Wir brauchen zwei Jobs - Münchner erzählen

Einsamer Rekord: Mehr als drei Millionen Deutsche brauchen einen Nebenjob. Gerade im teuren München arbeiten viele doppelt, weil sie sich sonst ihr Leben nicht finanzieren können.
Agnes Vogt |
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Gaby Hopper, 36: „München ist nicht nur teuer, sondern sehr, sehr teuer. Und ich will nicht über jeden Kaffee, den ich mit meinen Freundinnen trinke, nachdenken müssen. Außerdem gehe ich zwischendurch sehr gern in die Oper und da will ich mir auch mal bessere als nur ,Stehplatzkarten’ leisten. Außerdem bin ich vor ein paar Tagen mit meinem Freund in eine größere Wohnung am Hirschgarten gezogen. Die hätten wir uns gar nicht leisten können, wenn ich nicht noch zusätzlich Geld verdienen würde. Leben in München kann ich mir mit nur einem Job definitiv nicht mehr leisten. 
Schon nach meiner Ausbildung zur Kinderpflegerin, als ich an der Abendschule Erzieherin gelernt habe, musste ich mich zusätzlich finanzieren. Denn von 800 Euro Lohn in der Ausbildung konnte ich schon damals nicht in München leben. Irgendwie bin ich dann bei meinen zwei Jobs geblieben. Jetzt arbeite ich unter der Woche im Caritas-Kinderhaus St. Jakob in Feldkirchen als Erzieherin und sitze zusätzlich jeden Samstag für sechs Stunden bei der DM-Drogerie in der Hofstatt an der Kasse...
Gregor Feindt 5 Gaby Hopper, 36: „München ist nicht nur teuer, sondern sehr, sehr teuer. Und ich will nicht über jeden Kaffee, den ich mit meinen Freundinnen trinke, nachdenken müssen. Außerdem gehe ich zwischendurch sehr gern in die Oper und da will ich mir auch mal bessere als nur ,Stehplatzkarten’ leisten. Außerdem bin ich vor ein paar Tagen mit meinem Freund in eine größere Wohnung am Hirschgarten gezogen. Die hätten wir uns gar nicht leisten können, wenn ich nicht noch zusätzlich Geld verdienen würde. Leben in München kann ich mir mit nur einem Job definitiv nicht mehr leisten. Schon nach meiner Ausbildung zur Kinderpflegerin, als ich an der Abendschule Erzieherin gelernt habe, musste ich mich zusätzlich finanzieren. Denn von 800 Euro Lohn in der Ausbildung konnte ich schon damals nicht in München leben. Irgendwie bin ich dann bei meinen zwei Jobs geblieben. Jetzt arbeite ich unter der Woche im Caritas-Kinderhaus St. Jakob in Feldkirchen als Erzieherin und sitze zusätzlich jeden Samstag für sechs Stunden bei der DM-Drogerie in der Hofstatt an der Kasse...
...Rund 1800 Euro verdiene ich im Kinderhaus, 350 Euro, wenn ich vier Samstage im Monat im DM kassiere. Klar, das ist anstrengend. Immerhin habe ich eine Sechs-Tage-Woche. Der Sonntag ist mehr als kostbar. Erst recht die Zeit, in der ich Urlaub habe. Aber es macht mir auch großen Spaß – bei beiden Jobs. Viele meiner Kolleginnen arbeiten zusätzlich als Babysitterin oder so, aber das wollte ich nicht. Ich wollte etwas anderes tun, zwar etwas mit Menschen, aber in einem anderen Berufsfeld, und da habe ich bei DM genau das Passende gefunden. Dazu kommt, dass meine beiden Chefinnen den jeweils anderen Job mittragen. Wenn ich vom Kinderhaus am Wochenende einen Termin habe, dann ist das kein Problem, beim DM eine Vertretung zu finden. Ich wüsste nicht, was ich machen sollte, wenn ich mich in beiden Teams nicht so wohl fühlen würde. Das macht es viel einfacher, sich am Samstag morgens zur Frühschicht in den DM an die Kasse zu quälen – oder wochentags ins Kinderhaus.“
Daniel von Loeper 5 ...Rund 1800 Euro verdiene ich im Kinderhaus, 350 Euro, wenn ich vier Samstage im Monat im DM kassiere. Klar, das ist anstrengend. Immerhin habe ich eine Sechs-Tage-Woche. Der Sonntag ist mehr als kostbar. Erst recht die Zeit, in der ich Urlaub habe. Aber es macht mir auch großen Spaß – bei beiden Jobs. Viele meiner Kolleginnen arbeiten zusätzlich als Babysitterin oder so, aber das wollte ich nicht. Ich wollte etwas anderes tun, zwar etwas mit Menschen, aber in einem anderen Berufsfeld, und da habe ich bei DM genau das Passende gefunden. Dazu kommt, dass meine beiden Chefinnen den jeweils anderen Job mittragen. Wenn ich vom Kinderhaus am Wochenende einen Termin habe, dann ist das kein Problem, beim DM eine Vertretung zu finden. Ich wüsste nicht, was ich machen sollte, wenn ich mich in beiden Teams nicht so wohl fühlen würde. Das macht es viel einfacher, sich am Samstag morgens zur Frühschicht in den DM an die Kasse zu quälen – oder wochentags ins Kinderhaus.“
