Versicherung muss blechen

Schreiner verletzt sich beim Transport einer Waschmaschine und erkämpft 600000 Euro. Aber: Seine Ehe ist geschieden und seinen Beruf kann er nie wieder ausüben.
MÜNCHEN Vier Jahre hat er gekämpft. Vier lange Jahre. Jetzt hat er gesiegt: Die Versicherung zahlt endlich, der niederbayerische Schreiner Felix Torf (43, Name geändert), der 2006 bei einem Unfall schwer verletzt wurde, ist um 625000 Euro reicher.
Alles beginnt am 11. März 2006. Ein Samstag. Mit einem Spezl will Felix Torf eine Waschmaschine eine Treppe runtertragen. „Ich bin rückwärts gegangen.“ Einen Moment lang hatte Felix Torf das ganze Gewicht auf der Brust. Mit 1,84 Meter und 84 Kilo ist er ein gstandener Kerl. Aber die große Anstrengung überfordert seinen Körper. „Es hat mir das Gehirnwasser zu den Ohren rausgedrückt.“
Das fand er erst später heraus. Zunächst schluckte er ein paar Aspirin. „Ich hatte ein Gefühl, als fehlte mir ein Teil des Kopfes.“ Trotzdem geht er erst am Montag zum Arzt. Seine HNO-Ärztin hat einen Verdacht, will aber nicht ganz mit der Sprache heraus. Sie schickt ihn zu den Spezialisten nach Großhadern.
„Barotrauma (Druckverletzung), unfallbedingt“, finden die heraus. Torf schickt die Unfallanzeige zur Versicherung, doch die reagiert zunächst nicht. Der lange Kampf beginnt. Die Versicherung behauptet, trotz Attest, dass das Trauma vielleicht gar nicht vom Unfall herrührt. Felix Torf, der von dem Münchner Versicherungsrechts- und Schmerzensgeld-Experten Lutz Libbertz vertreten wird, lehnt dann ein erstes Angebot über 200000 Euro der Versicherung ab.
Es folgen Gutachten und Gegengutachten. Torf recherchiert selbst im Internet, findet Interessenkonflikte bei Gutachtern, deren Klinik von der Versicherung finanziell unterstützt wird, und erreicht deren Absetzung.
Was ihn so siegessicher gemacht hat: Die Experten der Großhaderner Schwindel-Ambulanz haben ihn als klassischen Fall des Barotraumas bezeichnet, stärken ihm den Rücken. Als ein Gegengutachter die Argumente der Zweifler nach allen Regeln der Kunst auseinandernimmt, ist Torf auf der Siegesstraße.
Es ist am Ende ein Vergleich geworden, Torf hatte 800000 Euro verlangt. Für den „Schreiner aus Überzeugung“, der seinem Beruf wegen der Schwindelgefühle nie mehr nachgehen kann, dennoch ein großer Erfolg.
Den der Vater zweier Kinder allerdings körperlich teuer bezahlen musste. Die Ärzte haben sein rechtes Ohr quasi still gelegt. Jetzt kann sein Gehirn zumindest teilweise die Gleichgewichtsstörungen kompensieren. Zudem ist seine junge Ehe am Stress des langen Rechtsstreits zerbrochen. „Es gab keinen Tag, an dem ich nicht an das Verfahren dachte. Nächtelang hab ich vor dem Computer gesessen und recherchiert.“ 2009 wurde das Paar geschieden.
Was er nun mit dem vielen Geld anstellen will? „Einen BMW X6 hab ich mir schon gegönnt. Den Rest leg’ ich an.“ Das Geld muss ja ein Leben lang reichen.
John Schneider