"Wir schmeißen viel Geld zum Fenster raus“
Die fünf Stadtkliniken stecken in einer schweren Finanzkrise. Aufräumen ist in der Schlangengrube schwer: Da geht es um Pfründe, Posten und Macht. Was der Aufsichtsratsvorsitzende zur Misere sagt.
AZ: Herr Monatzeder, die städtischen Kliniken machen dieses Jahr 44 Millionen Euro Verlust, die Stadt muss 100Millionen zuschießen, um die Pleite zu verhindern. Wann werden die fünf Häuser verkauft?
HEP MONATZEDER: Krankenhäuser gehören für uns zur Daseinsvorsorge, wir werden sie nicht verkaufen. Im Übrigen müssen wir ihre Leistungen zur Verfügung stellen. Für eine medizinische Vollversorgung wird es immer Bereiche geben, die defizitär sind. Daran würde auch ein Verkauf nichts ändern.
Das wird extrem teuer.
Deshalb habe ich auch immer gesagt: Lasst uns die Kliniken so aufstellen, dass wir mit den Gewinnen aus dem einen Bereich die Verluste bei anderen ausgleichen können.
Die Stadtwerke haben das vorgemacht.
Die haben heute eine ganz andere Unternehmenskultur. Früher musste die Stadt dort 180 Millionen Mark im Jahr zuschießen. Heute bekommen wir von dort 100 Millionen Euro im Jahr ausbezahlt.
Warum kann man die Erfolgsstrategie nicht kopieren?
Bei den Stadtwerken identifiziert sich heute jede und jeder mit dem Unternehmen. Das ist bei den Kliniken noch nicht so, und das war von der alten Geschäftsführung auch nicht gewollt: Um die Einnahmen zu steigern, wurden die eigenen Kliniken zu Konkurrenten gemacht, damit sie sich gegenseitig übertrumpfen. Das war der falsche Weg. Man muss im Sinne des Unternehmens und der Patienten zusammenarbeiten.
Dahinter steckt das Missmanagement der alten Chefs.
Da herrschte die Mentalität: Wenn's schief geht, dann zahlt die Stadt schon. Das Bewusstsein, auf bessere Zahlen zu kommen, das ist hier noch nicht überall erkennbar. Und ein Wort wie „Effektivität“ war lange verpönt. Bei Privatkliniken ist das anders, die haben keinen öffentlichen Schutzschirm.
Warum hat das der Aufsichtsrat denn nie gemerkt?
Erst mit der Steri-Krise kam heraus, dass es unglaubliche strukturelle und organisatorische Mängel gibt.
Hätte man das nicht früher merken können? Waren die Zahlen also falsch?
Die Analyse der neuen Klinikchefin Elizabeth Harrison dazu läuft jetzt. Wir bekamen früher immer nur positive Zahlen geschildert. Da gab es keinen Grund, nachzufragen. Aber was ich jetzt sagen kann: Es wurde viel Geld zum Fenster hinausgeworfen, etwa durch ineffektive Arbeitsabläufe oder unkoordinierte Dienstpläne mit viel Leerlauf. Da hätten wir uns so manchen teuren Operationssaal sparen können.
Warum hat der Aufsichtsrat davon nichts mitbekommen?Da sitzen Leute, die in den Kliniken arbeiten oder sich darin auskennen sollten. Oder sind die so sehr in den Strukturen verfangen, dass sie das selbst nicht mehr merken?
Für ein externes Aufsichtsratsmitglied ist das nicht zu erkennen, da es keinen unmittelbaren Einblick in das Alltagsgeschehen hat.
Nach außen wurde mit der Umwandlung in eine GmbH 2008 der Anschein erweckt, es werde sich etwas ändern.
Das ist ja das Deprimierende. Da haben wir kraftvoll Maßnahmen beschlossen und darauf vertraut, dass sie auch umgesetzt werden. Auf dem Papier sah das alles schön aus. Aber jetzt stellen wir im Nachhinein fest: Der größte Teil wurde nicht umgesetzt.
War das Inkompetenz?
Das überlasse ich Ihrer Beurteilung.
Ude hat beim früheren Geschäftsführer Reinhard Fuß sogar öffentlich eingeräumt, der habe erst lernen müssen.
