Was wusste Mandy S.? – Ex-Rechtsextremistin sagt aus

Mandy S. war eine der ersten, die dem NSU beim Untertauchen half. Im Prozess ist sie deshalb eine wichtige Zeugin. Die ehemalige Rechtsextremistin gibt vieles zu – will aber von den Taten nichts gewusst haben.
von  dpa
Der Stuhl und der Tisch für die Zeugenvernehmung im Gerichtssaal 101 im Oberlandesgericht München.
Der Stuhl und der Tisch für die Zeugenvernehmung im Gerichtssaal 101 im Oberlandesgericht München. © dpa

Mandy S. war eine der ersten, die dem Neonazi-Trio um Beate Zschäpe beim Untertauchen half. Im NSU-Prozess ist sie deshalb eine wichtige Zeugin. Die ehemalige Rechtsextremistin gibt vieles zu – beteuert aber, von den späteren NSU-Taten nichts gewusst zu haben.

München – Was wusste Mandy S. wirklich? Was wusste die ehemalige Rechtsextremistin möglicherweise von den Verbrechen der drei mutmaßlichen Neonazi-Terroristen um Beate Zschäpe? Stundenlang sagt die 38-Jährige am Mittwoch und Donnerstag im NSU-Prozess aus - was allein schon eine Überraschung ist, schließlich wird gegen sie selbst immer noch wegen des Verdachts auf Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelt.

Doch S. will diese Botschaft loswerden: dass sie zwar 1998 drei „Kameraden“ beim Untertauchen half, von Morden oder Überfällen aber absolut nichts gewusst habe. Mehr noch: Sie habe zu dem Trio seit 1998 keinen Kontakt mehr gehabt. Damit bemüht sich Mandy S., einen klaren Trennstrich zu ziehen.

S. sagt vor dem Münchner Oberlandesgericht das aus, was sie schon bei der Polizei berichtet hat: dass sie und ihr Freund Max-Florian B. 1998 drei „Kameraden“ in dessen Wohnung aufnahmen, von denen es hieß, die hätten „Scheiße gebaut“. Dass sie der Frau, als es der einmal schlecht ging, ihre Krankenversichertenkarte lieh. Und dass sie für die drei einmal einen Ausweis auf dem Amt abholte – mit einem Foto von einem der beiden untergetauchten Männer, aber mit einem falschen Namen. „Kameradschaftshilfe“ – so rechtfertigt sie ihr damaliges Tun.

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Sie weiß, unter welchem Erklärungsdruck sie steht. Schließlich benutzte Zschäpe ihren Namen in den Jahren nach 1998 immer wieder als Alias-Namen, etwa auf Tennisclub- oder Katzenausweisen. Mehr noch: Im Brandschutt der letzten Wohnung des NSU-Trios in Zwickau wurden zwei Zettel mit der damals aktuellen Telefonnummer von Mandy S. gefunden. Einen davon hat sie sogar eigenhändig geschrieben.

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Die Friseurin beteuert, von alldem nichts gewusst zu haben. Ihr sei von der Polizei „ein Beweisstück nach dem anderen vorgelegt worden, wo Du denkst, ach du Scheiße“, sagt S. aus. Sie habe auch überlegt, wer den Zettel an das Trio weitergegeben haben könnte, sei aber nicht weitergekommen. Mehrere Namen fallen ihr als Möglichkeiten ein.

Doch auch wenn S. vor Gericht in vielen Teilen relativ glaubwürdig wirkt, bleiben Fragen offen. Vor allem: Kann es wirklich sein, dass sie bis 2011 nichts von dem NSU-Trio wusste, obwohl mehrere ihrer Bekannten jahrelang Kontakt zu Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehabt haben sollen – darunter auch der Mitangeklagte André E.?

Fakt ist: Auch in abgehörten Telefonaten nach dem Auffliegen des NSU-Trios 2011 gab Mandy S. an, von alledem nichts gewusst zu haben. Fakt ist aber auch: Mandy S. war über viele Jahre hinweg viel tiefer in die sächsische Neonazi-Szene verstrickt als sie im Prozess glauben machen will. „Ich hab' mir den Kopf rasiert“, gibt sie zwar zu, und dass sie auch Bomberjacke und Springerstiefel getragen habe. Das Ganze sei damals aber eine „reine Spaß- und Party-Szene“ gewesen.

S. hatte aber Briefkontakt zu einem gewalttätigen Rechtsextremisten, der bis 2004 in Haft saß. Mit ihm zusammen schrieb sie sogar einmal einen Artikel für eine rechtsextremistische Zeitschrift. Und mit ihm hatte sie auch noch Kontakt, als er im Jahr 2004 auf freien Fuß kam.

Fragwürdig bleiben auch nach eineinhalb Tagen Vernehmung mehrere Dinge: Kann es wirklich sein, dass S. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt 2011 nicht als diejenigen wiedererkannt hat, die 1998 bei ihr und ihrem Ex-Freund Unterschlupf fanden? Kann es sein, dass sie die drei Namen erst nach dem Auffliegen der Terrorzelle 2011 erstmals hörte?

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hakt am Donnerstag intensiv nach, weil S. bei einer gerichtlichen Vernehmung 2003 offenbar mindestens mit einem der drei Namen konfrontiert wurde. Sie habe aber die Namen der „Kameraden“ 1998 nicht erfahren, sagt sie. Ob S. mit dieser Argumentation durch- und am Ende selbst ungeschoren davonkommt, wird sich weisen. Die Ermittlungen gegen sie laufen noch.

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