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Zweite Heimat auf über 300 Quadratmetern: So leben zwei Dauercamper in Olching

Urlaubsgefühle, Ruhe, Gemeinschaft sowie Freiheit – all dies bringt das Leben im Wohnwagen mit sich. Und: Herausforderungen.
von  Leonie Fuchs
Manfred und Petra sind Dauercamper. Hier sitzt das Paar auf seinem Lieblingsplatz in der Parzelle.
Manfred und Petra sind Dauercamper. Hier sitzt das Paar auf seinem Lieblingsplatz in der Parzelle. © Bernd Wackerbauer

Lieblingsplatz – dieses Wort liest man häufig in der Parzelle von Petra Jürgens (57) und Manfred Nadler (62). Auf Holzherzen als Anhänger, auf selbst gebauten Leitern aus Birkenholz, oder auf Vogelnistkästen, die im Garten zu finden sind. Die braun gebrannten Dauercamper leben seit mehreren Jahren, immer jedoch nur für einige Zeit, auf dem Campingplatz Sägmühle in Olching. Dort auf dem Gelände zu sein, das eingebettet zwischen Amperauen und Mühlbach liegt, "hod einfach was“, sagt Nadler. Der möchte aber lieber mit seinem Vornamen angesprochen werden, denn: Auf dem Campingplatz duzt man sich eben.

Ihre Campinglandschaft löst bei dem Paar inzwischen ein Gefühl wie "ein Sechser im Lotto“ aus. Doch: Im Camper gibt es täglich Herausforderungen.

Zweite Heimat auf über 300 Quadratmetern 

Emma, die kleine Französische Bulldogge, bellt, so laut sie kann, als die AZ-Redakteurin am Gartentor steht. Es ist schließlich auch ihr Zuhause, das sie bewachen möchte. Petra und Manfred haben sich auf über 300 Quadratmetern eine zweite Heimat geschaffen. Ihre Parzelle ist eine der größeren auf dem Areal und befindet sich direkt am Mühlbach. Insgesamt gibt es auf dem Campingplatz 130 Stellplätze.

300 Quadratmeter Wohnfläche und Garten steht dem Paar zur Verfügung.
300 Quadratmeter Wohnfläche und Garten steht dem Paar zur Verfügung. © Bernd Wackerbauer

"Ich hatte keine Ahnung, was auf uns zukommt"

Für das Paar, das sich über eine Dating-Plattform kennengelernt hat, ist es ein Glücksfall, als die Parzelle, in der sie heute wohnen, vor drei Jahren frei wird. Eigentlich hatten beide bis dato keine Campingplatz-Erfahrung, keinen Urlaub haben sie bislang auf einem solchen verbracht. Petra wohnt in München, Manfred in Rosenheim, als eine Nachbarin von Petra ihr von dem Campingplatz für Sommergäste und Dauercamper berichtet. "Ich hatte keine Ahnung, was auf uns zukommt, und trotzdem habe ich mich von der ersten Besichtigung an direkt wohlgefühlt“, sagt Petra.

Heute würde das Paar wohl am liebsten das ganze Jahr lang auf dem Campingplatz leben, doch das ist rechtlich dort nicht möglich. Ihr Erstwohnsitz befindet sich ganz in der Nähe in Gernlinden.

Der "Lieblingsplatz" unter dem Pavillon.
Der "Lieblingsplatz" unter dem Pavillon. © Bernd Wackerbauer

Mann und Frau, beide sind aufgewachsen in München, sitzen gerade an ihrem Lieblingsort, unter dem Pavillon im Garten. "Am Anfang hatten wir hier unser Bett stehen“, erzählt Petra. Sie hat lange einen Internet-Versandhandel für Spielwaren geführt, bis das Geschäft infolge der Covid-19-Pandemie 2019 eingebrochen ist. Nach einigen Jahren Krafttanken, auch auf dem Campingplatz, möchte sie nun wieder damit beginnen.

Das Gelände hat das Paar mit viel Liebe zum Detail eingerichtet und dekoriert. Alle Gegenstände sind im Landhausstil gehalten, sind verspielt, fröhlich, herzlich, so wie Manfred und Petra selbst. Da wäre etwa ein Hirsch aus Holz, der über dem Pavillon hängt. Über ihm zeigt ein Wegweiser die Richtung zum Lieblingsplatz, natürlich.

"Es ist hier immer wie ein paar Stunden Urlaub. Camping bedeutet Freiheit und macht frei.“

Manfred, der bei der Abfallentsorgung arbeitet, ist genau wie seine Partnerin von Anfang an begeistert von der Idee, die meiste Zeit auf einem Campingplatz zu verbringen. Für ihn bedeutet ihr zweites Zuhause dort Ausgleich zu seinem anstrengenden Arbeitsalltag. Jeden Morgen steht er um etwa drei Uhr auf, geht in die Waschräume auf dem Campingplatz, fährt los. "Es ist immer wieder schön, am Nachmittag zurückzukehren, sich auf der Liege entspannen zu können.“ Auch Petra sagt: "Es ist hier immer wie ein paar Stunden Urlaub. Camping bedeutet Freiheit und macht frei.“

Ein Vorteil ihres alternativen Zuhauses besteht in der Miete: Ihre Parzelle kostet das Paar 107 Euro Nebenkosten und eine monatliche Platzmiete von etwa 370 Euro. Die Möbel im Camper haben sie teils vom Vormieter abgekauft, teils selbst eingerichtet.

