Wer E10 tankt, verschuldet Hunger
MÜNCHEN Eine Milliarde Menschen leben in Hunger auf diesem Planeten. Und 30000 verhungern – jeden Tag. „Das ist ein Skandal und nicht Schicksal”, erklärt dazu die Deutsche Bischofskonferenz. Grundlage dieser Mahnung ist die Experten-Studie „Den Hunger bekämpfen”, die in der Philosophie-Hochschule in der Kaulbachstraße vorgestellt wurde.
Schuld an dem Hunger-Skandal seien nicht nur korrupte Regierungen in den Entwicklungsländern oder multinationale Agrar-Konzerne, sondern auch die Regierungen und Verbraucher in den Industrieländern. „Dass bei uns ein Drittel der Nahrungsmittel weggeworfen wird, trägt mit zum Skandal bei”, sagt Erzbischof Ludwig Schick. Wer Lebensmittel wegwirft oder den Kraftstoff E10 tankt, steht für die Bischöfe moralisch mit in der Verantwortung.
Der Biokraftstoff E10, aus Anbaupflanzen gewonnen, sollte eigentlich den Klimawandel bekämpfen helfen. „E10 ist aber eine Fehlreaktion auf den Klimawandel”, sagt Johannes Wallacher. Der Münchner Präsident der Hochschule für Philosophie leitet die Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik”. Er macht in erster Linie nicht Unwetter oder Missernten, sondern ökonomische und politische Fehlentwicklungen für den Hunger verantwortlich.
Die E10-Kritik seiner Experten kam bereits im März 2011 von der Hilfsorganisation „Brot für die Welt”: „Je mehr Europa das Ethanol nachfragt, desto mehr Nahrungsmittelanbau in der Dritten Welt wird verdrängt – und desto mehr Menschen müssen hungern.”
Die EU importiert etwa Agrartreibstoffe aus Hungerländern wie dem Sudan. „Wir machen aus dieser Studie einen Appell”, sagt Erzbischof Schick. In vielem wiederholt die Kirche Forderungen von Umwelt- und Entwicklungsexperten: Weniger Fleisch essen, regionale Produkte essen, auf nachhaltige und faire Produkte achten.
Schick: „Wenn wir uns bewusst werden, dass Agrargüter nicht nur eine Ware, sondern Mittel zum Leben sind, werden wir auch nicht zulassen, dass man Lebensmittel als Treibstoff verheizt, auf Finanzmärkten damit spekuliert oder die Entwicklung ländlicher Räume vernachlässigt.” Tischgebet und Erntedankfest könnten bei der Bewusstwerdung helfen.
Der Bischof glaubt, dass ein gesellschaftlicher Sinneswandel in 30 Jahren dazu führen könnte, „die Geißel des Hungers zu überwinden”.