Werden Maschinen uns irgendwann ersetzen? Das sagt ein KI-Experte
AZ: Herr Knoll, Sie kennen sicher "Terminator".
ALOIS C. KNOLL: 1984, Arnold Schwarzenegger! Ich war 23. Habe ich natürlich im Kino gesehen, den zweiten Teil auch. 1991 müsste das gewesen sein.
Wahrheit oder Fiktion?
Eine spektakuläre Geschichte, aber weit weg von der Realität. Kann man eigentlich nicht ernst nehmen. Die Filme stellen die Robotik in eine Ecke, wo sie absolut nicht hingehört, dass sie nämlich die Menschheit ausrotten wollte.
Den zweiten Teil wollten Sie aber noch sehen. So erfunden kann es nicht gewesen sein...
Der war viel besser als der Erste. Man konnte den großen Fortschritt der Filmtechnik erkennen. Der Inhalt blieb aber wirklichkeitsfremd.
"Angst ist ein guter Antreiber, aber eben auch ein schlechter Ratgeber"
Also könnten KI-gestützte Maschinen sich nicht verselbstständigen und Menschen überflüssig machen?
Nein, das ist eine angstmachende Vision, die ich überhaupt nicht teile. Warum sollte sich eine KI-gestützte Maschine verselbstständigen? Das ist beim absehbaren Stand der Technik auf lange Zeit mehr als unwahrscheinlich. Dass die KI heute im Krieg zum Einsatz kommt und wir es dort mit zunehmend autonomem Verhalten zu tun haben, ist eine Tatsache. Daraus abzuleiten, dass man die Entwicklung dieser faszinierenden Technologie einstellt, wäre allerdings töricht.
Als der Film in die Kinos kam, kannte kaum jemand den Begriff der Künstlichen Intelligenz. War es nicht orakelhaft, diese Sorge, dass sich digitale Intelligenz der menschlichen Kontrolle entzieht?
The only good news is bad news. Übrigens: Der Begriff KI ist nicht neu, sondern schon etwa 70 Jahre alt. Davon abgesehen gehören Robotik und Künstliche Intelligenz immer schon zusammen, nur war die Entwicklung der Rechnertechnik viel schneller als die der Mechanik. Ohne Körper kann sich keine Intelligenz im menschlichen Sinne entwickeln. Die KI leidet schon immer unter falschen Propheten. Angst ist ein guter Antreiber, aber eben auch ein schlechter Ratgeber.
"Roboter können nicht plötzlich Fahrrad fahren"
Was überzeugt Sie so sehr, dass die Menschheit vor KI keine Angst zu haben braucht?
Weil man den menschlichen Intellekt nur ausschnittsweise auf Maschinen übertragen kann. Damit war sie zwar schon immer die Avantgarde der Informatik, und ein Industrie-Roboter im Autowerk kann präziser und viel ausdauernder schweißen als jeder Mensch. Aber er kann eben nur ausführen, was man ihm beigebracht hat – er wird nicht plötzlich Fahrrad fahren können. Ein anderes Beispiel ist das Navi im Auto, dessen technische Grundlagen aus der frühen KI-Forschung stammen.
Wir müssen also in KI investieren?
Ja, unbedingt – und wir müssen klotzen und nicht kleckern. Die KI basiert auf dem Zusammenspiel von Kommunikationstechnik, Rechentechnik, Speichertechnik und Softwaretechnik. Und all diese Technologien entwickeln sich rapide weiter. Wir reden heute über Terabytes und Gigahertz. Das ist eine Milliarde Hertz. In Deutschland haben wir alle Voraussetzungen, um KI erfolgreich einzusetzen: exzellente Forschung in der Informatik und riesige Datenmengen aus der Industrie. Die Länder mit der größten Roboterdichte sind übrigens führend in der industriellen Produktion. Südkorea, Singapur, Deutschland, Japan und auch China.
