Vorsicht, Ticket-Mafia!

Eine gut organisierte Bande macht am Flughafen mit MVV-Tagestickets ein gutes Geschäft . Aber Vorsicht: Wer sich darauf einlässt, riskiert eine Anzeige.
Vanessa Assmannn |
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Eine gut organisierte Bande macht am Flughafen mit MVV-Tagestickets ein gutes Geschäft - wie ein Test vor Ort zeigt. Aber Vorsicht: Wer sich darauf einlässt, riskiert eine Anzeige.

MÜNCHEN Es klingt nach einem verlockenden Angebot: Ein Mann bietet am Fahrscheinautomaten ein Partner-Tagesticket zum Verkauf an. Zu fünft einen Tag lang im ganzen MVG-Netz fahren? Statt 19,60 Euro Normalpreis will er nur 15 Euro für den Fahrschein. Er selbst brauche ihn nicht mehr. Diese Wiederverwertung ist nicht ganz neu. Neu aber ist, dass eine Bande damit in München richtig Geld macht.

So rechnet sich der Deal für die Ticket-Trickser: Sie kaufen Fahrscheine von Fahrgästen, die diese nicht mehr brauchen. Günstiger versteht sich. Manchmal fischen sie die Tickets auch einfach aus dem Müll. Beispiel Partner-Tagesticket (normal 19,60 Euro): Je nachdem ob die entwertete Fahrkarte jemand anderem abgekauft oder aus dem Abfalleimer gefischt wurde, ist pro Ticket ein Reinerlös von bis zu 15 Euro drin. Das Geschäft floriert.

Ganz besonders gut ist das am Flughafen zu beobachten. Es ist Vormittag, alle zehn Minuten spucken neue S-Bahnen Dutzende Reisende aus. Jeder hetzt gleich zum Ausgang. Manche merken in ihrer Eile erst nicht, dass sich ein Mann mittleren Alters in blauer Jacke an sie heranpirscht und sie von der Seite im Flüsterton anspricht: „Sind Sie mit einem Tagesticket da?” Er könnte lauter reden. Doch dann würde er auch mehr Aufmerksamkeit erregen. Ein junges Pärchen stoppt, der Menschenstrom versperrt die Sicht auf die Szene. Als die Menge weg ist, schiebt sich der Mann ein Ticket in die Jackeninnentasche. Er hatte ganz offensichtlich Erfolg. Und bald wird sich auch ein Käufer finden.

In Städten wie Berlin floriert das zwielichtige Geschäft seit Jahren. Zwar mahnen Aufkleber dort, Tickets nur an offiziellen Verkaufsstellen zu erwerben. Doch den Tricksern ist schwer beizukommen.

Am Flughafen wiederholen sich die Szenen. Fahrscheine werden ergattert und weitervertickt. Nach einer Stunde ist klar: Es sind mindestens vier Männer und eine Frau, die hier ihr Geschäft machen. Sie treten unauffällig auf, ihre Blicke wandern ständig umher. Die Frau durchwühlt im Flughafengebäude die Abfalleimer. Derweil pendelt mal einer ihrer Komplizen, mal ein anderer zwischen Besucherpark und Flughafen hin und her und ergattert gleich in der Bahn neue Tickets. Für die Reisenden ist das kein Problem. Manche verschenken ihre Tickets bereitwillig – sie sind ja jetzt im Urlaub. Sie wollen nett sein und ahnen nicht, dass jemand anders damit Kohle macht. Andere verkaufen ihren Fahrschein, um sich von dem Geld noch einen Kaffee zu kaufen.

Eine geschickte Art der Wiederverwertung? Oder ist das alles bloß ein riesengroßer Schwindel? „Der Weiterverkauf von Fahrscheinen ist verboten und letztlich eine Straftat”, sagt Beate Brennauer, MVV-Sprecherin. Das gilt für Verkäufer und Käufer. Im Strafgesetzbuch ist die Rede von Betrug und Leistungserschleichung: Wer sich darauf einlässt, verletzt die Tarifbestimmungen und riskiert eine Anzeige. „Kontrolleure und Polizei haben ein Auge darauf”, sagt Brennauer. Wer sich mit einem wiederverwerteten Fahrschein befördern lässt, gilt außerdem als Schwarzfahrer.

Die Flughafen-Bande dürfte zumindest ahnen, wenn nicht sogar ganz genau wissen, dass sie allesamt am Rande der Legalität arbeiten. Ein Mann hat die Automaten im Blick, gerade kommt eine Vierergruppe von der Ankunftshalle nach unten. Wird gleich wieder ein entwertetes Ticket den Besitzer wechseln? Die Gruppe greift zu. Als man die vier in der S-Bahn fragt, wie viel sie gerade gezahlt haben, werden die drei Damen bleich. Sie blicken sich irritiert an. Ist das etwa eine Kontrolle? Ihr männlicher Begleiter ist da offener. „15 Euro statt 19,60 Euro am Automaten. Der Herr, der es verkauft hat, braucht es nicht mehr. Einen Platz hätten wir noch frei”, sagt er. „Wenn Sie mitfahren wollen...”

Die Durchsage „Besucherpark” übertönt das nette Angebot. Einer der Ticket-Dealer läuft im Gang vorbei. Er dreht sich nicht um. Er beobachtet die Szene mit einem Handspiegel.

 

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