Die Sitzecke in der Wohnküche des "Vorzeltes"
Die Sitzecke in der Wohnküche des "Vorzeltes" © Bernd Wackerbauer

Petras zwei Söhne hätten sie damals vor dem Einzug auf dem Campingplatz jedoch gewarnt: "Mama, du erfrierst im Winter, haben sie gesagt“. Doch der Campingplatz bedeutet heute für beide ein Gefühl von Urlaub, Gemütlichkeit, Entspannung. Im Winter machen sie den Gasofen an, "dann wird es schnell mollig warm“. Petra nennt den Camper ihre Berufung, für Manfred gehört auch Arbeit dazu.

"Wir lernen hier täglich"

Der 62-Jährige gartelt und tüftelt jedoch gerne. Petra sagt: "Wir lernen hier täglich, etwa, wie das Heizen mit Gas funktioniert, oder manchmal ohne fließendes Wasser auszukommen, in der Nacht zum Badehaus auf die Toilette zu gehen“. Ihr "Spatzi“, wie Petra ihren Manfred nennt, ergänzt: "Wir wussten ja, worauf wir uns einlassen.“

Auf ihrem Stellplatz kann das kreative Paar sich verwirklichen. Dass viel gewerkelt und gepflanzt wird, das sieht man. Der Garten wurde liebevoll in Bereiche angelegt und bepflanzt, überall blüht und surrt es. Für Vogelhäuser wurde ebenso gesorgt wie für Insektennistkästen. Auch Hund Emma hat dort viel Platz, um sich auszutoben.

Die Küchenzeile. Das Bild eines Hundes darf auch dort nicht fehlen.
Die Küchenzeile. Das Bild eines Hundes darf auch dort nicht fehlen. © Bernd Wackerbauer

Betritt man den Wohnwagen, steht man im "Vorzelt“, wie Petra und Manfred ihr ausgebautes Gartenhaus mit Küche nennen. Die Farben dort sind in weiß und blau gehalten, einiges ist aus Holz. Der Raum ist ausgebaut zu einer Wohnküche, hat vier Wände, eine Sitzecke, eine Küchenzeile. "Man wird hier zum Schachtelgenie, muss täglich Tetris spielen“, sagt Petra. Jede Ecke im Raum muss bewusst ausgestattet sein, der Platz ist begrenzt.

Der Wohnwagen ist 3,40 Meter breit und 6,50 Meter lang: Dort befindet sich das Schlafzimmer der Camper.
Der Wohnwagen ist 3,40 Meter breit und 6,50 Meter lang: Dort befindet sich das Schlafzimmer der Camper. © Bernd Wackerbauer

Geht man durch einen schmalen Gang, befindet man sich im Schlafzimmer und im eigentlichen Wohnwagen. Der ist 3,40 Meter breit und 6,50 Meter lang. Ein Bett füllt den Wagen fast aus, darüber wurden ein Bücherregal und überall Dekostücke angebracht: Holzherzen oder Flügel, Bilder von Französischen Bulldoggen, Rahmen, gefüllt mit Blumen, Vasen. Das Paar sammelt gerne solche Dekorationsstücke auf Flohmärkten.

In einer ehemaligen Küchenecke im Wohnwagen befindet sich zudem ein begehbarer Kleiderschrank, den Petra stolz zeigt. Ebenso wie eine Nasszelle mit Campingtoilette, "falls wir nachts mal nicht ins Badehaus laufen wollen“.

"In der Stadt kennt ja keiner mehr seine Nachbarn, aber hier ist es immer gesellig“

Was beide an dem Campingplatz schätzen, ist das Gemeinschaftsgefühl. "In der Stadt kennt ja keiner mehr seine Nachbarn, aber hier ist es immer gesellig.“ Beim Gassigehen mit Emma grüßt man die anderen Camper, man hilft sich, macht Gartenfeste, oder sitzt zusammen am Lagerfeuer. "Am Wochenende finden hier immer richtige Völkerwanderungen statt, weil jeder die anderen besucht und auf einen Kaffee zum Nachbarn geht.“

Bald wird wieder weiter getüftelt, das Paar möchte den Camper zukünftig um 180 Grad drehen. "Wir wollen beim Frühstücken auf unseren Bach blicken“, so Petra. Dann sollen auch die letzten Möbel des Vormieters durch die eigenen ersetzt werden. Bei ihrem Vorhaben werden freilich auch die Nachbarn eingespannt. Damit der Camper bald noch mehr zu ihrem Zuhause wird.

Die beiden Camper und ihr Hund Emma.
Die beiden Camper und ihr Hund Emma. © Bernd Wackerbauer

Für diese AZ-Serie haben wir uns auf die Suche gemacht – nach Menschen in (un)gewöhnlichen Wohnsituationen – und durften hinter die Haustüren blicken.

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