Elena Batas, 50: „Das Leben in München einfach wahnsinnig teuer ist. Aber ich liebe München und ich will hier nicht weg. Darum muss ich einfach zu meinem Hauptjob als Raumgestalterin noch etwas dazu verdienen. Das finde ich aber mittlerweile gar nicht mehr schlimm, weil es mir wirklich Spaß macht.
Auf Teilzeitbasis bin ich als Raumgestalterin angestellt. Im Moment renoviere ich mit meinen Kollegen eine Altbauwohnung im Lehel: Wir machen die Böden und Wände und übernehmen die Farbgestaltung...
Daniel von Loeper 5 Elena Batas, 50: „Das Leben in München einfach wahnsinnig teuer ist. Aber ich liebe München und ich will hier nicht weg. Darum muss ich einfach zu meinem Hauptjob als Raumgestalterin noch etwas dazu verdienen. Das finde ich aber mittlerweile gar nicht mehr schlimm, weil es mir wirklich Spaß macht. Auf Teilzeitbasis bin ich als Raumgestalterin angestellt. Im Moment renoviere ich mit meinen Kollegen eine Altbauwohnung im Lehel: Wir machen die Böden und Wände und übernehmen die Farbgestaltung...
...Dazu arbeite ich als als Kellnerin in der Aroma-Kaffeebar im Glockenbachviertel. Das Geld brauche ich einfach, weil mein Verdienst als Handwerkerin stark von der Auftragslage abhängig ist. Vor ein paar Jahren noch war ich selbstständig, aber dann blieben nach der Euro-Umstellung die Aufträge aus. Da musste ich mich anstellen lassen. Jetzt, mit beiden Jobs läuft es prima. Aber ohne den einen oder den anderen ginge es definitiv nicht.“
Daniel von Loeper 5 ...Dazu arbeite ich als als Kellnerin in der Aroma-Kaffeebar im Glockenbachviertel. Das Geld brauche ich einfach, weil mein Verdienst als Handwerkerin stark von der Auftragslage abhängig ist. Vor ein paar Jahren noch war ich selbstständig, aber dann blieben nach der Euro-Umstellung die Aufträge aus. Da musste ich mich anstellen lassen. Jetzt, mit beiden Jobs läuft es prima. Aber ohne den einen oder den anderen ginge es definitiv nicht.“
Irina Mentelidou, 47: „Meine beiden Jobs brauche ich, sonst könnte ich hier nicht leben. Fest angestellt bin ich bei einer Firma, die Autokleinteile für BMW prüft. Da arbeite ich im Schichtbetrieb, entweder von 7 bis 16 Uhr oder von 14 bis 22 Uhr. Weil ich davon meine Miete und die steigenden Nebenkosten nicht zahlen kann, arbeite ich zusätzlich noch bei einer Reinigungsfirma, jede Nacht für zwei Stunden. Bei beiden Arbeitgebern musste ich unterschreiben, dass ich nicht weitergebe, wie viel ich verdiene. Aber es ist nicht viel, wenn ich sogar nachts noch zum Saubermachen gehen muss. Als ich vor 15 Jahren aus Griechenland nach Deutschland gekommen bin, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass es hier so schwer ist, zu leben. Erst habe ich in einem griechischen Feinkostladen gearbeitet, das ging noch. Aber dann bin ich zu einer Wäscherei gewechselt und musste nach einer Zeit nebenher jobben. Es ging nicht mehr mit nur einem Job. Obendrein will ich mich einfach nicht grundsätzlich einschränken müssen. Ich will mir neue Schuhe kaufen können, wenn ich schöne sehe, und nicht erst, wenn die alten aufgetragen sind.“
Gregor Feindt 5 Irina Mentelidou, 47: „Meine beiden Jobs brauche ich, sonst könnte ich hier nicht leben. Fest angestellt bin ich bei einer Firma, die Autokleinteile für BMW prüft. Da arbeite ich im Schichtbetrieb, entweder von 7 bis 16 Uhr oder von 14 bis 22 Uhr. Weil ich davon meine Miete und die steigenden Nebenkosten nicht zahlen kann, arbeite ich zusätzlich noch bei einer Reinigungsfirma, jede Nacht für zwei Stunden. Bei beiden Arbeitgebern musste ich unterschreiben, dass ich nicht weitergebe, wie viel ich verdiene. Aber es ist nicht viel, wenn ich sogar nachts noch zum Saubermachen gehen muss. Als ich vor 15 Jahren aus Griechenland nach Deutschland gekommen bin, hätte ich mir nicht vorstellen können, dass es hier so schwer ist, zu leben. Erst habe ich in einem griechischen Feinkostladen gearbeitet, das ging noch. Aber dann bin ich zu einer Wäscherei gewechselt und musste nach einer Zeit nebenher jobben. Es ging nicht mehr mit nur einem Job. Obendrein will ich mich einfach nicht grundsätzlich einschränken müssen. Ich will mir neue Schuhe kaufen können, wenn ich schöne sehe, und nicht erst, wenn die alten aufgetragen sind.“

