Wie im Dschungel: Was aus der alten Wirecard-Zentrale bei München wird

In Aschheim bei München entsteht ein Bürobau, in dem Tausende Pflanzen für Amazonas-Flair sorgen sollen. Zehntausende Käfer dürfen auch einziehen.
von  Nina Job
Aus Wirecard ist "Heads" geworden: Blick auf den Haupteingang, wenn alles fertig bepflanzt ist.
Aus Wirecard ist "Heads" geworden: Blick auf den Haupteingang, wenn alles fertig bepflanzt ist. © Beyond Visual Arts, Rock Capital Group

München - Die kleine Gemeinde Aschheim (8526 Einwohner) ist umgeben von Wiesen und Äckern. Weltberühmt geworden ist sie durch Wirecard. Das Unternehmen, das mit Online-Porno-Geschäften begann und zu einem gigantischen Finanzdienstleister wurde, hatte sich 1999 im Ortsteil Dornach niedergelassen.

2020 kam der große Knall: Wirecard ging insolvent, 1,9 Milliarden waren verschwunden, ein Vorstand tauchte unter, der andere Boss steht nun wegen Milliardenbetrugs vor Gericht.

"Die Natur nach innen bringen": Das wird aus der Wirecard-Firmenzentrale bei München

Für Aschheim bedeutete das Wirecard-Aus das Versiegen sprudelnder Gewerbeeinnahmen. Und auch für den Immobilienentwickler und Vermieter Rock Capital Group war es ein Schlag: Er hatte nämlich schon damit begonnen, für Wirecard eine neue Firmenzentrale zu bauen. Und die sollte riesig werden: 42.000 Quadratmeter Bürofläche, nüchternes Ambiente, alles in schwarz-weiß. Die Gemeinde erweiterte das Baurecht, das Gebäude am Einsteinring 30 wurde aufwendig umgebaut und vergrößert.

Als Wirecard verschwand, verlor der Bauherr von einem Tag auf den anderen seinen Großmieter. "Wir mussten uns etwas einfallen lassen", sagt Claudia Zoric, Assetmanagerin bei Rock Capital. Andere Groß-Firmen nach Aschheim zu locken, sei nicht so einfach. "Die meisten ziehen lieber in die Stadt." Also musste es etwas Besonderes sein. "Da Aschheim so grün ist, wollten wir die Natur nach innen bringen." Nun wird aus einer Idee Wirklichkeit.

"Wir wollen die Natur nach innen holen", Claudia Zoric von Rock Capital.
"Wir wollen die Natur nach innen holen", Claudia Zoric von Rock Capital. © Martha Schlüter

Rund 1000 Pflanzen sorgen für einen Dschungel-Effekt

Allein in den Gemeinschaftsflächen sollen künftig rund 1000 Pflanzen sprießen: von bunten Tropenpflanzen, die viel Licht brauchen, bis zu pflegeleichten Gewächsen. 300 bis zu zehn Meter große Kletterpflanzen werden für einen Dschungel-Effekt sorgen. Dazu kommen begrünte Innenwände oder ein von einer Bambushecke umgebener Sitzbereich.

In zwei Innenhöfen wachsen bald hohe Bäume und natürlich soll es auch auf den Dachflächen und insgesamt 16 Terrassen blühen. Die Terrassen können künftig auch für Firmenfeiern genutzt werden.

Hier werden Büroangestellte künftig im Grünen sitzen. Bänke und Pflanztröge sind schon da.
Hier werden Büroangestellte künftig im Grünen sitzen. Bänke und Pflanztröge sind schon da. © Martha Schlüter

Aus dem schwarz-weiß geplanten Wirecard-Bau wird ein grünes Bürohaus für mehrere Firmen. "Wir bieten unseren Mietern eine fancy Umgebung", sagt Claudia Zoric.

Die Pflanzen im künftigen Dschungel-Büro sollen nicht nur schön ausschauen, sondern auch Stress reduzieren und die Luft filtern. Rock Capital bezeichnet das "Heads" auch als "Immune-Office": Mit zusätzlichen Licht-Filter-Geräten werden Viren, Keime und Bakterien getötet - "zu 99,8 Prozent", so Soric. Auch Pollen werden herausgefiltert.

Luftfilter, Luftsterilisatoren und Pflanzen sind fürs gesunde Raumklima zuständig.
Luftfilter, Luftsterilisatoren und Pflanzen sind fürs gesunde Raumklima zuständig. © Beyond Visual Arts, Rock Capital Group

Wie in den Fünf Höfen: Rock Capital setzt auf Pflanzen aus Holland

Noch stehen die meisten Pflanzen in Gewächshäusern in Holland. Doch sobald die letzten staubigen Bauarbeiten beendet sind, wird Hans Kammeijer mit seinem Team anrücken. Der gebürtige Holländer lebt seit seinem 20. Lebensjahr in München, 1999 gründete er in Giesing einen Pflanzenhandel.

Er hat sich mit seinem Partner und der gemeinsamen Firma "Planter's Punch" auf Innenbegrünung und Pflanzenverleih spezialisiert. Von Kammeijer stammen auch die hängenden Gärten in den Fünf Höfen.

Kein Gift im "Heads": Nützlinge sollen gegen Schädlinge helfen

Mindestens so wichtig wie die Pflanzung und eine gute Bewässerung wird künftig die Pflege sein. Dabei hat Kammeijer Hilfe: Jeden Monat wird er zwei bis drei Schuhkartons mit Nützlingen im "Heads" aussetzen: vor allem Marienkäfer, Florfliegen und Schlupfwespen. Sie dürfen die Schädlinge fressen. Gift, so Kammeijer, verwendet er so gut wie nie.

Die Bäume für außen werden in diesen Tagen gepflanzt.
Die Bäume für außen werden in diesen Tagen gepflanzt. © Martha Schlüter

Blattläuse, Spinnmilben, Dickmaulrüssler: Wenn sie auf einer Pflanze sitzen, breitet sich der Befall meist schnell auf andere aus. Dann ist's schnell vorbei mit der Pracht. Innenbegrünungs-Experte Hans Kammeijer (63) bekämpft Schädlinge seit Jahrzehnten biologisch: mit Nützlingen. Etwa 20.000 bis 30.000 Käfer und Florfliegen will er pro Monat in dem Bürohaus in Aschheim aussetzen. Die Käferchen züchtet er nicht etwa selbst, sondern bezieht sie von der Firma Katz Biotech, die bei Berlin Milliarden solcher nützlichen Tierchen produziert.

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