Verdi droht mit fünf Tagen Kita-Streik

Nach den Ferien wird es heiß. Stadt gibt das gesparte Geld den Einrichtungen
MÜNCHEN Der Tarifkampf im Sozial- und Erziehungsdienst spitzt sich zu. Die Gewerkschaft Verdi droht in München damit: „Sollte bis Mitte August keine Einigung vorliegen, werden die Einrichtungen direkt nach den Sommerschließungen wohl zu bleiben“, so Münchens Verdi-Chef Heinrich Birner: „Wir diskutieren sehr intensiv die Umstellung auf fünftägige Streiks.“
Dabei versucht Verdi, die Eltern gegen die Stadt aufzubringen: Denn die Stadt zahlt nach ihrer Gebührenordnung Essensgeld und Gebühren nur dann zurück, wenn Streiks fünf Tage am Stück dauern (in anderen Städten Bayerns gibt es überhaupt nichts zurück).
Stadt spart pro Streiktag 50 000 Euro
In einem Brief an die Elternbeirate für Kindergärten und Krippen schreibt Ude: Eine Rückzahlung für einzelne Tage würde einen „unverantwortbaren Verwaltungsaufwand“ für „Tausende Bagatellbeträge“ auslösen. Denn nicht alle Einrichtungen wurden gleich bestreikt. Das ging in den 450 Einrichtungen stundenweise, tageweise – oder manchmal gar nicht.
Auf der anderen Seite spart die Stadt mit jedem Streiktag rund 50 000 Euro – weil die Streikenden keinen Lohn bekommen und kein Essen gekocht wird. Deshalb hat Ude angeordnet: Das gesparte Personalgeld wird ausschließlich für Kindertagesstätten verwendet. Das Essensgeld bleibt bei den Einrichtungen.
„Ich in seit 40 Jahren Verdi-Mitglied und zahle einen horrenden Beitrag“, hebt OB Ude an: „Da ärgert es mich, wie unkorrekt Verdi vorgeht.“ Der Gesundheitsaspekt sei bei diesem Streik nur „vorgeschoben“: „In Wirklichkeit geht es um mehr Geld.“ Aber da müsse Verdi die Friedenspflicht wahren: Denn der Gehaltstarifvertrag sei noch gültig, da dürfe nicht gestreikt werden. Verdi habe 2008 den Tarifvertrag selbst unterschrieben und habe erst im Nachhinein gemerkt, was das finanziell bedeutet. Einige Kollegen sind schlechter gestellt. „Sie demonstrieren gegen ihre eigenen Taten. Ich habe den Vertrag nicht unterschrieben. Das war Verdi!“
Willi Bock
Das sagt die Gewerkschaft Verdi
"Bei Nichteinigung wird es 5-tägige Streiks geben - Moralischer Druck auf die Streikenden bewirkt das Gegenteil: Die Gewerkschaft ver.di in München hofft auf eine schnelle Tarifeinigung in den wieder aufgenommenen Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst. „Die kommunalen Arbeitgeber müssen endlich die Notwendigkeit einer Qualitätsverbesserung in der frühkindlichen Bildung erkennen“, erklärte Heinrich Birner, ver.di-Geschäftsführer in München. Dazu braucht es motivierte Kinderpflegerinnen, Erzieherinnen und Leitungskräfte, die unter guten Arbeitsbedingungen arbeiten können und eine ihrem Wert entsprechende Entlohnung erhalten. Für den Fall, dass die Arbeitgeber weiterhin bei der Gesundheitsförderung mauern und eine materielle Aufwertung der typischen Frauenberufe im Erziehungsdienst ablehnen, gehen die Streiks weiter. „Nach den beiden letzten Streiktagen steht für uns fest, dass die Streikenden nicht daran denken, klein bei zu geben.“ Ganz im Gegenteil, sollte bis Mitte August keine Einigung vorliegen, werden die Einrichtungen direkt nach den Sommerschließungen wohl zu bleiben. In diese Richtung läuft zumindest die aktuelle Diskussion unter den Streikenden. „Nachdem die Landeshauptstadt München für einzelne Streiktage die Erstattung von Gebühren und Essensgeldern auf dem Kulanzweg ablehnt, diskutieren wir sehr intensiv die Umstellung auf 5-tägige Streiks“, so Heinrich Birner. „Ansonsten sehen wir die Gefahr, dass die Arbeitgeber die Streiks aussitzen, weil sie ja mit jedem Streiktag Kosten sparen und daran verdienen.