Wie wird der nächste Münchner Partysommer, Kay Mayer?

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Kay Mayer, Sie sind seit ziemlich genau einem Jahr Moderator der Münchner Nacht. Wie blicken Sie auf dieses Jahr zurück?

Ich musste mich als jemand der nicht aus dem Verwaltungskontext kommt, mit dem städtischen Umfeld auseinandersetzen und auch mit der eigenen Struktur. Der erste richtige Schritt nach draußen war, dass ich mit ganz vielen Leuten sprechen wollte. Mit Organisationen, Institutionen, mit Leuten hatte ich um die 80 Vernetzungsgespräche, von Partyveranstaltern bis zur Polizei. Damit klarer wird, wer ich bin und was die Fachstelle vorhat. Dann war die Veranstaltung "München Tanzt Wieder" im Spätsommer ein erstes großes Projekt, das ich begleitet habe. 

Da muste es recht schnell gehen.

Ja, das war nach zwei Monaten. Und man darf nicht vergessen, dass das mitten in der Coronazeit war. Damit haben die Clubs und Veranstalter auch sehr große Hoffnungen verbunden. Ich wollte nicht zu krasse Erwartungen erzeugen, aber da war viel Austausch notwendig. Dann haben wir angefangen, den Runden Tisch Nachtleben zu planen. Das widerspiegelt auch, wie vielfältig das Thema ist: Auf Amtsseite bis zur freien Szene und den verschiedenen Playern des Nachtlebens.

Dann ging es schnell los, dass Leute mit ihren Anliegen auf mich zukamen. Ich habe zum Beispiel letztens eine coole Mail gekriegt von einer Dame, die sagt sie sei im besten Alter und könne zu wenig Party machen in München. Clubbetreiber und Freizeit- und Jugendeinrichtungen melden sich auch bei mir. Da kam recht schnell sehr viel Tagesgeschäft. 

Wo drückt da der Schuh am meisten?

Mit dem "meisten" ist es immer so ein Problem, wenn man so eine breite Bevölkerung anspricht, dass man da immer jemandem auf den Fuß tritt. Deswegen lass ich den Leuten die Priorität und sage, ich nähere mich den Sachen gleichermaßen an. Die Themenvielfalt ist unheimlich groß. Wir haben  das umfassende Thema "Flächen und Räume": Wo gibt es Platz, wie wird er genutzt, wie soll er aussehen und was soll er widerspiegeln. Und: was sind die Interessen und Bedarfe, die dahinter stehen. Verschiedene Leute und Institutionen wollen Verschiedenes: Es gibt ein Recht auf Ruhe, ein Recht auf kulturelles Ausleben, und Feiern, auf Aufenthalt und soziale Interaktion. 

Es gibt Fragen dazu, wie nachhaltig die Nachtkultur sein soll, wie divers und und niedrigschwellig. Und auch wie sicher. Es stellt sich auch die Frage, welche Rolle Nachtkultur in einem institutionalisierten Sinn spielt. Also was für einen Wert sie hat, wirtschaftlich und auch kulturell. Wenn man Touristen oder Zuzügler fragt, was ihnen wichtig ist, kommt der Aspekt "kulturelle Vielfalt" ganz schnell. 

 

Wie nehmen Sie denn die Münchner Nachtkulturszene wahr? 

Wir haben ein riesengroßes Potenzial an nichtkommerziell orientierten Organisationen. Die Demo "Mehr Lärm für München" hat es gezeigt: Es gibt viele Kollektive, junge Menschen die sich zusammenfinden und sagen 'wir wollen gerne unsere Form der Kultur auf die Straße bringen'. Dafür fordern sie Raum ein. Es ist ein Aushandlungs-, Findungs- und Reibungsprozess zu überlegen, wie viel der Stadt das Wert ist. Natürlich bis zum Thema Verträglichkeit, das Anwohner umtreibt. Wie laut oder leise, wie sauber oder dreckig kann und muss Feiern oder der Aufenthalt im öffentlichen Raum sein?

Gibt es im öffentlichen Raum in München Platz für diese Kollektive, wo die auch nach 22 Uhr einmal nicht nur leise sein dürfen?

Es kommt darauf an, wen man fragt. (lacht). Wenn Sie mich fragen, dann würde ich sagen der Platz ist da. Es geht darum, herauszufinden wo dieser Platz ist, wofür er da ist und wie ich ihn zugänglich machen kann. Das ist eine große Aufgabe. Dann geht es darum, einen Kompromiss zu finden zwischen allen, die etwas mit diesem Platz zu tun haben – von den Genehmigungsbehörden über die Anwohner bis zu den Veranstaltern. Damit eine Veranstaltung stattfinden kann. 

Ich habe alle Bezirksausschüsse in München angeschrieben und gebeten, mir einfach mal zu sagen, was mögliche Plätze wären aus ihrer Sicht. Denn die wissen am besten Bescheid. Im Runden Tisch Nachtleben nehmen wir diese Plätze und andere Vorschläge und schauen uns an, wie man Nutzungskategorien anlegen kann. Dann kann man sich überlegen, wie man mit den Anwohnern in Kontakt kommt, und so weiter. Also die einfache Antwort ist: Platz ist da.

Der erste Sommer quasi nach Corona steht an. Der vergangene Sommer hat – Stichwort Türkenstraße – in Sachen Feiern im öffentlichen Raum für viel Aufsehen gesorgt. Wie blicken Sie auf diesen Sommer?

