"Wäre schön gewesen": Nach Abriss der Eisbachwelle melden sich jetzt die Surfer zu Wort

Sie stand ganz oben auf der Liste für seinen München-Besuch: die Eisbachwelle. Kaum ist der Flieger des jungen Mannes aus Kopenhagen am Sonntagmorgen gelandet, machen sich William (28) und seine Augsburger Freundin Amelie (33) schon auf den Weg zur Welle. Doch die ist bis auf ein bisschen schäumendes Wasser verschwunden.
Eisbachwelle wieder verschwunden
"Ich bin sehr enttäuscht", sagt William im AZ-Gespräch. Der 28-Jährige ist zwar kein Surfer, aber er mag Action-Sportarten. Gern hätte er den Surfern zugeschaut.
Begleitet von der Polizei ist Sonntag früh eine Rampe von der Feuerwehr entfernt worden, die dafür gesorgt hatte, dass die seit Oktober verschwundene Welle im Eisbach im Englischen Garten über Weihnachten zeitweise wieder da war. Dabei war ein Kran im Einsatz, alle eingebauten Vorrichtungen wurden entfernt.

Ein Sprecher der Feuerwehr bestätigt der AZ, dass es sich um einen Auftrag des Kreisverwaltungsreferats (KVR) gehandelt habe. Mit acht Einsatzkräften rückte die Feuerwehr an und entfernte den "Balken". Bis etwa 9 Uhr waren die Einsatzkräfte vor Ort, der eigentliche Einsatz habe rund eine halbe Stunde gedauert, so der Sprecher.

Surfer sind entsetzt
Surfer zeigten sich entsetzt von der Aktion, sprachen in Chats von einer "Kampfansage der Stadt an uns Surfer". Der Surf Club München schreibt in einer Presseerklärung: "Mit der Entfernung der Holzkonstruktion an der Eisbachwelle schafft die Stadtverwaltung Fakten und greift damit massiv in einen seit Jahrzehnten gelebten, international bekannten urbanen Freiraum ein." Es sei "keine rein technische Maßnahme, sondern eine politische Entscheidung, oder genauer gesagt: das Ausbleiben einer politischen Entscheidung. Die Verwaltung handelt, während die Politik schweigt."

Am ersten Weihnachtstag war die Welle überraschend wieder surfbar (AZ berichtete). Am Geländer der Brücke hing ein Transparent mit der Aufschrift: "Just watch. Merry X-Mas." – "Schau her. Frohe Weihnachten." Man vermutet, dass dafür unbekannte Surf-Aktivisten verantwortlich sind.
Ein AZ-Reporter war am Samstag vor Ort und sprach mit den Surfern. Die neu entstandene Welle sei deutlich anders und schwieriger zu befahren als zuvor. Das war auch sichtbar: Die Surfer stürzten schneller als früher. Trotz Kälte kamen zahlreiche Schaulustige, um das Geschehen zu verfolgen. Das ist seit Sonntagmorgen wieder vorbei.

Konflikt spitzte sich an Weihnachten zu
Der Konflikt mit der Stadt München hatte sich ausgerechnet an Weihnachten zugespitzt. Die Eisbach-Surfer hatten den offiziellen Versuch zur Rettung der Welle aus Frust über die hohen Auflagen der Stadt abgebrochen. "Die Verwaltung will das Surfen am Eisbach nicht regulieren, sondern verhindern", hieß es in einer Mitteilung des Vereins Surf Club München. Darin wird eine behördliche Auflagenpraxis kritisiert, "die faktisch auf Verhinderung angelegt ist".

