Vier Pfoten im Gefängnis: So hilft ein Hund JVA-Insassinnen

München/Aichbach - Zwischen vier orangefarbenen Pylonen hindurch dirigiert Karina Brändlin ihren Hund Sunny. Die Sozialpädagogin lenkt den Flat Coated Retriever mit präziser Körpersprache - eine perfekte Demonstration von Führung und Vertrauen.
Als der AZ-Reporter den Versuch wagt, zeigt sich, dass das gar nicht so einfach ist: Nach dem zweiten Hindernis bleibt Sunny abrupt stehen. "Sie müssen den Hund besser wahrnehmen", erklärt Brändlin. Kommunikation sei der Schlüssel, und die sei auch in der Arbeit mit ihren Klientinnen wichtig – straffällig gewordene Mädchen und Gefängnisinsassinnen.
"Für viele ist die Zeit im Gefängnis eine extreme Belastung"
Seit 2023 ist Sunny ein fester Bestandteil der Straffälligenhilfe des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) München. In der Justizvollzugsanstalt Aichach begleitet er, im Rahmen des Programms "Straffrei mit 4 Pfoten", die psychosoziale Beratung für inhaftierte Frauen.
"Ich betreue Frauen vor, während und nach der Haft", sagt Brändlin. Für viele ist die Zeit im Gefängnis eine extreme Belastung. Scham, Schuldgefühle und Ängste lassen sie verstummen. Doch Sunny schafft das, wo Worte oft scheitern: Seine Anwesenheit allein senkt den Stresspegel und fördert eine Atmosphäre des Vertrauens.
Hund Sunny ist nicht nur ein Trostspender
Das Projekt ist einzigartig. Sunny ist weit mehr als nur ein Trostspender – er ist ein Spiegel für das Verhalten seiner Gegenüber. In speziellen Übungen lernen die Frauen, wie ihre Körpersprache und ihr Tonfall auf ihn wirken. "Da braucht es Klarheit, man muss Führung übernehmen", erklärt Brändlin.
Wer zögert oder unsicher ist, bekommt das unmittelbar zu spüren: Sunny bleibt stehen oder folgt den Anweisungen nicht. Genau diese Rückmeldungen helfen den Frauen, sich selbst bewusster wahrzunehmen.

Die Themen in den Sitzungen sind vielfältig. "Im Gefängnis kann es schon zur Sache gehen", sagt Brändlin. Oft geht es um Selbstwahrnehmung, Grenzen setzen und Kommunikation.
Eine besonders aufschlussreiche Übung besteht darin, Sunny auf Kommando zu stoppen, wenn er auf die Frauen zuläuft. "Oft haben die Frauen in ihrem Leben nicht gelernt, Nein zu sagen oder für sich einzustehen", erklärt Anna Fischhaber, Sprecherin des SkF.
Das Projekt ist auf Spenden angewiesen
Doch nicht nur in den Übungen entfaltet Sunny seine Wirkung. Schon allein die Nähe zu ihm kann Wunder bewirken. "Mit jemandem kuscheln zu können, Wärme zu spüren – das ist für viele Frauen hier etwas ganz Besonderes", erklärt Brändlin. Eine Gefängnisinsassin genießt es etwa, einfach mit Sunny zu schmusen, während ihr Geschichten vorgelesen werden.
Auch außerhalb der JVA wird der Therapiehund eingesetzt. Brändlin arbeitet mit straffällig gewordenen Jugendlichen, die Auflagen vom Gericht erhalten haben. Für junge Mädchen sei die Arbeit mit dem Hund ein wertvolles Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung.

Das Training in der JVA mit Sunny findet alle 14 Tage für drei Stunden statt. Mehr wäre wünschenswert, doch die Straffälligenhilfe wird nur in Teilen öffentlich finanziert. "Es ist nicht immer angesehen, mit Menschen zu arbeiten, die Straftaten begangen haben.
Schon auf dem Parkplatz freut sich Sunny auf den Knast
Dabei dient die Hilfe für Straffällige immer auch der Resozialisierung und damit der Prävention", sagt Anna Fischhaber. Deshalb ist das Projekt auch auf Spenden angewiesen. Das Engagement lohnt sich, denn Sunny ist nicht nur ein Hund - er ist ein Hoffnungsträger für einen Neuanfang.
Für viele Frauen bedeutet er den ersten Schritt in eine Zukunft, in der sie lernen, für sich selbst einzustehen. Sunny freut sich jedes Mal aufs Neue auf seinen Einsatz: "Wenn ich mit ihm auf den Parkplatz der JVA fahre, dann freut er sich richtig", sagt Brändlin. "Er ist wohl der Einzige, der gerne in den Knast geht." Vielleicht weil er spürt, dass er hier etwas bewirken kann.
Wer das Projekt unterstützen möchte: Spenden an den Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) München: Liga Bank, DE 70 7509 0300 0002 2335 50, Spendenzweck: SkF München