Urteil am Amtsgericht: Vorstellung abgesagt? Gutschein!

Ein Unternehmer will den Kaufpreis für eine entfallene Veranstaltung erstattet bekommen. Doch das Amtsgericht sagt: Darauf gibt es kein Anrecht.
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Wenn der Vorhang zubleibt, muss ein Ticketkäufer auch einen Gutschein akzeptieren - entscheidet ein Münchner Gericht.
Wenn der Vorhang zubleibt, muss ein Ticketkäufer auch einen Gutschein akzeptieren - entscheidet ein Münchner Gericht.

München - Erinnern Sie sich noch? Damals, an Zeiten, in denen man sich Tickets für Theatervorstellungen, große Opern oder lauschige Konzerte kaufte, sich wochenlang darauf (vor)freute und dann, meistens zumindest, einen schönen Abend fernab des heimischen Sofas verbrachte?

Zugegeben, ein bisserl fällt es schwer, sich im Jahr zwei der Pandemie an diese unbeschwerten Zeiten zu erinnern. Zumindest ohne schwermütig zu werden.

Juristisch aber wirken diese prä-pandemischen Zeiten immer noch nach. Denn jüngst hat das Amtsgericht ein Urteil über eine entfallene Veranstaltung aus der Frühzeit der globalen Seuche gefällt.

Gericht: Gutschein statt Kaufpreiserstattung ist rechtens

Ein Unternehmer aus Bayreuth wollte sich von einem Münchner Theater- und Gastronomieveranstalter den Kaufpreis für zwei Tickets in Höhe von 205,80 Euro erstatten lassen. Er klagte.

Der fränkische Unternehmer hatte sich die Ansprüche einer Frau abtreten lassen, die am 31. Dezember 2019, also zu Zeiten, als Corona noch weit weg in Asien schien, die Tickets erworben hatte. Die Veranstaltung hätte am 31. März 2020 stattfinden sollen.

Doch dann kam Corona am 19. Januar auch nach Bayern, zunächst zu Webasto bei München und wenig später auch in die Kliniken der Stadt. Am 16. März sagte die Bayerische Staatsregierung alle Veranstaltungen im Freistaat bis zunächst 20. April ab.

Betroffen davon war freilich auch die von der Frau gebuchte Veranstaltung. Am 23. März informierte der Veranstalter die Kundin darüber, dass die Veranstaltung verlegt worden sei. Die Kundin könne alternativ aber ihr Ticket auch in einen Gutschein umwandeln lassen.

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Insolvenzen sollen verhindert werden

Noch am selben Tag mailte die Kulturliebhaberin zurück: Sie wolle vom Vertrag zurücktreten und den gezahlten Preis bis zum 9. April zurückerstattet bekommen. Das tat der Veranstalter nicht, sondern erstellte einen Gutschein.

Ebendiesen übersandte die gescheiterte Konzertbesucherin am 19. Mai an den jetzigen Kläger.

Der Unternehmer aus Bayreuth pochte weiterhin auf die Rückzahlung des vollen Ticketpreises. Seine Klage begründete er damit, dass ihm eine Rückzahlung gesetzlich zustehe, da es für den Veranstalter unmöglich sei, die Leistung zu erbringen.

Das Amtsgericht sah es hingegen als rechtens an, dass der Veranstalter einen Gutschein ausgestellt und nicht den Kaufpreis erstattet hatte. "Insolvenzen von Veranstaltern sollen verhindert oder wenigstens verzögert werden. Die negativen Folgen der Pandemie sollen auf möglichst viele verteilt werden", so das Gericht in seiner Begründung.

Bargeld-Rückerstattung nur in Härtefällen

Zudem handelte es sich bei Kunden, die Tickets für Kulturveranstaltungen erwerben "eher um finanziell leistungsstarke Personen". Für den Fall, "dass doch ein finanziell schwacher Kunde betroffen ist", gebe es eine Härtefallklausel.

Der Bundestag hatte im Mai vergangenen Jahres beschlossen, dass Kultur- und Sportveranstaltungen, die wegen Coronabeschränkungen nicht stattfinden können, nicht zurückerstattet werden müssen. Stattdessen können Veranstalter Gutscheine ausgeben (AZ berichtete). Diese Regel galt nur für Tickets, die vor dem 8. März 2020 gekauft worden sind. Für später gekaufte Tickets nicht.

Verbraucher, für die diese sogenannte Gutscheinlösung greift, sollen eine Auszahlung verlangen können, wenn ein Gutschein wegen ihrer persönlichen Lebensverhältnisse unzumutbar ist - oder sie den Gutschein bis zum 31. Dezember 2021 nicht einlösen.

Mal sehen, wann Kulturliebhaber heuer überhaupt die Möglichkeit haben werden, ihre Gutscheine in lauschige Konzerte, berührende Opernabende oder erhellende Theatergenüsse einzutauschen - in Bargeld geht jedenfalls nicht, wie wir nun dank des Münchner Gerichts wissen.

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  • mangeder am 12.04.2021 04:08 Uhr / Bewertung:

    Werden denn die Kunden auch am Gewinn dieser Firmen beteiligt, wenn das Geschäft wieder brummt? Nein, natürlich nicht! Also wieso sollten Privatleute das *unternehmerische* Risiko von Firmen mittragen? Und würde umgekehrt eine Firma einer unverschuldet in die Insolvenz gerutschten Privatperson helfen? Nie und nimmer.

    Dazu kommt: Falls die Firma tatsächlich pleite geht, verliert der Kunde den kompletten Einsatz - aber natürlich wird er nur am Risiko beteiligt, nie an den Gewinnchancen. Die darf der Unternehmer später zu 100% selber einstreichen, nachdem zuvor sein unternehmerisches Risiko mit den Kunden geteilt wurde.

    Im Artikel fehlt übrigens, welches Gericht es war, ob das Urteil rechtskräftig ist und ob Revision zugelassen wurde. Ich würde das sofort anfechten, den die Begründung des Gerichts ist zutiefst unlogisch und ungerecht.

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