Unterwegs mit der Narrhalla: So läuft ein Tag bei einem Faschingsverein in München ab

Im Moment hat die Narrhalla bis zu fünf Auftritte am Tag. Die AZ hat die Faschingsgesellschaft in München einen Tag lang begleitet.
von  Julia Wohlgeschaffen
Das Faschingsprinzenpaar der Narrhalla: Prinz Frederik I. und Prinzessin Katharina I. Hier stehen sie im Bus, der die ganze Faschingstruppe von Termin zu Termin fährt – und in dem es lustig hergeht.
Das Faschingsprinzenpaar der Narrhalla: Prinz Frederik I. und Prinzessin Katharina I. Hier stehen sie im Bus, der die ganze Faschingstruppe von Termin zu Termin fährt – und in dem es lustig hergeht. © Bernd Wackerbauer

München - Sie haben ungefähr 30 Sekunden. Sobald das Publikum sie nicht mehr sehen kann und sie hinter der Bühne verschwunden sind, beginnt der Wettlauf mit der Zeit: Die Garde-Tänzerinnen rennen los zu ihrer "Garderobe" und springen noch im Laufen aus ihren Kleidern.

Die "Garderobe" ist oft ein Flur hinter der Bühne.
Die "Garderobe" ist oft ein Flur hinter der Bühne. © Bernd Wackerbauer

Schnell schnappen sie sich das nächste ihrer sechs Kostüme und streifen es sich so schnell es geht über. Der letzte Reißverschluss schließt ungefähr zwei Sekunden vor dem nächsten Auftritt. Dann stolzieren sie wieder souverän auf das Tanzparkett und lassen sich von dem halbminütigen Irrsinnsstress nichts mehr anmerken.

Die Tänzerinnen und Tänzer der Narrhalla mit ihren aufwendigen Kostümen: Allein für den Kopfschmuck brauchen sie eine eigene Kiste.
Die Tänzerinnen und Tänzer der Narrhalla mit ihren aufwendigen Kostümen: Allein für den Kopfschmuck brauchen sie eine eigene Kiste. © Wackerbauer

Diese Szene wird sich im Laufe des Tages ungefähr 30 Mal abspielen: An diesem Samstag tritt die Münchner Faschingsgesellschaft Narrhalla bei fünf verschiedenen Veranstaltungen auf, etwa im Seniorenheim und im Kinderhospiz.

Die Tänzer zeigen Szenen aus der Fernsehserie Monaco Franze, dem Tatort oder etwa der "Merci"-Werbung 

Unter dem Motto "Zapped" schaltet sich das Faschingsprinzenpaar Frederik I. und Katharina I. mit einer überdimensionalen Fernbedienung durch die deutsche Fernsehgeschichte und bekommt dabei vertanzte Szenen aus der Fernsehserie Monaco Franze, dem Tatort oder etwa der "Merci"-Werbung zu sehen. Und weil Frederik und Katharina so schnell hin und her zappen, folgt ein Tanz schlagartig auf den nächsten. Eine unterhaltsame Show für die Zuschauer, aber der Blick hinter die Kulissen verrät: auch ein großer Aufwand für die Narrhalla.

Manchmal hat die Faschingsgruppe auch Zeit, die Shows anderer Vereine anzuschauen.
Manchmal hat die Faschingsgruppe auch Zeit, die Shows anderer Vereine anzuschauen. © Bernd Wackerbauer

"Wir haben 38 Kleidersäcke, in jedem sind zwei bis vier Kostüme", erklärt Matthias Niederlechner. Er ist einer der Trainer und hat mit der Garde das Programm einstudiert. Weil so wenig Zeit zum Umziehen bleibt, funktioniert die Truppe den Flur neben dem Aufführungssaal zur Garderobe um.

Jeder Tänzer sucht sich ein Plätzchen, am Boden reihen sich die Kleiderhaufen aneinander. Dazwischen lehnen überall Requisiten griffbereit: Schirme, Fahnen, Hüte, Perücken und Luftmatratzen. "Da ist immer die Aufregung, ob wir alles dabei haben", sagt Matthias Stolz aus dem Präsidium der Narrhalla, als er auf den Flur blickt, auf dem sich die Truppe ausgebreitet hat.

Die Truppe aus München hat oft keine Zeit zu verlieren, wenn sie von Auftritt zu Auftritt fahren

Als der Auftritt vorbei ist, packen sie ihre Siebensachen zügig zusammen, um pünktlich bei der nächsten Veranstaltung zu sein. All die Kisten mit den Kostümen und den Requisiten werden dann in Windeseile in einen weißen VW-Bus gestapelt – nur die Luftmatratzen, die die Gruppe für ihre Show braucht, passen da nicht mehr rein. Die immer aufzupumpen und dann die Luft wieder rauszulassen? Das ist zeitlich nicht drin. Deshalb kommen die in den großen Bus, mit dem auch die Narrhalla-Truppe mitfährt – dem "Münchener Fasching Mobil".

