Ungehobener Schatz: So können in München Wohnungen für bis zu 24.000 Menschen entstehen
Mit dem Auto auf den großen Parkplatz direkt vor den Supermarkt rollen. Den Kofferraum voll schichten, dann wieder schnell nach Hause, wo man nichts sieht von den einstöckigen Märkten, den großen Asphaltflächen. Heute gilt das als Platzverschwendung. In den 60er Jahren war es modern.
Genau darum kaufte der Geschäftsmann Anton Ditt damals ein 215 Hektar großes Gelände im Münchner Norden. Die Fläche ist größer als fünf Theresienwiesen. Er wollte dort einen Gewerbepark nach amerikanischem Vorbild entwickeln. Heute kennen die Münchner das Gelände als Euro-Industriepark.
Das Münchner Rathaus hat schon länger den Plan, aus diesen Flächen ein Quartier zu machen, in dem Menschen nicht nur einkaufen, sondern auch wohnen sollen. Für einen Teil der Fläche, wo heute die Metro steht, wird das jetzt konkret. Planungsreferentin Elisabeth Merk (parteilos) schlägt dem Stadtrat vor, in der nächsten Ausschusssitzung Anfang Juni den Flächennutzungsplan zu ändern, damit dort 700 bis 1000 Wohnungen gebaut werden können.
"Wir wollen keine reinen Gewerbegebiete mehr"
Die SPDlerin Simone Burger begrüßt das: "Wir wollen keine reinen Büro- oder Gewerbegebiete mehr." Aus dem Euro-Industriepark soll ein sogenanntes "urbanes Gebiet" werden – also ein Quartier mit Wohnungen, aber auch Arbeitsplätzen – und zwar, wie Burger sagt, nicht nur mit teuren Büros. Platz für Handwerker und Händler soll bleiben. Denn auch die erleben laut der SPDlerin gerade, was Gentrifizierung bedeutet.
Um Ideen zu bekommen, wie so ein Quartier aussehen könnte, haben die Stadt und die Firma HWB 39, der das Metro-Grundstück gehört, einen Architekturwettbewerb durchgeführt. Beteiligen konnten sich Architekten aus ganz Europa. Ein deutsch-spanisches Team erhielt damals den ersten Platz – mit ihrem Entwurf "METROpolis". Schon vor über einem Jahr wurde er prämiert. Danach haben Architekten, Stadt und Eigentümer weiter daran gearbeitet. Jetzt bildet er die Grundlage für den Bebauungsplan.
Aus der Beschlussvorlage geht hervor, dass an der Maria-Probst-Straße ein dichtes Quartier mit 700 bis 1000 Wohnungen entstehen soll. Der Wohnanteil würde damit auf dem Gebiet bei 70 Prozent liegen. Aber auch Einzelhandel, Gastro, Manufakturen, Handwerksbetriebe soll es dort geben.

Vorgesehen ist in dem Entwurf ein zentraler Platz mit Freiluftbühne und Marktständen. Auch mehrere, bis zu 70 Meter hohe Gebäude, sogenannte Hochpunkte, sind geplant. Noch sind die Pläne relativ grob. Bis wirklich gebaut wird, können nach den Einschätzungen von Simone Burger noch bestimmt fünf, sechs Jahre vergehen.
Ihr ist aber wichtig: Das Rathaus macht sich auf den Weg, solche Gebiete mit großen Fachmärkten und riesigen Parkplätzen zu überplanen und neu zu strukturieren. Zum Beispiel gibt es Ideen, die Wasserburger Landstraße umzugestalten. Auch für das Gewerbeband am Frankfurter Ring existieren Pläne, dort Wohnungen zu bauen.

Burger hofft, dass es der Stadt gelingt, auch leerstehende Büros zu Wohnungen umzuwandeln. Vor Kurzem hat sie dazu einen Antrag gestellt. Denn: Laut einer Studie des Ifo-Instituts stehen in München fast acht Prozent der Büroflächen leer, vor allem außerhalb des Mittleren Rings. Würden die Büros umgewandelt, könnten dort 14.000 Wohnungen für 24.000 Menschen entstehen, rechnete das Ifo-Institut aus.
Auch günstige Wohnungen sollen entstehen
So eine Umwandlung ist jedoch anspruchsvoll, weiß Burger. Es bräuchte zum Beispiel aus ihrer Sicht dringend neue Lärmschutzregeln. Außerdem müsse die Stadt darauf achten, dass aus den Büroflächen am Ende nicht nur teure Lofts werden – wie im Olympia Tower im Olympiapark. Dort war zuerst die Zentrale des IOC, dann ein IT-Standort von BMW und heute kann man dort Apartments mit Concierge-Service mieten. Für 33 Quadratmeter zahlt man dort 1245 Euro warm.
Auf dem Metro-Gelände dürften hingegen auf jeden Fall auch günstige Wohnungen entstehen. Der Eigentümer muss sich dort nämlich an die Regeln für eine "Sozialgerechte Bodennutzung" halten – und um die 60 Prozent geförderte und preisgedämpfte Wohnungen schaffen.
In Erding soll ein "urbanes Dorf" entstehen
Nicht nur in München werden Gewerbegebiete umgestaltet. Der Erdinger Immobilienentwickler Jürgen Freiwald will aus seinem Gewerbegebiet ein Quartier mit Wohnungen, Arbeitsplätzen und Einkaufsmöglichkeiten machen, ein "urbanes Dorf", wie er es ausdrückt. Das Projekt ist ähnlich wie der Euro-Industriepark, nur ein paar Nummern kleiner.
"Ich wollte keinen Neubau auf der grünen Wiese, sondern das bestehende Gewerbegebiet mit Einkaufsmärkten sinnvoll weiterentwickeln", sagt Freiwald. Sein Grundstück liegt nah an der S-Bahnstation Erding-Aufhausen. Leerstand gebe es dort keinen, zu den Mietern zählen zum Beispiel ein Fitnessstudio, Kik und Woolworth.

Ein Großteil der Gebäude stamme aus den 60er Jahren, ist nur ein Stockwerk hoch, auch große Parkplätze gibt es dort. Schon seit vielen Jahren stehe er mit der Stadt Erding in Kontakt, wie er das Gebiet umgestalten könnte, sagt Freiwald. Vor Kurzem hat der Stadtrat den Aufstellungsbeschluss getroffen. Auf 70 Prozent der Flächen werden nun zirka 180 neue Wohnungen entstehen.
Architekt Tobias Golz vom Büro Drees & Sommer hat den Investor bei seinen Plänen unterstützt. Er ist überzeugt, dass es rund um München noch viele Gewerbegebiete gibt, die sich umwandeln lassen: etwa Heimstetten, Grafing, Eching, wo überall auch die S-Bahn hält – und wo heute vor allem viele Fachmärkte stehen.