Was am Ende des Lebens zählt

Was beschäftigt Sterbende? Welche Rolle spielt die Religion im Angesicht des Todes? Beobachtungen einer Mitarbeiterin des Hospizdienstes „DaSein“.
von  AZ
Himmel, Fegefeuer - oder gar nichts? Senioren erzählen in der AZ, was sie über den Tod denken.
Himmel, Fegefeuer - oder gar nichts? Senioren erzählen in der AZ, was sie über den Tod denken. © Sebastian Widmann, dapd

Der Tod ist schwer zu fassen, das fängt schon beim Zahlenmaterial an. Bekannt ist, dass vergangenes Jahr 123089 Bayern ihren letzten Atemzug taten, und dass von ihnen 110079 über 60 Jahre alt waren.

MÜNCHEN - Für 2009 lässt sich feststellen, dass 47,5 Prozent der Toten aus dieser Altersklasse im Krankenhaus starben. Doch wo der Tod den Übrigen begegnete, ob im Heim oder daheim, darüber gibt es keine Statistik.

Besser untersucht als die Sterbe-Orte sind die Ursachen: In der Generation 60plus sind das oft Durchblutungsstörungen des Herzmuskels, Herzinfarkt und Herzschwäche.
Will man wissen, was in Männer und Frauen vorgeht, wenn das Ende naht, greift gar keine Statistik mehr. „Der Tod der Menschen ist so unterschiedlich wie ihr Leben“, sagt E. Katharina Rizzi vom Hospizdienst DaSein. „Und es ist eine Illusion, zu glauben, dass Sterben mit dem Alter automatisch leichter wird.“
Ausschlaggebend sei vielmehr, ob die Menschen gelernt haben, mit Schicksalsschlägen umzugehen und Kontrollverlust zu verkraften. „Das Sterben kann leidvoll sein und sich unserer Kontrolle entziehen. Wer mit beidem umzugehen gelernt hat, tut sich am Ende leichter.“

Religion, sagt Rizzi, sei keine Garantie für leichtes Sterben. „Habe ich das Bild eines gütigen Gottes, dann werde ich eher Vertrauen entwickeln.“ Menschen, die an einen strafenden Gott glaubten, hätten in ihren letzten Stunden hingegen eher Angst vor der Hölle oder dem Fegefeuer.

Was beschäftigt die Todgeweihten noch? „Wenn jemand Schmerzen hat oder unter Atemnot leidet, steht das im Vordergrund“, sagt Rizzi. „Wenn es Spannungen zwischen Familienmitgliedern oder Streit mit nahen Menschen gibt, dann ist das ebenfalls eine große Belastung.“ Solche „alten Wunden“ würden das Sterben erschweren.

In der 20-jährigen Geschichte des Hospizdienstes hat Rizzi auch erlebt, dass Menschen zwar grundsätzlich bereit waren zu gehen, aber noch auf etwas warteten: auf die Geburt des Enkels, oder den Besuch des Sohnes aus Amerika. Erst danach seien sie ganz ruhig eingeschlafen.

„Friedliches Sterben“, sagt sie, „hat viel damit zu tun, wie man mit dem Leben Frieden schließen kann.“

Lesen Sie in der Donnerstagsausgabe der AZ (3. November), was die Senioren der AZ-Serie über den Tod denken.

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