Das Faschingsprinzenpaar der Narrhalla: Prinz Frederik I. und Prinzessin Katharina I. Hier stehen sie im Bus, der die ganze Faschingstruppe von Termin zu Termin fährt – und in dem es lustig hergeht.
Das Faschingsprinzenpaar der Narrhalla: Prinz Frederik I. und Prinzessin Katharina I. Hier stehen sie im Bus, der die ganze Faschingstruppe von Termin zu Termin fährt – und in dem es lustig hergeht. © Bernd Wackerbauer

"Stopp!", rufen einige Tänzer plötzlich, als der Busfahrer gerade vom Seniorenheim losfährt, wo die Narrhalla gerade aufgetreten ist. Obwohl sie sich genau vergewissert haben, dass alles dabei ist, haben sie doch übersehen: Janina Homann aus dem Narrhalla-Präsidium stand noch am Seniorenheim und läuft dem Bus jetzt winkend hinterher. Der Busfahrer tritt auf die Bremse und öffnet ihr noch mal die Türen, beim Einsteigen muss sie lachen - wie der Rest der Mannschaft.

"Die Bus-Tage sind die schönsten", versichert sie. Weil die Stimmung im Bus ausgelassen ist. Das beweisen die Narren der Faschingsgesellschaft, als sie kurze Zeit später die Musikbox, die von der Deckenhalterung baumelt, einschalten und lautstark die Partyhits mitsingen, die aus der Box dröhnen. An Tagen mit vielen Auftritten fährt der Bus die Truppe durch die ganze Stadt. Freilich haben sie nicht nur Kostüme, sondern auch Krapfen, Brezn, Bier und Prosecco im Gepäck.

Die Tänzer des "Fahnenregiments" im Bus – und im Hintergrund die Luftmatratzen, die sie für ihre Show brauchen.
Die Tänzer des "Fahnenregiments" im Bus – und im Hintergrund die Luftmatratzen, die sie für ihre Show brauchen. © Bernd Wackerbauer

Eine Fahrt im "Partybus" nennen das manche von ihnen. Lustig ist das aber nicht nur für alle, die drin sitzen – sondern auch für viele Passanten draußen auf den Gehwegen, an denen die Faschingskolonne aus Prinzenwagen, Bus und Kostüm-Transporter vorbeifährt, ist die winkende Narrhalla-Truppe eine schöne Überraschung. Vor allem die Kleinen freuen sich über die Prinzessin in ihrem glitzernden Kleid hinter der Fensterscheibe und winken ihr fasziniert zurück.

Wenn Zeit bleibt, kehrt der Faschingsverein aus München in den Partykeller des Vizepräsidenten ein

Ein weiterer Höhepunkt der Gaudi-Fahrt: ein kurzer Halt im Partykeller. Weil heute zwischen zwei Auftritten am Nachmittag genug Zeit bleibt, fährt der Bus auf das Gelände von Vizepräsident Werner Trollmann in Sendling.

Im Partykeller des Vizepräsidenten in Sendling kann die Truppe eine kurze Verschnaufpause machen.
Im Partykeller des Vizepräsidenten in Sendling kann die Truppe eine kurze Verschnaufpause machen. © Bernd Wackerbauer

In seinem Keller kann die Truppe eine Verschnaufpause machen, mit Pizza und Krapfen. Hier befindet sich auch das Lager der Narrhalla mit allen möglichen Requisiten. An der Wand im Partykeller hängen unzählige Orden aus den vergangenen Faschingssaisons. Lange kann die Truppe aber nicht bleiben, der nächste Auftritt steht an. In dieser Saison hat sie rund 40 Termine, das Prinzenpaar sogar um die 200.

Das ist freilich anstrengend und es steckt ein großer Aufwand dahinter – den die Narrhalla gerne auf sich nimmt. "Wir wollen den Fasching auch zu denen bringen, die sonst nicht dabei sein können", erklärt Prinzessin Katharina kurz vor der Weiterfahrt. Etwa für manche Bewohner im Seniorenheim sei der Besuch der Faschingsgesellschaft ein Höhepunkt des Jahres. Dann steigt sie zum Rest der Truppe in den Bus, der singend zum nächsten Termin fährt. Dort wird der Kleiderwechsel-Stress wieder von vorne losgehen – doch das nehmen die Tänzer für die strahlenden Augen im Publikum gerne in Kauf.

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