Wiesn-Attentat: Ermittlungen könnten zwei Jahre dauern

Sollte das Oktoberfest-Attentat je vor Gericht neu aufgerollt werden, könnte das noch umfangreicher werden als das NSU-Verfahren. Wenn es je zu einer Anklage kommt. Es wird dauern, bis das entschieden ist.
von  dpa
Ein Opfer wird vom Ort des Anschlags am Eingang des Oktoberfestgeländes gebracht. Insgesamt hatten dreizehn Menschen ihr Leben verloren.
Ein Opfer wird vom Ort des Anschlags am Eingang des Oktoberfestgeländes gebracht. Insgesamt hatten dreizehn Menschen ihr Leben verloren. © dpa/AZ

Es war der blutigste Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Sollte das Oktoberfest-Attentat je vor Gericht neu aufgerollt werden, könnte das noch umfangreicher werden als das NSU-Verfahren. Wenn es je zu einer Anklage kommt. Es wird dauern, bis das entschieden ist.

München - Die Ermittlungen zum Oktoberfestattentat von 1980 könnten nach Einschätzung des Opferanwalts Werner Dietrich ungefähr zwei Jahre dauern. Es seien rund 100 000 Seiten an Akten aufzuarbeiten, sagte Dietrich am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung der Landtags-SPD in München. Dietrich hatte im Dezember mit einem Antrag die von Kritikern seit Jahrzehnten verlangte Wiederaufnahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt erreicht.

Beim Oktoberfest-Attentat gab es mehr Opfer - allein 211 Verletzte - und damit mehr mögliche Nebenkläger. Die Bombe riss damals 13 Menschen in den Tod, unter ihnen der Attentäter Gundolf Köhler, ein ehemaliger Anhänger der "Wehrsportgruppe Hoffmann".

Die Bundesanwaltschaft nannte am Freitag keinen Zeitrahmen für die Dauer der Ermittlungen. Zu den nötigen Akten sagte eine Sprecherin: "Wir werden alle infrage kommenden Behörden ersuchen, gegebenenfalls vorhandene Akten und Unterlagen zu dem Attentat zu übermitteln." Die Behörde habe in der Vergangenheit neue Hinweise stets geprüft, sie werde nun erneut und umfassend allen Ansatzpunkten nachgehen.

Dazu müssen laut Dietrich umfangreiche Akten gesichtet werden. Zu den 34 früheren Hauptakten kommen Spurenakten mit 887 Spuren und rund 15 000 Seiten. Ferner sollten Akten von Verfassungsschutz und Landeskriminalamt aus Niedersachsen, aus Baden-Württemberg sowie der entsprechenden Bundesbehörden herangezogen werden, sagte der Anwalt.

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Auch in Stasi-Akten finden sich Hinweise auf das Oktoberfestattentat. Die Stasi habe "hochprofessionell" Vorgänge und Ermittlungen beobachtet, teils über V-Männer oder umgedrehte Beamte, sagte Dietrich. "Diese Stasiunterlagen sind noch nicht vollständig erschlossen." Die Bundesanwaltschaft erläuterte dazu, bereits in der Vergangenheit seien derartige Unterlagen eingehend gesichtet und hochrangige Offiziere des MfS befragt worden.

Laut Dietrich landeten weitere Akten von damals aus dem Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) und dem Innenministerium mittlerweile im Hauptstadtarchiv. Allein zu dem Komplex Wehrsportgruppe Hoffmann gebe es 80 Ordner. "Diese Akten sind bisher in ihrer Brisanz nicht erkannt worden." Ein Grund für die Verlagerung ins Hauptstadtarchiv seien wohl Bemühungen der bayerischen Behörden gewesen, "aktenmäßig nicht eine Bombe im eigenen Haus haben zu müssen".

Der Rechtsextremismusexperte der SPD-Landtagsfraktion, Florian Ritter, stellte inzwischen eine Anfrage an die Staatsregierung nach dem Verbleib einer abgerissenen Hand vom Tatort. Das Fragment könnte heute ein wichtiges Beweismittel sein, war aber auf ungeklärte Weise verschwunden. Opfervertretern zufolge konnte die Hand nicht eindeutig einem Opfer zugeordnet werden. Sie spekulieren deshalb, die Hand könnte möglicherweise einem Mittäter weggerissen worden sein, der flüchten konnte. Ritter will nun wissen, was mit dem Handfragment nach der Untersuchung in der Gerichtsmedizin geschah.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag, Franz Schindler, zog Parallelen zu den Ermittlungspannen bei der Aufklärung der NSU-Morde. Immer wenn es Hinweise auf Taten aus dem rechtsextremen Spektrum gegeben habe, sei das mit "spitzen Fingern" angefasst. worden. Dass in Sachen Oktoberfestattentat Akten geschlossen und Asservate vernichtet wurden, weil man den Hintergrund nicht sehen wollte, sei ein "schlimmer Befund."

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