"Wenn er einfach so weitermacht": Deswegen kritisiert ein Münchner Priester den neuen Papst Leo XIV.

München/Rom – Der Münchner Priester Wolfgang Rothe hat die Wahl zum neuen Papst genau verfolgt. Als ihn die AZ vorab nach seinen Favoriten gefragt hatte, fiel allerdings nicht der Name Robert Francis Prevost (69). Der Kardinal hat sich letztlich im Konklave durchgesetzt und führt die katholische Kirche ab sofort unter dem Papst-Namen Leo XIV.
Rothe engagiert sich in der katholischen Kirche stark für queere Gläubige und für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Beim neuen Papst war ihm deswegen grundsätzlich wichtig: dass er eine reine Weste in Sachen Missbrauch in der Kirche und dessen Aufarbeitung hat; dass er die Rolle von Frauen in der Kirche überdenkt und dass er mit dem Thema Homosexualität offen umgeht.
Münchner Priester: "Ich hatte ihn nicht auf dem Schirm"
Was sagt er nun über den Überraschungs-Papst? Rothe antwortet der AZ mit einer Portion Sarkasmus: "Zunächst war ich enttäuscht, dass es keine Frau geworden ist." Dann schiebt er nach: "Ich war sehr überrascht über die Wahl von Kardinal Prevost. Ich hatte ihn – wie die meisten anderen – nicht auf dem Schirm."

Dennoch bewertet er es positiv, dass er aus den USA stammt, zugleich aber nicht mit US-Präsident Donald Trump auf einer Linie ist. "Nachdem im Weißen Haus der Inbegriff von Unmoral sitzt, ist ein US-amerikanischer Papst als Gegenpol sicherlich etwas, das die weltpolitische Situation etwas entspannen könnte."
Der erste Papst-Auftritt: "Anbindung an ältere Traditionen"
Rothe bewertet dessen ersten Auftritt als Papst als traditionell. "Sein Auftreten war allein optisch eine Anbindung an ältere Traditionen." Seine Äußerungen seien aber "deutlich anknüpfend an das, was Papst Franziskus gesagt und gelebt hat".
Deswegen glaubt Rothe, dass das neue Kirchenoberhaupt den Weg der Reform und Erneuerung weiter bestreiten will, allerdings mit "behutsamen Schritten". "Vom Tempo erwarte ich mir ehrlich gesagt nicht allzu viel. Er ist ein behutsamer Mensch, der bisher nie über die Maßen in Erscheinung getreten ist."
Wolfgang Rothe: Zu wenig aus westlicher Perspektive
Zusammengefasst sagt er: "Ich sehe eine ganze Fülle an Signalen, die in die richtige Richtung weisen, aber die möglicherweise aus westlicher Perspektive zu wenig sind."
Zudem wurden kurz nach dem Konklave kritische Punkte aus Prevosts Vergangenheit publik. So lehnte er bei der Weltsynode 2023 die Weihung von Frauen für kirchliche Ämter ab.

Rothe denkt so darüber: "Was er 2023 gesagt hat, deckt sich zu 100 Prozent mit dem, was Papst Franziskus über Frauen gesagt hat. Er hat dessen Lehre, dessen Vorbild bestätigt und seine Wortwahl übernommen."
Und auch zum Thema LGBTQ+ habe der Geistliche in der Vergangenheit "einige Aussagen von sich gegeben, die nicht so ganz respektvoll waren". Rothe sagt dazu aber: "Ich gestehe ihm zu, dass er eine gewisse Entwicklung durchgemacht hat."
Münchner Geistlicher: "Dann bin ich enttäuscht"
Er werde sich daran messen lassen müssen, wie er künftig als Papst agiert und spricht. "Wenn er einfach so weitermacht und diese Aussagen im Raum stehen bleiben, dann bin ich sehr enttäuscht. Aber die Zeichen vom Donnerstag haben darauf hingedeutet, dass einiges im Wandel ist."
Auch Missbrauchsfälle, in denen der heute 69-Jährige nicht vollumfänglich zur Aufklärung beigetragen haben soll, wurden umgehend nach der Papstwahl angeführt. Rothe hat das bereits nachrecherchiert und ist eigenen Aussagen zufolge auf zwei Fälle vor vielen Jahren gestoßen. Bei einem soll er nicht adäquat reagiert und die Vorwürfe nicht ernst genommen haben.
Priester über Papst: "Weste scheint nicht hundert Prozent rein"
Beim zweiten soll er einen Missbrauchsverdächtigen in einem Ordenshaus unweit einer Schule untergebracht haben. "Das war sicherlich unsensibel, aber ich plädiere dafür, Entscheidungen und Äußerungen im jeweiligen zeitlichen und gesellschaftlichen Kontext zu bewerten."
Und: "Seine Weste scheint nicht hundert Prozent rein zu sein, aber man muss auch sehr deutlich sagen: Er hat damals rechtskonform gehandelt. Er hat es an Sensibilität, Einfühlungsvermögen und Respekt fehlen lassen, aber das sind eher moralische Kriterien."
Nun müsse der neue Pontifex zeigen, inwieweit er heute bereit sei, die vertieften Erkenntnisse und Weiterentwicklungen wahrzunehmen und umzusetzen. Was sich der Münchner nun besonders wünscht: dass der neue Papst eine Entscheidung zum Frauen-Diakonat fällt.
"Man kann dieses Thema nicht endlos vor sich herschieben." Mit 69 Jahren sei Leo XIV. zudem noch "vergleichsweise jung". "Er hat möglicherweise zwei Jahrzehnte als Papst vor sich, da hat er Zeit genug zu liefern!"