Daniel Hahn vom Bahnwärter Thiel (Zwischennutzung in Sendling, Anm. d. Red.) hat es beim Runden Tisch Nachtleben treffend gesagt: Der öffentliche Raum ist zum echten Konkurrenzplayer im Nachtleben geworden. Das wurde die letzten zwei Jahre deutlich. Viele haben Gefallen daran gefunden, im öffentlichen Raum zu feiern. Es ist billiger, es kontrolliert mich keiner, ich kann zusammenkommen mit wem ich möchte. Das ist nicht von jetzt auf gleich wieder weg. Vor allem nicht für alle Gruppen: Die Öffnung der Clubs bringt den Jugendlichen unter 18 größtenteils gar nichts. Es ist auch eines meiner Anliegen, deren Interessen mehr in den Fokus zu rücken.

Ansonsten haut die Szene ziemlich raus diesen Sommer. Es finden unheimlich viele Veranstaltungen statt in einer unheimlichen Breite. Es gibt tolle Projekte wie das "Fluffy Clouds" von Michi Kern, die zeigen was passiert wenn man mutig und lösungsorienteirt etwas macht. Es wird sich dann zeigen, inwiefern das große Alternativangebot ausreicht, um der Konkurrenz im öffentlichen Raum entgegenzutrete. Ich glaube, dass es einzelne Zeiten und Spots geben wird, wo es einigen Leuten zu viel wird. Was allerdings auch nie ganz weggehen wird. Das gehört zu einer Stadt. Aber man muss sich drüber unterhalten. Es einfach nur hinzunehmen ist nicht richtig. 

Es liegt ja auch in der Natur der Sache dass junge Menschen das suchen, nicht das institutionalisierte Angebot.

Genau. Der vereinnehmbare Platz, der nicht überbespielt wird, ist ein wichtiger Teil wenn man über Räume in der Stadt spricht. Raum, der im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten gestaltbar ist. Es geht nicht, dass man nur überbespielt, das macht auch nicht mehr attraktiv. 

Die Stadt hat im Sommer an verschiedenen Orten diese Container für Jugendliche aufgestellt, sind die eine gute Massnahme in dem Zusammenhang? 

Ich komme ja aus der Streetwork-Arbeit und ich finde das vom Ansatz her eine sehr gute Geschichte. Abgesehen vom Regenschutz und Sitzgelegenheit sind die Container auch ein Signal: Es ist cool, dass ihr euch hier aufhaltet. Das finde ich richtig. 

Was macht die Stadt denn anders diesen Sommer als im letzten? 

Von mir aus gesehen sind wir gerade dran, mit dieser Kartierung mehr Klarheit in die Flächensituation zu bringen. Um zu ermöglichen, dass mehr veranstaltet werden kann. Das sind kleine Schritte, aber das entwickelt sich in die Richtung dass mehr passieren kann. Dann sind wir beim Runden Tisch Nachtleben dabei, Kommunikationsketten zwischen den öffentlichen Institutionen wie Polizei, Kommunaler Außendienst und Streetworker/Akim zu verkürzen. Dass man zum Beispiel schneller informieren kann wenn Plätze krass vermüllt wurden. Und es gibt das neue Angebot Akim Flex, das nicht auf einen Antrag warten muss sondern flexibel agieren kann. Mir wurde auch gesagt, dass den Behörden bewusst ist, dass es diesen Sommer Nachholbedarf gibt bei den Veranstaltungen. Und dass durchaus gewollt ist, dass Veranstaltungen auch stattfinden.

Es ist zu erwarten, dass es wieder Vorkommnisse wie vergangenen Sommer in der Türkenstraße geben wird. Kann die Stadt da einfach nur reagieren oder gibt es auch andere Zugänge?

Es ist wichtig, sich mutig Gedanken darüber zu machen, wie man nicht nur reagiert. Sondern sich überlegt, wie solche Spots zustande kommen: ist das total außerhalb meines Einflussbereichs oder kann ich vielleicht lenken, indem ich Alternativen schaffe? Muss es immer dazu kommen, dass die Polizei anrücken muss oder habe ich nicht vielleicht auch Institutionen wie Akim oder den kommunalen Außendienst, die auf eine niedrigschwelligere Art agieren können? Das wird auch am Runden Tisch Nachtleben immer wieder besprochen. Ich denke, da liegt noch viel Potenzial drin. 

Strategisch gesehen geht es darum, sich zu überlegen warum es immer um die gleichen Plätze geht. Also dass wir jetzt auch schon wieder an die Türkenstraße denken. Was macht denn diese Plätze aus und gibt es eine Möglichkeit, Vielfalt zu schaffen in dieser kleinen Großstadt. Und Plätze dennoch so willkommen heißend zu gestalten, dass es sich verteilt und man vielleicht auch rotieren kann. Da braucht es Mut, Ausprobieren und auch Fehlerkultur. Nur zu sagen, wir gehen das gar nicht an, ist glaube ich nicht der richtige Weg. Ich habe auch nicht die eine gute Lösung, aber da muss man schauen wie die Leute auf Maßnahmen reagieren. 

Sind sie da auch so etwas wie ein Übersetzer zwischen den einzelnen Parteien?

Absolut. Das hat sich zum Beispiel gezeigt bei "München tanzt wieder", wo ganz schnell viel hingestellt werden musste, das so noch nie stattgefunden hat. Das Übersetzen wer meint was, wie ist da ein sehr wichtiger Teil meiner Arbeit. 

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