt es Andreas W. Als letzten Patienten könne man ihn einschieben. Jedoch wisse man nicht, wann genau das sei. Ein neuer Termin wurde nicht angeboten. „Ich habe das als Rausschmiss empfunden. Für mich war das diskriminierend“, sagt Andreas W.
„Ich bin total fertig.“ Dass am HI-Virus erkrankte Menschen in München von Ärzten weggeschickt werden, komme häufiger vor, so Thomas Niederbühl von der Münchner Aidshilfe: „Wir hören sehr häufig, dass gerade Zahnärzte HIV-Patienten wegschicken“, sagt er. Gerade hat sein Verein eine Studie dazu herausgebracht.
„Das ist Diskriminierung. Jeder sollte gleich behandelt werden.“ Sonderbehandlungen seien nicht nötig. Niederbühl: „Das Virus ist empfindlich und stirbt an der Luft ab. Dass Infektionsrisiko für Arzt, Helferin und den nachfolgenden Patient ist gleich null.“ Die Ärztin, die Andreas W. abgewiesen hat, sieht das anders: „Wir haben nicht genügend Stühle und Instrumente, um HIV-positive Patienten zwischendurch zu behandeln.
Die müssen am Abend kommen, damit wir die Hygienevorschriften einhalten können.“ Dass W. gehen musste, habe einen anderen Grund gehabt: „Wir sind sehr ausgebucht. Bis er kam, hatten wir Patienten hier, und es ging nicht mehr, ihn zu behandeln.“ Die Bayerische Landeszahnärztekammer gibt auf AZ-Anfrage der Ärztin recht: HIV-Erreger unterlägen einer besonderen Risikobewertung. Jede Praxis erstelle eigene Hygienepläne.
„Die Einbestellung eines infizierten Patienten zu einem von der Praxis festgelegten Zeitpunkt ist nicht zu beanstanden.“ Thomas Niederbühl kann die Ängste der Ärzte nicht verstehen: „Sie sind absurd, zeigen aber, dass hier dringend Fortbildungen nötig wären. Es ist vollkommen klar, dass eine Isolation oder ein Termin am Rande den Patienten verletzt.“
Auch Andreas W. ist verletzt: „Vor der Praxistür habe ich mit den Tränen gekämpft. Ich bin über jeden Tag froh, an dem ich nicht über meine Krankheit nachdenken muss.“ Jetzt will er zu einem Zahnarzt in Ingolstadt fahren. Der hat ihn bereits mehrmals behandelt. Mittags, zwischen zwei anderen Patienten.
So oft fühlen sich Infizierte in München diskriminiert
Eine Umfrage der Münchner Aidshilfe unter 280 positiv getesteten Menschen hat ergeben: Ein Drittel wurde beim Zahnarzt diskriminiert. 30 Prozent der Frauen hatten beim Gynäkologen Probleme. Auffällig: Gerade bei Chirurgen, für die ein Ansteckungsrisiko wesentlich höher ist, fühlten sich nur 15,6 Prozent der Patienten diskriminiert. Bei HNO-Ärzten waren es 13,8 Prozent, bei Hausärzten 12,6 Prozent, bei Orthopäden 9,6 Prozent, bei Urologen 9,4 Prozent, bei Ärzten für Innere Medizin nur 9 Prozent.
41 Prozent der Befragten hatten deutlich sichtbare Warnhinweise auf ihrer Kartei wahrgenommen, 27 Prozent wurden gebeten, außerhalb der Sprechstunde zu kommen, 24,5 Prozent wurden sogar gebeten, die Praxis zu verlassen. 17,3 Prozent waren räumlich von anderen Patienten isoliert.