Wenn satter Sound gefährlich wird

Basti B. hatte die Kopfhörer am Ohr und hörte nichts außer seine Musik - auch nicht das Signal des herannahenden Zuges. Die ständigen Begleiter im Ohr sorgen für Zerstreuung – und für gefährliche Ablenkung: Basti B. kämpft um sein Leben.
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Basti B. hatte die Kopfhörer am Ohr und hörte nichts außer seine Musik - auch nicht das Signal des herannahenden Zuges. Die ständigen Begleiter im Ohr sorgen für Zerstreuung – und für gefährliche Ablenkung: Basti B. kämpft um sein Leben.

Laut dröhnte die Musik aus seinen Kopfhörern. Basti B. bekam so gut wie nichts mit, was rund um ihn herum passierte. Erst im letzten Moment erkannte er die Gefahr – sah die S2, die am Bahnübergang in Altenerding direkt auf ihn zuraste (AZ berichtete).

Ipod, Musik-Handy und Walkman sind inzwischen bei Vielen ständiger Begleiter – nach Feierabend, beim Joggen, beim Radln, aber auch morgens auf den Weg zur Schule und zur Arbeit. Über die Gefahren und Risiken sind sich allerdings die wenigsten bewusst. Dieter Bauer, stellvertretender Chef der Münchner Verkehrspolizei: „Akustisch ist man damit vom Verkehrsgeschehen völlig abgekoppelt – eine tödliche Gefahr.“

So wie im Fall von Basti B.. Der 18-Jährige hörte am samstagabend nicht einmal den gellend Warnpfiff der S-Bahn. Alkohol und der Sound aus seinen Kopfhörer überdeckten alles. Basti B. wurde von der S-Bahn erfasst und mitgeschleift. Seitdem liegt er mit einem offenen Schädeltrauma und verstümmeltem Bein im Schwabinger Krankenhaus. „Die Ärzte haben ihn in ein künstliches Koma versetzt“, betont Berti Habelt, Sprecher der Bundespolizei. Der Zustand des 18-Jährigen ist kritisch. Erst in einigen Tagen wird sich herausstellen, ob Basti B. überleben wird.

Tödlich verlief dagegen ein Unfall in Moosach im vergangenen November. Eine 12-Jährige lief damals nach der Schule an der Baubergerstraße vor ein Auto. Auch sie hatte Kopfhörer auf.

Ein ähnliches Schicksal ereilte die 12-jährige Christel im Januar 2001. Die Gymnasiastin ging am Ostbahnhof über einen Bahnsteig und spielet dabei mit einem Gameboy. Dabei kam sie zu dicht ans Gleis, stürzte und wurde von einer S-Bahn getötet.

Als Konsequenz aus derart schrecklichen Unfällen hat die Polizei die Kontrollen in München in den letzten Jahren massiv verstärkt. Wer als Radler mit Knopf im Ohr erwischt wird, oder als Autofahrer mit bis zum Anschlag aufgedrehter Anlage – muss blechen.

Paragraph 23 der Straßenverkehrsordnung lässt keinen Spielraum für faule Ausreden. „Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht beeinträchtigt werden“, betont Polizeioberrat Dieter Bauer. Zehn Euro Bußgeld sind in so einem Fall fällig. 2008 wurden in München 41 gebührenpflichtige Verwarnungen an Radl- und Autofahrer ausgesprochen. Tendenz steigend.

Bei Fußgänger ist die Sache deutlich komplizierter. Es ist nicht verboten, mit Kopfhörer spazieren zu gehen und dabei laute Musik zu hören. „Da müssten wir auch jeden aus dem Verkehr ziehen, der betrunken nach Hause geht“, erklärt Polizeioberrat Dieter Bauer. Wer alledrings mit IPod & Co einen Unfall baut, riskiert dagegen gewaltigen Ärger. Für die Betreffenden kann es richtig teuer werden. Die Gerichte prüfen nämlich in solchen Fällen, ob jemand grob fahrlässig gehandelt hat.

„Unter Umständen bekommt man eine Teilschuld zugesprochen“, betont Oberstaatsanwalt Anton Winkler. „Vor allem wenn es um Schadenersatzansprüche oder Schmerzensgeld geht, kann das empfindliche Folgen haben.“

Auch die Versicherungsunternehmen ziehen nach, versuchen sich in solchen Fällen das Geld vom Verursacher zurückzuholen.

Ralph Hub

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