Wohn-Wahnsinn: Wohnungsbesichtigung pervers!

140 Bewerber wollen eine Wohnung: 80 Quadratmeter für 652 Euro kalt in der Altstadt – das Los entscheidet. Haben Sie auch angestanden?
von  Tim Wessling
Unglaublich! Passanten schießen Fotos von der endlosen Schlange, die sich bis hinter das Café am Hochhaus zieht.
Unglaublich! Passanten schießen Fotos von der endlosen Schlange, die sich bis hinter das Café am Hochhaus zieht. © Lackinger

München - Über hundert Menschen stehen sich bei Schnee und 5 Grad unter Null die Beine in den Bauch. Am Ende der Schlange gibt es – eine Wohnung.

Die Gewofag, Münchens größter Anbieter für bezahlbaren Wohnraum, bietet hier eine ihrer wenigen Wohnungen in der Innenstadt an. „Das kommt nicht oft vor“, sagt Sprecherin Tanja Thurner. Geförderter Wohnraum ist knapp, so zentral erst recht.

In der Schlange stand auch Gerhard Lackinger (66). Er weiß, dass man für eine neue Wohnung starke Nerven braucht. Bei ihm ist es dringend. Bis Ende September muss er aus seiner jetzigen Bleibe ausziehen. „Nach 33 Jahren ist Schluss, weil das Haus saniert wird “, erzählt er. Ein großer Schritt für den Rentner. Sein Herz hängt an der Wohnung, in der er einen Großteil seines Lebens verbracht hat.

Doch die Suche ist die Hölle. Ständig checkt Lackinger Internetseiten nach Angeboten. Auf Immobilienscout.de stieß er auf die Anzeige der Gewofag. 8,15 Euro pro Quadratmeter: Ein Sechser im Lotto. Für 9Uhr in der Früh war der offene Besichtigungstermin angesetzt. „Die Bewerber sollten alle Unterlagen gleich mitbringen“, so Lackinger.

„Das ist das gängige Verfahren“, so Thurner von der Gewofag. Anders könne die Gesellschaft eine Besichtigung bei so vielen Bewerbern gar nicht stemmen. Thurner weiter: „Wir wollen und müssen jeden Bewerber gleich behandeln. Deswegen entscheidet bei uns immer das Losverfahren.“

Also stand auch Gerhard Lackinger früh auf und kam um 9 Uhr in der Angertorstraße an. Dort stand ihm der Mund offen: „Die Schlange war endlos“, berichtet er. Rund 140 Interessenten hatten sich schon angestellt. Aber nur die ersten 50 in der Reihe wurden hineingelassen. Der Rentner war schockiert. „Ich bin es gewohnt, dass man um Wohnungen kämpfen muss, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Frustriert schoss er noch ein paar Beweisfotos von der Schlange. „Das kann so nicht weiter gehen!“, sagt er.

Übrigens: Das Angebot ist längst wieder aus dem Netz verschwunden. Wer die Wohnung bekommt, entscheidet sich in den nächsten Wochen – per Losverfahren.

 

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