“ Von verschiedenen Seiten wird versucht auf die Streikenden moralischen Druck aufzubauen. Das offen ausgesprochene Ziel ist, dass die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst auf weitere Streiktage verzichten, bzw. sicherstellen, dass die Einrichtungen mit einer Minderbesetzung offen bleiben. Diese Versuche, die direkt auf das Berufsethos der Beschäftigten zielen, bewirken gerade das Gegenteil. „‘Jetzt erst recht‘, ist ein Satz den ich an den beiden letzten Streiktagen sehr oft gehört habe“, so Heinrich Birner. Kinderpflegerinnen, Erzieherinnen und Leitungskräfte sind normale Arbeitnehmer wie alle anderen auch. Sie haben einen Arbeitsvertrag mit ihrem jeweiligen Arbeitgeber, nicht mit den Eltern. Das Arbeitsrecht gilt für sie wie für jeden anderen Arbeitnehmer. Dazu gehört auch das Grundrecht auf Streik. Es gibt überhaupt keinen Grund, aus moralischen Gründen auf dieses Streikrecht zu verzichten. Eltern haben einen Vertrag mit dem Träger der Kinderbetreuungseinrichtung. Wenn an einem Streiktag der Einrichtungsträger seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber den Eltern nicht nachkommt, dann ist das nicht das Problem der Beschäftigen. Der kommunale Träger könnte für Streiktage ja auch Vorsorge treffen und Kooperationen mit kirchlichen oder freien Trägern vereinbaren, die dann gegen Entgelt einspringen. (Heinrich Birner, Geschäftsführer)
So will die Stadt die Gebühren regeln
Die offizielle Mitteilung der Sradt in der Rathaus-Umschau: "Tarifkonflikt im Erziehungsdienst: Die Stadt will nicht vom Arbeitskampf profitieren. Der Streik an den Kindertagesstätten hat auch zur Folge, dass die Eltern und ihre Kinder an den Streiktagen für ihre Gebühren und das Essensgeld keine Gegenleistung erhalten. Die Vorsitzenden des gemeinsamen Kindergartenbeirats und des gemeinsamen Elternbeirats der städtischen Kinderkrippen, Ferdinand Bell und Ellen Kruse, haben deshalb in Briefen an den Oberbürgermeister um Kulanzregelungen gebeten. In seiner heutigen Antwort teilt Oberbürgermeister Christian Ude mit: „Für Ihre Erwartung habe ich durchaus Verständnis. Eine Rückzahlung von Kindertagesstättengebühren würde aber einen unverantwortbaren Verwaltungsaufwand auslösen, da zunächst festgestellt werden müsste, welche Einrichtungen an wie viel Tagen bestreikt wurden und welche Kinder in anderen Einrichtungen untergebracht waren. Nach dieser Recherche wären dann Tausende Rückzahlungen von Bagatellbeträgen erforderlich. Deshalb sieht die Münchner Gebührenordnung sogar ausdrücklich vor, dass bei weniger als fünf Streiktagen in Folge kein Erstattungsanspruch besteht. Beim Bayerischen Städtetag in den vergangenen Tagen in Mühldorf habe ich mich vergewissert, dass keine Stadt in Bayern Rückzahlungen leistet. Dies geschieht nicht einmal dort, wo keine Fünf-Tages-Grenze durch die Gebührenordnung festgelegt ist. Ich muss Sie deshalb um Verständnis bitten, dass eine Erstattung aus Rechtsgründen und aus Gründen wirtschaftlichen Verwaltungshandelns nicht in Betracht kommt. Ihren beiden Alternativforderungen kann aber entsprochen werden. Nach Rücksprache mit der für den Bildungs- und Sozialbereich zuständigen Bürgermeisterin Christine Strobl, die Sie auch schon auf dieses Thema angesprochen hatten, und mit Stadtkämmerer Dr. Ernst Wolowicz habe ich angeordnet, dass die an Streiktagen eingesparten Ausgaben für Personal zweckgebunden für die Kindertagesstätten in München zu verwenden sind. Außerdem soll das für die Streiktage bezahlte Essensgeld den betroffenen Einrichtungen verbleiben und in den Folgemonaten für die Essensplanung verwendet werden. Die Landeshauptstadt München macht damit deutlich, dass sie aus dem Arbeitskampf, der zu unserem Bedauern die Familien vor schwierige Betreuungsfragen stellt, keinen Vorteil ziehen möchte. Außerdem wird gewährleistet, dass das Essensgeld tatsächlich dem vereinbarten Zweck zugute kommt.”