Verkehrswende ohne Fußgänger? Ein Experte kommt nach München

Ein Fußgänger-Aktivist aus Wien spricht in München. In der AZ erklärt er, warum Zufußgehen gut ist, und was man für Fußgänger tun muss.
Myriam Siegert |
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Weniger Autos, mehr Radwege – geht es um die Verkehrswende, die auch in München ganz oben auf der Agenda der Stadtpolitik steht, ist meist von Radlern und Autofahrern die Rede. (Symbolbild)
Sven Hoppe/dpa Weniger Autos, mehr Radwege – geht es um die Verkehrswende, die auch in München ganz oben auf der Agenda der Stadtpolitik steht, ist meist von Radlern und Autofahrern die Rede. (Symbolbild)

München - Weniger Autos, mehr Radwege – geht es um die Verkehrswende, die auch in München ganz oben auf der Agenda der Stadtpolitik steht, ist meist von Radlern und Autofahrern die Rede. Wer bekommt wie viel Platz? Wo wird was umgestaltet und wie? Wer bei den Diskussionen um die Verteilung des in der Stadt meist raren Raumes weniger Beachtung findet, sind die Fußgänger.

Dabei würde eine fußgängerfreundliche Stadt viel bieten für die Bürger, denn sie bedeutet automatisch auch, dass lebenswerte Straßenräume entstehen und aus Plätzen gute Verweilorte werden, erklärt Dieter Schwab. Ganz nebenbei gebe es positive Auswirkung aufs Klima und freilich die Gesundheit.

"Walk space" in Österreich: Förderung des Zufußgehens

Schwab ist Ingenieur vor allem aber Vorsitzender von "Walk space", dem österreichischen Verein für Fußgänger, sowie Vorstandsmitglied der International Federation of Pedestrians und kennt sich aus in Sachen Förderung des Zufußgehens – auch im internationalen Vergleich.

In Österreich, so erklärt Schwab, der am Donnerstag in München auftritt, existiere seit 2015 ein Masterplan "Gehen" auf Bundesebene, durch den in den letzten Jahren viel passiert sei. Förderung des Zufußgehens, das bedeute nicht, dass ganze Viertel oder Städte zu Fußgängerzonen umgewandelt oder alles autofrei werden solle, betont Schwab. Vielmehr gehe es um eine andere Gewichtung der Verkehrsmittel. Etwa mithilfe baulicher Maßnahmen zur Umverteilung von Platz – sei es bei Neubaugebieten, oder auch in der bestehenden Infrastruktur.

Maßnahmen für Fußgänger in Zusammenarbeit mit den Bürgern

Letztere lasse sich oft mit kleinen kurz- und mittelfristig umsetzbaren Maßnahmen fußgängerfreundlicher machen, so Schwab. Etwa durch fußgängerfreundliche Ampelschaltungen, Umgestaltungen von Kreuzungen, Reduzierung von Stellplätzen oder Umwandlung von Längs- in Schrägparkplätze, die Verbreiterung von Gehwegen, Sitzbänke, mehr Grün.

Damit sei nicht gemeint, "jede unwirtliche Ecke umzugestalten", sagt Schwab. Man müsse Prioritäten setzen, "lieber zwei, drei Stellen, an denen es Sinn macht." Diese Stellen und auch die Art der Umgestaltung lassen sich idealerweise in Zusammenarbeit mit den Bürgern herausfinden. "Walk space" veranstaltet deshalb sogenannte Fußgängerchecks. Dabei werden Bürger und Geschäftsleute aus dem Quartier eingeladen, um gemeinsam die Ziele zu ermitteln.

Wissenschaftler sprechen sich für Verkehrswende aus

Shared-Space: Raum für Fußgänger, Autofahrer und Radler

Weit umfassendere Umbaumaßnahmen im öffentlichen Raum sind sogenannte Shared-Space-Lösungen, auch Begegnungszonen genannt.

Hierbei werden Straßenzüge zum gemeinsamen Raum für Fußgänger, Autofahrer und Radler, meist barrierefrei gestaltet, ohne Kanten und Stufen, oft mit Markierungen. Die Autos dürfen hier dann nur 20 oder 30 km/h schnell fahren. In den Details kann die Ausgestaltung aber sehr variieren.

Kann so etwas gutgehen? "Es gibt Studien, die zeigen, dass das sehr gut funktioniert", sagt Schwab. Auch viele internationale Beispiele aus teils weit größeren und verkehrsbelasteteren Städten als München zeigen dies. Die Exhibition Road in London, der Columbus Circle und Times Square in New York City, das Seineufer und der Boulevard Masséna in Paris, die Gran Via in Madrid und viele mehr.

Förderung des ÖPNV

Generell gilt, so Schwab, eine Förderung des Fußgängerverkehrs gehe einher mit einem guten öffentlichen Nahverkehr. "Da besteht eine Wechselwirkung." Der Radverkehr lasse sich bei den fußgängerfreundlichen Maßnahmen gut integrieren, für längere Distanzen werde aber der ÖPNV wichtig, "wenn man einen wirklichen Umstieg vom Auto erreichen will".

Auch zum Thema E-Scooter hat der Fußgänger-Experte eine klare Haltung: "Das wird die Hölle", sagt Schwab. "Wir sind strikt dagegen, dass die auf den Gehwegen fahren", dies sei in Österreich zur Zeit noch angedacht. "Dafür brauchen wir eine völlig neue Verkehrsflächenart, etwas zwischen Straße und Radweg."


Dieter Schwab hält am Donnerstag einen Vortrag über die Förderung des Zufußgehens mit anschließender Diskussion. Der Vortrag findet im Auditorium in Halle III des Verkehrszentrums statt, 18.30 bis 20 Uhr. Eintritt frei.

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