"Die neuesten Taschenrechner konnten immer doppelt so viel wie die Vorgänger"
Jugendliche googeln gar nicht mehr. Sie befragen Programme wie ChatGPT. Hätten Sie geglaubt, dass KI in unserem Leben jemals eine so große Rolle spielen würde?
Dass die Kombination aus Rechentechnik, Kommunikation, Software und Speichern irgendwann "explodieren" würde, das war im Grunde genommen schon in meiner Schulzeit klar. Damals gab es jedes Jahr einen neuen Taschenrechner im Quelle-Katalog, der doppelt so viel konnte und viel schneller war als der alte. Das ist heute bei Elektroautos ähnlich, weshalb viele Leute abwarten und eher zögerlich kaufen. Und was Software und Ladeinfrastruktur beim Elektroauto sind, das sind Informatik und Datenzentren bei der KI. Ohne sie geht nichts.
Deutschland hat Technologieentwicklungen versäumt, oder?
Technologisch waren wir immer gut. In Deutschland hapert es vor allem an der schnellen Umsetzung in Geschäftsmodelle, mit denen sich Geld verdienen lässt. Wenn Sie an selbstfahrende Autos denken, wird klar: Ohne eine gute und stabile Mobilfunktechnik ist das kaum möglich. Hier haben wir frühzeitige Investitionen versäumt. Der digitale Mobilfunkstandard GSM war eine europäische Erfindung. Versäumt haben wir aber den rechtzeitigen Einstieg in die sogenannte Cloud-Technologie. Jetzt wollen viele investieren, aber jetzt sind wir hinter der Welle und längst abhängig von den gigantischen ausländischen Cloud-Anbietern. Diesen schweren Fehler dürfen wir bei der KI auf gar keinen Fall wiederholen.

Sie forschen auch zu Robotern. Erleben wir bald, dass sie als Haushaltshilfen arbeiten?
Das gibt es ja längst – denken Sie nur an Roboterstaubsauger. Humanoide sind vielfältiger einsetzbar, aber noch zu teuer und deshalb noch kein Massenprodukt. In Japan werden menschenähnliche Roboter in der Pflege von Menschen eingesetzt, in China gibt es Massage-Roboter. Die Asiaten sind im Gegensatz zu uns nicht so technologiekritisch. Wir müssen technologieoffener werden, oder wir werden als Wirtschaftsstandort abgeschafft.
"Wir können nicht anfangen, Faxe zu digitalisieren"
Auch Elon Musk lässt viel zu dem Thema forschen ...
Die bisherigen Roboter von Elon Musk finde ich nicht sonderlich beeindruckend, aber das Marketing aus dem Silicon Valley ist eben perfekt. Technologisch hat China die Nase vorn – vor einigen Jahren hatten die Japaner noch die Pole Position. Und auch einem Münchner Start-up traue ich einiges zu: Agile Robots. Die haben kürzlich einen Humanoiden vorgestellt, der an der Spitze des globalen Fortschritts steht.
Sie finden massive Datenspeicher essenziell, stimmt’s?
Ein ganz klares Ja. Wir haben es heute mit gigantischen Daten- und Softwaremengen zu tun, die riesige Rechenzentren brauchen, die wir ja gerade erst bauen. Sie müssen in der Lage sein, weltweit Geschäftsdaten in Millisekunden auszutauschen und zu interpretieren.
Weshalb Sie ein KI-Start-up namens 1Alpha mitgegründet haben, eine KI-basierte Software.
Sie unterstützt vor allem mittelständische Unternehmen, bürokratische Aufgaben schnell zu erledigen.
Ich hätte gedacht, Sie würden eine Anwendung für die Autoindustrie erfinden.
Sie unterschätzen den Aufwand von Betriebsabläufen in Unternehmen. Das ist aktuell das sensibelste Thema, das die deutsche Wirtschaft und vor allem den Mittelstand am stärksten belastet.
Inwiefern?
Nehmen wir einen normalen Brief. Er kommt an, jemand öffnet ihn und leitet ihn an die zuständige Abteilung weiter.

Und da liegt er dann erst mal eine Zeit lang?
