Wenn der Koi Aua hat
Ein Fisch im OP-Saal? In der Tierambulanz in Oberschleißheim ist das keine Seltenheit. Hier werden Fische, Vögel, Reptilien und Amphibien behandelt
Oberschleißheim - Das Wartezimmer ist gut besucht: eine Schildkröte sitzt in einem Korb, daneben steht ein Käfig mit einem piependen Wellensittich und in einer Box ist ein Chamäleon. Die Tiere sind Patienten in der Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Zierfische in Oberschleißheim. In der Einrichtung der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität kümmern sich mehr als 60 Ärzte, Tierpfleger und Doktoranden um Haustiere der bisweilen besonderen Art.
Über 6000 Tiere werden hier im Jahr behandelt. Dazu kommen 1200 Wildvögel, die von Passanten gefunden und abgegeben werden. „Wir behandeln hier alles: Amsel, Drossel, Fink und Star. Vom zwei Gramm leichten Kolibri bis hin zum 170-Kilogramm Strauß“, sagt Klinik-Leiter Professor Rüdiger Korbel auf. Dazu kommen Reptilien, Amphibien und Zierfische.
Doch wie wird ein Fisch operiert? „Dazu legen wir den Fisch auf ein Vakuumkissen – fassen ihn nur mit Handschuhen an, um seine Schutzschicht nicht zu verletzen – und befeuchten ihn immer wieder.“ Verwendet wird die gleiche Technik, wie in der Humanmedizin – nur kleiner. „Ob Kolibri oder Guppy – zu klein gibt's nicht.“
In einem Zimmer zeigen Prof. Korbel und die Tierpflegerin Miriam Mosinzer an Königspython „Karl-Heinz“, wie eine Schlange während der Behandlung richtig gehalten wird. Etwa 340 Studenten lernen hier jedes Jahr den richtigen Umgang mit den Tieren. „Karl-Heinz“ züngelt und schlängelt sich um den Arm; von ihm geht keine Gefahr aus. Bei großen Würgeschlangen dagegen gilt die Devise: Pro Meter Schlange ein Mann.
Giftschlangen müssten betäubt werden. Antiseren hat die Klinik nicht: zu teuer. Sie liegen Korbel zufolge teilweise im fünfstelligen Euro-Bereich und müssten regelmäßig erneuert werden.
Zu den Patienten gehören auch Wildvögel, vom Zoll beschlagnahmte Tiere oder erkrankte Zootiere. In der Klinik gibt es ein Labor, in dem Schnell- und Notfalldiagnostik möglich ist.
Etwa die Hälfte der Tiere hier leiden an haltungsbedingten Krankheiten. Viele wissen zu wenig über ihrer Haustiere. Sie kauften eine Schildkröte oder eine Schlange, weil sie ihnen einfach zu handhaben scheint, so Korbel. Doch mit Fütterung oder Terrarien befassten sich die Halter nicht.
Auch die Lebenserwartung der Tiere sollte berücksichtigt werden. Papageien werden 50 bis 60 Jahre, Kakadus 70 und Aras 110 bis 120 Jahre. „Schildkröten leben noch viel länger.“ Das bedeute, dass die Tiere teilweise nach dem Tod des Besitzers auf dessen Erben übergehen. Das sei nicht immer einfach, selbst ein Grüner Leguan könne auf seinen Halter fixiert sein.
Ob Goldfisch oder Koi-Karpfen – die Behandlung ist nicht teurer, je exklusiver das Tier ist. Eine Narkose samt Röntgen und OP könne bei einem Wellensittich 100 bis 150 Euro kosten. Sind Schmerzen oder das Leiden eines Tieres zu groß, müsse es eingeschläfert werden. Da spielen sich oft Dramen ab. Schließlich lebt manche Schildkröte 50 Jahre oder länger mit dem Herrchen zusammen.