Auch dazu will ich nicht Stellung nehmen. Tatsache ist, dass alle vier Geschäftsführer die zur Einstellung notwendigen Voraussetzungen und Kompetenzen erfüllt haben.
Mit Parteibuchkompetenz.
Das sagen Sie jetzt.
Das sagen viele.
Es soll öfter vorkommen, dass man in einem Unternehmen jemanden einstellt, der das nicht bringt, was man von ihm erwartet.
Trotzdem: Rund um die Uni-Kliniken mit gerade 6,5 Millionen Euro Defizit und den Stadtkliniken mit 44 Millionen gibt es Private, die Geld verdienen. Warum?
Genau das macht die Analyse von Frau Harrison deutlich: Weil die ihre Kliniken so strukturiert haben, dass man damit Geld verdienen kann. Das war beim städtischen Klinikum bisher nicht der Fall. Deswegen wollen wir etwa umstrukturieren, besser organisieren und Schwerpunktkliniken bilden. Wir müssen jetzt sogar erfahren, dass wir nicht nur hinter den Privaten zurückliegen, sondern auch hinter allen anderen öffentlichen Krankenhäusern. Da kann man nicht nur sagen: Wir haben als städtisches Klinikum eben teure Aufgaben, vor denen sich Private drücken können. Nein. Wir haben sogar schlechtere Kennzahlen als andere Öffentliche: Was Personal, Produktivität oder Organisationsmängel betrifft.
Braucht es da mehr Kompetenz im Aufsichtsrat? Sitzen da die falschen Leute?
Ich bitte um Nachsicht, dass ich über einzelne Aufsichtsratsmitglieder keine Aussage treffen werde. Fragen Sie die selber, ob sie sich kompetent genug fühlen.
Ist der Aufsichtsratsvorsitzende kompetent genug?
Der Aufsichtsratsvorsitzende ist eine kompetente Person.
Zuletzt wurden 320 Stellen neu geschaffen. Jetzt sollen 340 gestrichen werden, davon zwei Drittel im Medizinbereich. Braucht eine Klinik keine Ärzte mehr?
Die Richtung stimmt. Es kommt nicht nur darauf an, wie viel Personal wir haben. Sondern, dass wir es sinnvoll einsetzen. Andere Krankenhäuser schaffen mit weniger Personal mehr als wir. Sie sind eben mit den Dienstplänen effektiver organisiert.
Frau Harrison hat das im Kreuz?
Sie hat in Ravensburg bewiesen, dass sie es kann. Sie war die Erste, die in die Krankenhäuser gegangen ist und uns die falschen Strukturen aufgezeigt hat. Mit denen schmeißen wir sehr viel Geld zum Fenster hinaus.
Steht der Aufsichtsrat hinter ihr?
Der Aufsichtsrat hat ihr Sanierungsprogramm einstimmig beschlossen.
Aber von SPD-Seite gab es Kritik an ihr. Es sollen am Freitag die Fetzen geflogen sein.
Ich sage nichts über interne Diskussionen.
Bis 2015 will Frau Harrison das heute gigantische Defizit in eine schwarze Null wandeln. Das ist sehr wenig Zeit.
Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Aber ein Teil der Reduzierungen hängt mit teuren Baumaßnahmen zusammen. Da stehen einige hundert Millionen Euro an Investitionen an. Deswegen wurden alle Bauausführungen gestoppt. Wir werden alle Investitionen genau anschauen und fragen, was dort nötig ist, ob es günstigere Modelle gibt. Zum Beispiel werden wir eine Schwerpunktklinik anders konzipieren als ein Krankenhaus, in dem alles angeboten wird.
Ist damit auch der Neubau in Harlaching gestoppt?
Harlaching ist weniger das Problem, weil es da um einen Neubau geht. Es ist problematischer, alte Gebäude wie in Schwabing umzubauen.
Ist gesichert, dass jetzt die Maßnahmen erfüllt werden?
Es wird eine neue Projektorganisation eingesetzt, in der auch Aufsichtsratsmitglieder sitzen und die die Prozesse beobachten und sogar ein Durchgriffsrecht haben wird.
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