Klimareferat: "Bei Gefahr in Verzug muss die Vollzugsbehörde tätig werden"
Auch Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) kritisiert das Vorgehen der Verwaltung. "Dass es nun kurz vor Weihnachten zu so einer unbefriedigenden Situation gekommen ist, ist für mich unverständlich und sehe ich auch als ein nicht überlegtes Handeln der Verwaltung“, teilt sie mit.
Allerdings: Laut das Klimareferat sind die "vorgenommenen, wellenbildenden Einbauten illegal gewesen und potenziell gefährlich, wenn nicht lebensgefährlich". Und: "Nach dem tragischen tödlichen Surfunfall vom April dieses Jahres kann und darf die Stadt nicht genehmigte Einbauten an der Eisbachwelle nicht dulden. Bei Gefahr in Verzug muss die Vollzugsbehörde tätig werden und hat daher die Entfernung der Einbauten veranlasst." Gerade bei Sicherheitsfragen gebe es keinen Ermessensspielraum.
Verena Dietl setzt auf Austausch zwischen Verwaltung und Surfern
Und wie geht es jetzt weiter? Sie habe die Referate angewiesen, zu einer rechtlich sicheren und praktikablen Lösung zu kommen, schreibt Dietl. Auch einen Austausch zwischen der Verwaltung und den Surfern solle es geben. Sie habe verfügt, fortlaufend informiert zu werden.
Auch am Sonntag waren einige Menschen vor Ort, um sich die Welle anzuschauen. Darunter William und Amelie. Auch die 33-Jährige wusste noch nicht, dass die Welle schon wieder weg ist. "Ich fände es schön, wenn die Welle wieder hergestellt wird", sagt sie und spricht damit vielen hier aus der Seele.
IGSM fordert "weniger restriktive Auflagen"
Die Interessengemeinschaft Surfen München (IGSM) hofft unterdessen auf eine "pragmatische Lösung" und teilt mit "an keiner weiteren Eskalation der Situation interessiert" zu sein. Man sei auch offen für alternative Vorschläge der Stadtverwaltung und wünsche sich zeitnahe Gespräche mit den politisch Verantwortlichen, hieß es weiter.
Dass die Feuerwehr die illegal eingesetzte Rampe am Wochenende entfernte, stößt der IGSM sauer auf: "Es wäre schön gewesen, wenn die Stadt hier kulanter gewesen wäre und diesen Zustand toleriert hätte. Nach den letzten Gesprächen mit der Stadtverwaltung war aber auch klar, dass dies nicht besonders wahrscheinlich ist."
Aus diesem Grund wolle die IGSM nun einen ähnlichen Einbau auf offiziellem Weg genehmigen lassen. "Aus unserer Sicht sollten weniger restriktive Auflagen gelten, da es sich um einen zeitlich begrenzten, wissenschaftlich begleiteten Versuch handelt und nicht um einen dauerhaften Einbau."
Jörg Hoffmann (FDP): "In Deutschland darf man offenbar nichts mehr auf eigenes Risiko tun"
Am Montag meldete sich auch die Münchner FDP mit klaren Forderungen zu Wort. Sie plädiert für eine Reform der rechtlichen Rahmenbedingungen rund um die Eisbachwelle. "Hintergrund ist die aktuelle Haftungssituation, die die Stadt München faktisch dazu zwingt, künstliche Einbauten zu entfernen, obwohl die Eisbachwelle seit Jahrzehnten ein international bekanntes Symbol für Münchner Lebensart, Sport und Freiheit ist", heißt es in der entsprechenden Mitteilung.
"Die Eisbachwelle scheitert nicht an fehlendem politischen Willen, sondern an einem Haftungsrecht, das jede Form von Eigenverantwortung ausschließt. In Deutschland darf man offenbar nichts mehr auf eigenes Risiko tun. Das ist realitätsfern und freiheitsfeindlich", wird FDP-Bürgermeisterkandidat Jörg Hoffmann zitiert. Wer an der Eisbachwelle surfe, wisse, dass das Risiko dazugehöre und übernehme dafür bewusst Verantwortung.
"Die Eisbachwelle gehört zu München"
Jennifer Kaiser-Steiner, Vorsitzende der FDP München, ergänzte: "Es kann nicht sein, dass städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persönlich haftbar gemacht werden, nur weil sie pragmatische Lösungen ermöglichen wollen. Das lähmt Verwaltung und Politik gleichermaßen. Die Eisbachwelle gehört zu München!"