München - Sie schuften, Tag und Nacht: Mehr als drei Millionen Deutsche arbeiten doppelt, und es reicht nur knapp zum Leben. Sie brauchen ihren Nebenjob, um die Miete zu zahlen, in den Urlaub zu fahren oder mit Freunden ein Bier trinken zu können. Wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) herausgefunden hat, hat sich die Zahl derjenigen, die einen Zweitjob haben, seit der Wiedervereinigung mehr als verdreifacht.

Zuletzt gab es 3,02 Millionen Menschen mit Zweitjob und auch 2014 soll dieser Wert weiter steigen. Grund für den Anstieg seien Vergünstigungen für Zweitjobs, die die Politik im Zuge der Hartz-Reformen beschlossen habe, sagt IAB-Forscher Enzo Weber, denn seit 2003 ist der Hinzuverdienst steuer- und abgabefrei. Gerade in München sind die hohen Mieten, die steigenden Nebenkosten und die hohen Lebenshaltungskosten Grund genug für einen Zweitjob. Die AZ hat sich umgehört:

„Ich will nicht verzichten“

Sabrina Müller, 46: „Seit einer gefühlten Ewigkeit habe ich zwei Jobs. Ein Arbeitsleben ohne Zweitjob kenne ich gar nicht. Sogar schon in der Lehre zur Groß- und Außenhandelskauffrau habe ich mir nebenbei Geld dazu verdient. Zwar habe ich immer wieder den Job gewechselt, aber ich hatte immer zwei. Im Moment arbeite ich bei einer Spedition im Archiv als Teilzeitkraft. Dazu gehe ich einmal die Woche zum Saubermachen und helfe einmal im Monat im Service.

Insgesamt komme ich da auf rund 1800 Euro im Monat. Auskommen würde ich mit meinem Teilzeitgehalt schon, aber es würde ganz schön knapp. Dann könnte ich mir nichts für den Urlaub auf die Seite legen oder könnte vielleicht die Reparaturen vom Auto nicht gleich zahlen, denn das haut ja manchmal echt rein, wenn der Wagen zur Wartung muss. Mein Nebenjob ermöglicht es mir eben, dass ich mir immer mal wieder ein Zuckerl leisten kann. Darauf will ich einfach nicht verzichten müssen. Da arbeite ich lieber mehr.“

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