Wildschweine: Jetzt wehren sich die Jäger
„Wir haben vergangenes Jahr im Freistaat 66 000 Wildschweine geschossen – so viele wie noch nie.“
München - Die einen sprechen von einer Plage, die anderen von einer Folge der industrialisierten Agrarwirtschaft. Fakt ist: Noch nie waren in Bayern so viele Wildschweine unterwegs wie heute. Doch wer ist schuld an der Misere?
Im Landtag wurde gerade die Studie „Brennpunkt Schwarzwild“ vorgestellt, die im Auftrag des Agrarministeriums erstellt wurde, und den Waidmännern den schwarzen Peter zuschiebt (AZ berichtete). Vorwürfe, die man beim Bayerischen Jagdverband (BJV) nicht auf sich sitzen lässt. „Wir haben im letzten Jagdjahr mehr als 66 000 Sauen geschossen – so viele wie noch nie“, sagte Präsident Jürgen Vocke am Freitag in München. Zum Vergleich: In der Saison 1993/1994 wurden nur 2000 Wildschweine erlegt.
Der moderne Wald- und Ackerbau sind für Bayerns obersten Jäger – neben dem milden Winter – die Hauptursachen des Übels: „Der Wandel von Nadel- zu Mischwäldern schafft ein Schlaraffenland für Sauen. Unter dem Laub am Boden verbirgt sich tierisches Eiweiß en masse“, sagt Vocke.
Hinzu komme der großflächige Maisanbau, der das Borstenvieh nicht nur mäste, sondern auch die Jagd erschwere. „Im Sommer haben Sie über Monate gar nicht die Möglichkeit, Sauen zu jagen – im hohen Mais sehen Sie sie einfach nicht.“ Der BJV fordert von den Bauern deshalb, dass sie Bejagungsschneisen und Wildäcker anlegen. Mit mäßigem Erfolg.
Das immense Futterangebot verschärft das Problem. „Um so besser die Ernährung, desto höher ist die Reproduktionsrate“, sagt BJV-Sprecher Thomas Schreder. Bringe eine Bache normalerweise fünf bis sechs Frischlinge zur Welt, seien es bei einer wohlgenährten Sau bis zu zehn.
Einfach die Leitbache zu erlegen, ist laut Jürgen Vocke nicht eben zielführend. Denn die „Chefin“ achtet darauf, dass sich die Keiler nur ihr nähern. „Wenn ich die Leitbache wegschieße, zersprenge ich die Rotte und die Keiler können sich aussuchen, wen sie wollen“, erklärt der BJV-Präsident. „Das führt zu einer explosionsartigen Vermehrung.“
Bei der Eindämmung des Bestandes fühlen sich die Jäger von der Politik allein gelassen. Etwa 60 Prozent des Schwarzwildes werde vom Hochsitz aus geschossen. Bis zu 25 Stunden müsse man dort verharren, um ein Tier zu erlegen, sagt Jäger Rainer Grüter, je nach Revier. Damit sei es aber nicht getan.
Anschließend müssten die Tiere auf Trichinen und die radioaktive Belastung untersucht werden. „Das kostet Geld“, sagt Jürgen Vocke. „Und in manchen Monaten, wenn die Schwammerl rauskommen, kannst du dann fast gar nichts in den Verkehr bringen.“ Die Spätfolgen von Tschernobyl. Zwar wird den Jägern für ein verseuchtes Wildschwein ein Ausgleich gezahlt. „Aber deshalb setzen wir uns nachts doch nicht hin.“
Deshalb müsse der bayerische Staat aktiv werden und „wie andere Länder diese Gebühren abschaffen, damit wir nicht noch draufzahlen“, verlangt der BJV-Präsident. Auch Schulungen und Verkehrssicherungsmaßnahmen bei Drückjagden sollten für die Jägerschaft kostenfrei sein.
Zumal der Fleisch-Absatz derzeit schwierig sei. „Die Menschen bringen Wild automatisch mit den Weihnachtsfeiertagen in Verbindung. Dabei kann man Wildbret auch hervorragend grillen.“
Mehr Entgegenkommen wünschen sich die Jäger auch von den Staatsforsten. Aus wirtschaftlichen Gründen wollten die Verantwortlichen dort nur allgemeine Jagden durchführen, keine speziellen Schwarzwildjagden. Weil dann aber vor allem Rehe geschossen würden, weigerten sich private Waldbesitzer, an revierübergreifenden Aktionen teilzunehmen.
Richtig wütend macht Ober-Jäger Vocke ein Vorschlag, der im Rahmen der „Brennpunkt“-Studie diskutiert wird: Die Waidmänner sollten doch mit Nachtzielgeräten auf die Pirsch gehen. „Das ist absolut rechtswidrig. Laut Strafrecht ist schon der Besitz eines solchen Geräts mit bis zu drei Jahren Haft belegt.“ Und dem Image schade die Aufrüstung auch: „Wir Jäger würden in kürzester Zeit die Akzeptanz der Bevölkerung verlieren, wenn wir nachts wie die Rambos durch die Wälder liefen.“
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