Welchen Preis zahlt München für Olympia?
München - Bald sollen die Münchner entscheiden, ob sie Olympische Sommerspiele 2040 wollen. Voraussichtlich, so hört man es aus dem Rathaus, findet der Entscheid Ende Oktober statt. Man wolle "keine Monumentalbauten, sondern Vorhandenes nutzen", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). So wie in Paris, wo für die Spiele 2024 fast keine neuen Stadien gebaut wurden. Doch wie gut taugt Paris als Vorbild wirklich?
"Im Vorfeld hat die Regierung damit geworben, dass es die inklusivsten Spiele der Geschichte werden. Aber wir erlebten eine Verdrängungsmaschine", sagt Paul Alauzy. Er lebt in Paris, arbeitet für die Organisation "Ärzte der Welt", hilft und berät obdachlose Menschen. Und er ist einer der Sprecher des Anti-Olympia-Bündnisses "le revers de la médaille", "die Kehrseite der Medaille" heißt das.
"Sozialen Säuberungen" vor den Spielen in Paris
Etwa eineinhalb Jahre vor den Spielen hätten die "sozialen Säuberungen" begonnen, sagt Alauzy. Was er damit meint, erklärt er im Rathaus im Fraktionszimmer der Linken, die ihn einladen haben. Linken-Chef Stefan Jagel ist gegen Olympia. Er fürchtet, dass durch die Spiele das eh schon teure München noch exklusiver wird – so wie es Alauzy erlebt habe.

Jahrelang habe er in Paris Menschen aus dem Tschad betreut, die sich in einer alten Zementfabrik ein Zuhause eingerichtet hatten. Eigentlich illegal, aber geduldet – bis gegenüber am anderen Seine-Ufer das Olympische Dorf entstehen sollte. Hunderte Polizisten, so erzählt es Paul Alauzy, hätten die Fabrik geräumt, die Menschen in Busse gesteckt und über 700 Kilometer weit weg nach Toulouse gebracht.
20.000 Menschen seien aus der Stadt geschafft worden
Es habe nicht nur Migranten getroffen. Auch drogensüchtige Menschen, Sexarbeiterinnen, Obdachlose seien vertrieben worden – insgesamt 20.000 Menschen. Diese Zahlen habe eine Beobachtungsstelle ermittelt, auch Daten der Polizei seien eingeflossen. Offiziell habe es immer geheißen, es gebe keinen Zusammenhang mit Olympia. Allerdings sei der örtliche Bezug immer klar gewesen, sagt Paul Alauzy.
Er erzählt von vielen weiteren gebrochenen Versprechen; dass der ÖPNV kostenlos werden solle. Doch nun koste ein Ticket in der Innenstadt vier Euro statt 1,20 Euro.

In einem Vorort von Paris wurden Kleingärten plattgemacht, damit dort ein Fitnesscenter und Solarien für die Athleten gebaut werden können.
Zwar entstanden in dem neuen Olympischen Dorf 2800 neue Wohnungen. Allerdings seien die Mieten in dem Viertel heute rund 30 Prozent teurer, sagt Alauzy. "Olympia hat die Gentrifizierung beschleunigt."
Er ist übrigens kein strikter Gegner von Sportereignissen. "Es war ein schönes Fest", sagt er auch über Olympia. "Aber die Frage ist: zu welchem Preis." Vor dem Entscheid über Sommerspiele sollten die Münchner wissen, dass in Paris vieles versprochen und längst nicht alles gehalten wurde, findet er.
Alleine die Bewerbung kostet Millionen
Linken-Chef Stefan Jagel ist überzeugt, dass die Schattenseiten von Olympia überwiegen. In einer neunseitigen Broschüre hat er alle Punkte, die ihm wichtig sind, zusammengefasst. Es geht um Preise, die CO2-Bilanz, Doping, Korruption. Und ganz am Anfang steht der Punkt, der alle weiteren Überlegungen womöglich ohnehin überflüssig machen könnte: Was, wenn München den Zuschlag für die Spiele gar nicht bekommt?
Dann könnte es passieren, dass München 50 Millionen Euro zum Fenster herauswirft, meint Jagel. So viel hatte Hamburg für seine Olympia-Bewerbung veranschlagt. Voraussichtlich wird die Münchner Bewerbung um einiges günstiger, hieß es zuletzt vom Deutschen Olympische Sportbund (DOSB). Doch Jagel erinnert daran: "München steckt in einer Haushaltskrise." Geld für eine unsichere Bewerbung auszugeben, kann sich die Stadt aus seiner Sicht nicht leisten.
Info: Am Freitag, 9. Mai, findet eine Podiumsdiskussion mit Paul Alauzy und Katharina Horn (Bund Naturschutz) im Kulturzentrum Luise, Ruppertstraße 5, zu Olympia statt. Auch ein Kurzfilm wird gezeigt. Beginn: 19 Uhr.