Wo die Angst sitzt

Der Halbmond stand schon hoch über Sendling, da stritten die Leute immer noch: Viele Menschen fürchten sich vor der Moschee – am Ende lehnt die Bürgerversammlung den Bau erneut ab – am Montag kommt OB Ude
MÜNCHEN Die Bürgerversammlung in der Dreifachturnhalle in der Gaißacher Straße 8, bei der es vor allem um den Bau der Sendlinger Moschee ging, war gegen zehn zu Ende – eine Frau teilte Pamphlete gegen den Bau aus, ein älterer Mann mit Bart empört sich. Eine kleine Frau meckert, sie werde sich beim Bundestagspräsident beschweren. Überall herrscht Gemurmel, Gerangel, Geschrei.
Es ging hoch her
Es ging hoch her – und am Montag vielleicht wieder. Dann findet am selben Ort um 19 Uhr eine Anhörung mit OB Christian Ude und Mitgliedern des Planungsreferats statt. Das ist laut Baugesetzbuch Pflicht im Rahmen eines Bebauungsplans.
„Die Bürger können dort Fragen stellen und Bedenken äußern“, sagt der Chef des Bezirksausschusses Sendling, Günter Pelkowski. Am Donnerstagabend war er gegen Ende der Versammlung, als die meisten Redner Anträge gegen die Moschee stellten, mit hochrotem Kopf hinaus gelaufen. „Es ist anscheinend nicht möglich, mit manchen Mitbürgern vernünftig zu diskutieren“, sagt Pelkowski einen Tag später. „Ich hoffe, die Luft ist jetzt raus.“
Horrorvorstellung
Er sollte sich nicht allzu sicher sein. Für viele Sendlinger ist der Bau der Moschee noch immer eine Horrorvorstellung – die Ängste sitzen tief. Die Bürgerversammlung votierte mit 124 zu 92 Stimmen wieder gegen das Kulturzentrum. Vorne am Eingang lassen viele beim Rauchen ihrem Ärger freien Lauf: „Die Moschee sieht furchtbar aus, das sind keine Minarette, sondern Pershing-Raketen!“, schimpft die Fachlehrerin Anita Mandlinger (46). „Wenn, dann bitte ein schönes Gebäude!“ Erich Marschik, der seit 1982 am Gotzinger Platz wohnt, schimpft auf Ude: „Der hält uns für blöd“, sagt der kleine Mann im karierten Sakko, „bloß, weil er die Wahl gewonnen hat.“ Er zieht an seiner Kippe, die Zigarette zittert in seiner wütenden Hand. Dann sagt er kleinlaut: „Und mir hab'n doch Angst, wer weiß, was da kommt...“ Der Streit geht weiter.
Thomas Gautier