"Wollen keine Haie sein": Zwei Freunde kaufen leer stehenden Altbau in München – und machen’s anders
Die Fenster im sandfarbenen Eckhaus an der Occamstraße 1 sind immer noch blind vor Dreck. Zwölf Altbaufenster sind es nach vorne raus zum Wedekindplatz, auf drei Stockwerken. Plus 21 seitlich an der Occamstraße. Und Burkhard Stolla, der in drei Wochen 71 Jahre alt wird, wohnt noch immer als letzter verbliebener Mieter ganz allein im ersten Stock (AZ berichtete).
Späti, Coffeeshop und acht leer stehende Altbauwohnungen
Aber wer aufmerksam hinschaut, kann es merken. Nach acht Jahren Wohnungsleerstand tut sich was im Altbau mitten im Altschwabinger Ausgehviertel nahe der Münchner Freiheit. Im Erdgeschoss, wo neben dem Kiosk-Späti kürzlich ein Lap Coffeeshop aufgemacht hat, ist die Fassade weiß aufgefrischt. Zwei Männer spazieren immer wieder rein und raus aus dem Gebäude. Hier und da hört man es rumpeln oder hämmern. Dann verlassen Holzlatten, Gestelle, Gerümpel das Haus.
Gekauft haben zwei Münchner
Was ist da los? Wie die AZ erfahren hat, ist das Eckhaus, das zuletzt (seit 2018) der Altschwabing Projekt GmbH des Anwalts Michael Georg Sachs gehört hat, verkauft worden – an die Arega Wohnbau. Dahinter stehen die beiden Münchner Fabian Aschenbrenner (38) und Tom Reuter (59).

"Wir sind keine Profi-Immobilienhaie"
"Wir sind keine Profi-Immobilienhaie", sagt Reuter zur AZ, "wir sind nur zwei Münchner, die was Schönes aus diesem Haus machen wollen." Er sei auf dem Weg ins Büro fast täglich an dem Eckhaus, das zunehmend herunterkam, vorbeispaziert, erzählt Fabian Aschenbrenner. Mehr aus Spaß habe er anfangs zu seinem Spezl gesagt: Das wär doch was, das zu sanieren und mit netten Leuten einzuziehen. Und dann, als es plötzlich überraschend zum Verkauf stand, hätten sie spontan zusammen zugeschlagen.
Reuter ist Zeitschriftenverleger, rund 50 Rätsel- und Sudoku-Magazine bringt er mit seinem Freizeit-Media-Verlag heraus. Aschenbrenner, der aus einer Bauunternehmerfamilie stammt, ist studierter Politikwissenschaftler und Haus- und Grundstücksverwalter.

"Keine Luxussanierung, ich brauch kein Marmorbad"
Was haben die beiden nun vor? "Keine Luxussanierung", sagt Tom Reuter, "ich brauch kein Marmorbad." Aber weil das Haus (1898 von Michael Reiffenstuel erbaut), das mit dem Nachbarhaus unter Ensembleschutz steht, nach so vielen Leerstandsjahren marode geworden ist, stehe ein großer Umbau bevor.

Balkone, Dachwohnung und ein gläserner Aufzug
Zuvorderst müssten die Leitungen für Strom, Wasser, Heizung und auch das Dach neu gemacht werden. Aus den bislang neun (balkonlosen) Wohnungen auf drei Stockwerken wollen sie sieben Familienwohnungen (bis 120 Quadratmeter) mit Hinterhofbalkonen machen. Jede bekommt obendrein einen französischen Balkon nach vorn raus. Zudem wollen sie das Dach für eine achte Wohnung mit Gauben ausbauen und ins historische Treppenhaus einen gläsernen Aufzug einbauen.

In den Hof soll ein kleiner Anbau für die Gastro
Auch ein kleiner Anbau im Hof ist geplant, der der Gastronomie im Erdgeschoss mehr Platz gibt – und dessen Dach im zweiten Stock als Terrasse dient. 820 Quadratmeter Wohnfläche wären das dann auf vier Stockwerken. Plus drei Gastro-Einheiten im Erdgeschoss.

"Wir wollen eine nette Nachbarschaft"
"Unser Plan ist", sagt Reuter, "dass wir nur Dach, Fassade, Fenster und alle Leitungen selber machen. In zwei Wohnungen ziehen wir selber ein, die anderen fünf verkaufen wir unsaniert für einen fairen Preis. Die neuen Bewohner können dann über ihre Sanierung selber entscheiden.´" Wichtig sei ihnen da nur eins: "Wir wollen eine nette Nachbarschaft, wer freundlich ist, darf sich gern bei uns melden."

Was wird aus dem letzten Mieter im Haus?
Und was soll aus Burkhard Stolla werden, dem allerletzten Mieter, der seit 1988 im ersten Stock wohnt? "Wenn er bleiben mag, kann er gern bleiben", sagt Fabian Aschenbrenner zur AZ. Wobei es für den 71-Jährigen, der gesundheitlich angeschlagen ist, eher ungemütlich werden wird, in Kürze auf einer eingerüsteten Baustelle mit viel Lärm und Dreck zu wohnen.

Eine halbe Wohnung ohne Bad und Dusche
Dazu kommt: Der Rentner, der einst Kulissenschreiner bei der Bavaria Film war (AZ berichtete), bewohnt nur eine halbe Wohnung (45 Quadratmeter). Klo und Waschbecken teilt er sich mit der Nachbarwohnung – im Flur. Eine Dusche gibt es nicht. Auch keine Küche, Stollas Herd steht im Gang. Die 193 Euro Miete, die das im Monat kostet (unverändert seit Jahrzehnten) zahlt das Sozialamt.

Umzug in eine Ersatzwohnung?
Noch hat sich der Rentner nicht entschließen können, in eine der Ersatzwohnungen umzuziehen, die die neuen Hauseigentümer ihm angeboten haben. Sie seien sogar bereit, höhere Mietkosten für einige Jahre zu übernehmen, "wenn sie nicht vom Sozialgeld gedeckt werden", sagt Reuter.
Eine gute Lösung in Sicht
Burkhard Stolla zur AZ: "Ich brauche halt Platz, um alle meine gesammelten Sachen unterzubringen." In die nächste Wohnung, die man ihm anbieten werde, wolle er aber nun doch umziehen. "Ich bin sicher, wir finden bald eine gute Lösung", sagt Tom Reuter.

Baubeginn soll im Herbst sein, wenn die Genehmigung kommt
Erst mal warten die neuen Hauseigentümer aber noch auf die Genehmigung ihres Bauantrags, der seit Jahresbeginn bei der Lokalbaukommission (LBK) liegt.
"Vor Pfingsten haben wir die letzten Nachträge hingeschickt, es ist alles abgestimmt mit dem Denkmalschutz", sagt Reuter. "Wir gehen fest davon aus, dass die Genehmigung in den nächsten Tagen kommt." Wenn alles glattläuft, sollen im Herbst die Bauarbeiten beginnen. "Nach einem Jahr soll grob alles fertig sein." Und dann zieht im Eckhaus hoffentlich wieder Leben ein. Zeit wär's.
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