Wie die Mietpreisbremse in München versagt
München - Die Zeiten des Wuchers, des Wohnwahnsinns und der Horrormieten sind vorbei. Denn sie kommt: die Mietpreisbremse. Mieter können frohlocken. Das Gesetz ist beschlossen, und ab 1. Juni gilt also: Bei Mietverträgen, die ab diesem Tag geschlossen werden, darf die Miete nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, also dem Mietspiegel liegen. Damit ergänzt die Mietpreisbremse die Kappungsgrenze, die schon bisher gilt und Erhöhungen von Bestandsmieten deckelt.
Arg viel frohlocken brauchen Münchens Mieter aber nicht. Weil die Mietpreisbremse bei weitem nicht hält, was sie verspricht. Das Gesetz hat wenig Wirkung. Tatsächlich wird es nicht mal jede vierte Wohnung betreffen.
Die Mietpreisbremse ist ein Gesetz voller Ausnahmen. Um Investitionen in den Neubau von Wohnungen nicht zu hemmen, gibt es keine Mietdeckelung beim Erstbezug von Wohnungen. Eine weitere Ausnahme gilt für Wohnungen nach umfassenden Modernisierungen. Außerdem herrscht Bestandsschutz, das heißt: Liegt die Miete einer Wohnung bereits über dem Mietspiegel, kann der Vermieter auch vom nächsten Mieter wieder diesen Preis verlangen. Zu hohe Mieten dürfen also zu hoch bleiben.
Sollte es sich doch wirklich ungünstig für den Vermieter ausgehen, gibt es noch weitere Umwege, etwa gestaffelte Erhöhungen. Wie immer mehr Eigentümer etwa durch Indexmietverträge den Mietspiegel aushebeln, berichtete die AZ bereits. Aktuell warnt der Mieterverein München auch noch davor, dass die Mietpreisbremse Vermieter zum Vermieten an Touristen und dadurch zur Zweckentfremdung verleiten könnte.
Und was bleibt Mietern, bei denen die Preisbremse greift? Sie können zu viel gezahltes Geld zurückverlangen, müssen dafür aber auch selbst erst einmal formell richtig nachweisen, dass die Miete zu hoch ist. Und nach dem Anwalt dürfen sie gleich noch in der Spedition anrufen – denn lange will ein Vermieter so einen nervigen Mieter wohl nicht in seiner Wohnung haben. In München findet sich schon jemand anderes, der mitspielt und die überhöhte Miete zahlt. Der Wohnwahnsinn schafft ein ungleiches Verhältnis.
So werden Mieter kaum von der Mietpreisbremse profitieren. Das lässt sich sogar ausrechnen. Denn die Erfahrungswerte der letzten Jahre lassen deutliche Schlüsse auf die Wirksamkeit der Preisbremse zu. Wissenschaftler kritisieren das Gesetz. Die Statistiker, die den Münchner Mietspiegel errechnet haben, schlagen Alarm: Die Mietpreisbremse bietet den Mietern bei weitem nicht den Schutz, den die Politiker versprochen haben.
Der Statistikprofessor Göran Kauermann und sein Mitarbeiter Michael Windmann haben die Mietspiegel 2013 mit den Daten verglichen, die sie im vergangenen Jahr für den aktuellen Mietspiegel 2015 ausgewertet haben. Das Ergebnis: 55 Prozent der Neuvermietungen hätten gegen die Mietpreisbremse verstoßen. Denn in diesen Fällen wurden die Mieten um mehr als 10 Prozent über die ortsübliche Vergleichsmiete hinaus erhöht. Mehr als jede zweite Mieterhöhung wäre also nach den Maßstäben der jetzt beschlossenen Mietpreisbremse illegal gewesen.
Der Wohnwahnsinn in München wird vom Gesetz nicht gestoppt
Dass diese Zahl nur deshalb so hoch ist, weil viele Vermieter vor der Einführung der Mietpreisbremse noch schnell erhöht haben, stimmt nicht: Zu der Zeit, auf die sich die Wissenschaftler beziehen, war die große Debatte um die Mietpreisbremse noch gar nicht am Laufen. Über die Hälfte der Vermieter haben trotzdem kräftiger erhöht, als es die Mietpreisbremse künftig zulassen soll.
