Verzweiflungstat: Lebensmüder Rollstuhlfahrer steckt Wohnung in Brand
MÜNCHEN - Nach dem Tod seiner Freundin verelendete ein 68-Jähriger Rollstuhlfahrer, robbte durch seine nicht behindertengerechte Wohnung. Aus Verzweiflung legte der 68-Jährige ein Feuer - und riskierte damit auch das Leben seiner Nachbarn. Wie das Gericht die Tat wertete.
Er hat das Leben von vier Nachbarn mit seiner Tat riskiert, aber scheint selber mehr Opfer als Täter: Karl F. (68, Name geändert) hat am 9. Januar 2008 in seiner Obersendlinger Wohnung den Gashahn geöffnet und das Gas angezündet.
Doch statt wie erhofft, mit einer Explosion aus dem Leben zu scheiden, kam es nur zu einem Brand, der noch dazu schnell entdeckt und gelöscht werden konnte. Schrank, Wände und Parkett wurden beschädigt (5000 Euro Schaden). Das Landgericht ließ Milde walten, verurteilte den Rollstuhlfahrer wegen schwerer Brandstiftung lediglich zu einem Jahr und zehn Monaten Haft, die auf Bewährung ausgesetzt wurden.
Seit einem Schlaganfall ist Karl F. an den Rollstuhl gefesselt. Als im Jahre 2006 seine Freundin an Krebs starb, lebte er alleine. Ein Pflegedienst übernahm die Aufgaben der Verstorbenen.
Er robbte auf dem Rücken liegend von Zimmer zu Zimmer
Doch hinter der Wohnungstür in Obersendling wuchsen Elend und Verzweiflung. Seit 1973 lebte Karl F. in der Boschetsrieder Straße, wollte nicht weg. Aber die Wohnung war nicht behindertengerecht. Mit dem Rollstuhl schaffte er es nicht über die Türschwellen. Stattdessen robbte er auf Knien oder auf dem Rücken liegend von Zimmer zu Zimmer. Man fand bei ihm Jacken mit völlig abgewetzten Ärmeln.
Am 22. Dezember 2007 bestellte er den Pflegedienst ab, als dennoch Pfleger vor seiner Tür auftauchten, wies er sie ab und erklärte, dass er allein klarkommen würde. Am 9. Januar entschloss er sich dann zur Verzweiflungstat.
Anwalt Bernhard Beer: „Ich habe Bauchschmerzen, ihn überhaupt als Straftäter zu bezeichnen.“ So weit wollten Staatsanwalt und Strafkammer nicht gehen, zeigten sich trotz des Gefahrenpotenzials des Brandes aber gnädig.
Richterin Rosi Datzmann betonte, dass der Mann schon durch den Gang des Verfahrens genug gestraft wurde. Karl F. war wegen widersprüchlicher Gutachten und einer Ansteckung mit einem Krankenhauskeim zwischen dem Bezirkskrankenhaus Haar und Stadelheim hin und her geschoben worden.
Der Gutachter sah gestern nicht mehr, dass von Karl F. noch eine Gefahr ausgehe. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war damit vom Tisch. Karl F. lebt inzwischen in einem Seniorenheim.
John Schneider
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