Wohn-Wahnsinn in München
München - Nach den AZ-Berichten in unserer Serie „Wohn-Wahnsinn“ haben unzählige Anrufe, E-Mails und Briefe die Redaktion erreicht. Wir drucken einige Auszüge. Die Namen der Absender sind der Redaktion bekannt, manche wollen aber – meistens aus Angst vor Repressalien – nicht genannt werden.
Es droht der Luxus
Unser Anwesen ist zwangsversteigert worden. Ich wohne seit 34 Jahren in diesem Haus. Der neue Immobilienverwalter hat den Mietparteien in Einzelgesprächen angekündigt, dass das Haus „luxussaniert“ werden soll. Wir könnten hier nicht bleiben, weil wir uns die Wohnungen nach der Sanierung bei einem Quadratmeterpreis ab mindestens 18 Euro sowieso nicht mehr leisten könnten. Wie Recht er hat! Von 10 Parteien sind nur noch vier übrig. Ich habe einen sicheren Job, aber meine Schmerzgrenze liegt bei 800 Euro warm. Dafür hier im Lehel etwas zu finden, ist wohl eher ein Traum. Mir wird es so gehen wie der Frau Petra D. aus Ihrem Artikel, die München verlassen musste. Mich plagen Existenzängste. Der Mensch spielt keine Rolle mehr – nur Gewinn. M. S.
Münchner Mieten - Der große Kosten-Atlas
Wohin bloß?
Auch ich bin eine Betroffene. Schon vor Jahren funktionierte die Heizung nur noch lauwarm. Es hieß, die Heizung sei „computergesteuert“. Da wir auch denkmalgeschützte Fenster haben, drang auch feuchtkalte Luft schnell ein. Bei einer Innenraumtemperatur von 18 Grad stieg die Luftfeuchtigkeit auf 78 Prozent. So entstanden in zwei Ecken Schimmel. Vor Gericht konnte ich natürlich nicht beweisen, dass ich in früheren Jahren „richtig gelüftet“ hatte - jetzt muss ich die Wohnung räumen. Ich beziehe wegen einer Erkrankung nur eine kleine Rente, die gerade mal zum Leben reicht. Ich weiß nicht, wohin.F. T.
Zwei Seiten
Es geht natürlich brutal zu auf dem Wohnungsmarkt, aber in Artikeln sind immer die Vermieter schuld. Wir sind Mieter und Vermieter. Unsere Mieterin hat das monatliche Mietgeld der Arge nicht an uns weitergeleitet. Als wir sie per Gerichtsbeschluss draußen hatten, musste die Wohnung total renoviert werden. Unser Schaden belief sich auf 25000 Euro.Günter Stipits
Warum tut keiner was?
Heute ist mir der Kragen geplatzt. Ich bin der Meinung, dass Ihre Artikel über die Mieten in München das Fass zum Überlaufen bringen. Jeder redet darüber, keiner tut was. Warum tut denn unser Bürgermeister nichts dagegen? Genauso wenig wie die „Mieter“ mal auf die Straße gehen und sich wehren. Ein AZ-Leser
Jammerer
Ach Gott, wie tut mir diese Familie leid! Da sollen sie aus ihrer 2500 Euro-Wohnung für eine sechsstellige Summe ausziehen! Was soll diese Berichterstattung? Der Kampf der Reichen gegen die Superreichen? Es gibt Familien, die verdienen noch nicht mal so viel, wie hier Miete gezahlt wird. Helmut Lederer
Entmietung 1978
Der Trend zur Entmietung bestand schon 1978, als wir aus unserer Schwabinger Wohnung, für die wir für den Eigenausbau einen 20-jährigen Mietvertrag hatten, unter außergewöhnlich gemeinen Umständen „entmietet“ wurden. Nur einer hat uns geholfen, doch es war weder der Mieterverein oder die sich so wichtig darstellenden Mitmenschenbeschützer und Vertreter der Stadt München – es war die Abendzeitung, die ich in meiner Verzweiflung anrief und die sofort zwei Frauen zu mir schickte. Nach einer gerichtlich angeordneten Wohnungsöffnung schlug man Löcher in Böden und Wände, die Toilette befand sich dann in unserem Schlafzimmer. Diesen Leuten kann man nichts entgegensetzen außer einer Sturheit, die ich dank meiner damals bestehenden Schwangerschaft praktisch als Mutterschutz vom lieben Gott mitbekommen hatte. Die Allerwelts-Ratschläge des Mietervereins waren und sind fern der Wirklichkeit. Eine feste Mietergemeinschaft könnte sicher was erreichen, aber es ist eben so, dass jeder für sich kämpft (und kassiert). Wenn es sich dann noch um alte Leute handelt, die viele Jahre in einem solchen Haus verbracht haben und nun, am Ende des Lebens, ihrer Wurzeln beraubt werden, dann ist ein leichtes Spiel garantiert. Diese Menschen haben nicht mehr die Kraft, sich gegen die Art und Weise von Sanierern zu wehren. Gisela Ilk
Anmerkung der Redaktion: Nach dem AZ-Bericht vom November 1978 wurden die Bauarbeiten in Gisela Ilks Haus gestoppt und es kam zu einem Gerichtsverfahren. Nach längeren Verhandelungen wurde der Familie eine Abfindung angeboten, die sie schließlich annahm.
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