Richtig. Diese Prozesse in einem mittelständischen Unternehmen kann man mit 1Alpha erheblich beschleunigen. Hier können Sie mit Begriffszusammenhängen arbeiten: Der Brief wird von der KI "verstanden" und sein Inhalt kann direkt so weiterverarbeitet werden, wie Sie es wünschen. Jedes neue Gesetz und jede neue Verordnung bringt neue Bürokratie.
Die nicht weniger wird?
Vor mehr als 40 Jahren hat der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl versprochen, dass Bürokratie abgebaut wird. Passiert ist bis heute praktisch nichts. Im Gegenteil: Es ist mehr Bürokratie geworden – wir sind die Weltmeister der Regulierung. Hier kommt die KI von 1Alpha wie gerufen.
"Die Wirtschaft in China ist viel experimentierfreudiger"
Falls sich ein Unternehmen bereits digitalisiert hat.
Klar, das funktioniert nur, wenn die Betriebe schon vollständig digital arbeiten. Als Start-up kann man jetzt nicht damit anfangen, Faxe zu digitalisieren. Aber Sie haben mit der 1Alpha-Software nun eine Möglichkeit, alle bürokratischen Aufgaben schnell und intelligent zu erledigen – angepasst an die Bedürfnisse und Abläufe im jeweiligen Unternehmen.
Was ist der Unterschied zu Software von früher, ohne KI?
Die Veränderung mit KI ist dramatisch. Die 1Alpha-Software versteht, was Sie ihr übergeben, unsere KI kann Sinnzusammenhänge herstellen und daraus intelligente Schlüsse ziehen.
Ist das Potenzial von solchen KI-Programmen auch deshalb so groß, weil gerade jedes Unternehmen versucht, sich möglichst schnell zu digitalisieren?
Genauso ist es. Das Problem ist, dass die deutsche Wirtschaft genauso zurückhaltend ist wie die Menschen in Deutschland. Die Wirtschaft in anderen Ländern – in den USA oder in China – ist da viel experimentierfreudiger. Wir brauchen in Deutschland mehr Mut. Wenn ich das kurz erwähnen darf: Konrad Zuse, ein Deutscher, hat den Computer erfunden! Aber das Multi-Billionen-Geschäft haben dann andere gemacht.
Wenn man auf die Seiten Ihres Start-ups schaut, könnte man den Eindruck gewinnen, dass mit Ihrem Programm Arbeitsplätze ersetzt werden sollen.
Durch die KI-basierte Software von 1Alpha werden keine Arbeitsplätze abgebaut, sondern Mitarbeiter können wieder dort eingesetzt werden, wo sie für ihr Unternehmen wesentlich produktiver sein können. Es gibt heute schon sehr viele mittelständische Unternehmen, die qualifizierte Mitarbeiter aus der Produktion abziehen müssen, damit bürokratische Aufgaben überhaupt noch erledigt werden können. Diesen Prozess kehren wir mit unserer KI-Technologie wieder um.
"Die Künstliche Intelligenz wird Menschen entlasten"
Sie sagten: Regulierung ist im Grunde nichts Schlechtes...
Wir erlassen in Deutschland nur auf Bundes- und Landesebene jährlich etwa 200 bis 250 neue Gesetze und Rechtsverordnungen mit etwa 4500 bis 5000 Einzelnormen, die für Unternehmen das eigentliche Problem sind, weil der Teufel auch dort im Detail steckt. Die Überregulierung ist mittlerweile ein gefährlicher Wachstumsblocker. Aber nicht jedes Gesetz und jede Verordnung ist per se schlecht: Nehmen Sie nur die Gurtpflicht – die hat Zehntausende Leben gerettet.
Zurück zur KI. Wir brauchen keine Angst vor ihr zu haben?
Wir sollten Künstliche Intelligenz umarmen! Sie wird Menschen entlasten und dafür sorgen, dass Arbeit wieder kreativer wird. Nur mit einer exzellenten KI "made in Germany" können wir im globalen Wettbewerb ganz vorne mitspielen.
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