Das Gesetz sollte also auf den ersten Blick für die der Mehrheit der Mieten eine deckelnde Wirkung haben und dem Großteil der Mieter einen Schutz bieten.
Auf den zweiten Blick schaut es aber anders aus: Denn die Mietpreisbremse hätte tatsächlich nicht mal bei jeder vierten Erhöhungen gewirkt. Grund: Etwa ein Drittel der Mieten lagen schon vor der Erhöhung über der ortsüblichen Vergleichsmiete – und wegen des Bestandschutzes hätte die Bremse hier nicht gegriffen. Erstvermietungen sind sowieso schon einmal ausgenommen, weil das Gesetz hier eine Ausnahme vorsieht. Unterm Strich heißt das: Die Mietpreisbremse wird wohl nur bei wenigen Wohnungen überhaupt wirken. Statistiker Göran Kauermann sagt dazu: „Auch wenn geschätzt im Prinzip mehr als jede zweite Neuvermietung von der Mietpreisbremse betroffen sein wird, so ist es dann doch nicht mal jede vierte Wohnung.“
Beim Münchner Mieterverein ist man unzufrieden: „Einiges an dem Gesetz ist problematisch“, sagt Sprecherin Anja Franz. „Es gibt viele Ausnahmen, bereits zu hohe Mieten werden nicht gesenkt und dass der Neubau ausgeschlossen wird, verhindert ja gerade, dass neuer Wohnraum für Mieter bezahlbarer wird.“
Positiv sieht Anja Franz, dass es die Mietpreisbremse nun überhaupt gibt. „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt sie. Auch Bestandsmieter könnten davon profitieren, weil es für Eigentümer nun weniger attraktiv werde, Mieter rauszuklagen – denn jetzt können sie theoretisch bei einer Neuvermietung nicht mehr so stark erhöhen. Theoretisch. „Wir halten das Gesetz für wichtig, aber es muss nachgebessert werden“, sagt Franz.
Weil viele Mieter Streit meiden wollen, gehen überhöhte Preise durch
Ein weiteres Problem: Es wird in vielen Mietverhältnissen von Beginn an Streit geben – den der Mieter anfangen muss. „Wenn der Eigentümer eine überhöhte Miete verlangt, muss der Mieter das ja rügen und dagegen vorgehen.“ Aber macht das auch jeder? Es wird aller Voraussicht nach auch noch eine Dunkelziffer an Mietern geben, die Wucher-Mieten einfach akzeptieren. Dadurch wird die Mietpreisbremse noch unwirksamer.
Einer, der sie trotzdem verteufelt, ist Rudolf Stürzer. Der Chef des Münchner Haus- und Grundbesitzervereins polterte kürzlich gegen die Regelung: „Mist“ nannte er das, was sich der Gesetzgeber ausdenke. Er fürchtet, dass Investitionen dadurch ausfallen und der Wohnungsbau zum Erliegen komme.
Außerdem würde der Mietmarkt auseinandergetrieben. Denn: Mit einer Komplettsanierung können Eigentümer die Mietpreisbremse umgehen. Laut Stürzer ist das die Folge: „Es wird nur noch zwei Extreme geben: Die einen sanieren total und können dann höhere Preise verlangen, die anderen machen gar nichts mehr – Mieter finden sie auf dem Münchner Markt sowieso.“ Das hätten ihm Mitglieder des Vereins bereits so angekündigt.
Anja Franz vom Mieterverein sieht ein anderes Szenario: „Es wird irgendetwas saniert und das dann als ,umfassend’ bezeichnet. Das muss der Neumieter auch erst mal anfechten.“ Klar ist: Die Formulierung „umfassende Modernisierung“ ist so ungenau definiert, dass sie vor allem Anwälte beschäftigen wird. Wie überhaupt die ganze Mietpreisbremse, die durch die ganzen Ausnahmen und Umwege ohnehin bloß ein kleines Mietpreisbremserl ist.
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