100 Jahre "Pfarrhaushälterinnen": Zusammen unterm Kruzifix

Grünwald - Also Schweinsbraten wolle er bitte ned jeden Tag. Und Körndl aa ned. Ja Herrgott, was will er denn dann, hat Marita Großmann sich damals gedacht, 44 Jahre jung, ledig und als Hauswirtschaftsmeisterin gewöhnt, mit ihren Internats-Lehrlingsmädchen täglich 150 Menschen zu bekochen, das kann ja was werden mit dem.
27 Jahre ist das jetzt her, und es ist dann doch schnell was geworden mit dem Herrn Pfarrer Schranner, der aus Englschalking gerade ins gschleckte Grünwald versetzt worden war. Und zwar was Gutes.
Ein Leben als Pfarrhaushälterin
Es ist ein Freitag im Oktober, Marita Großmann (71) hat nach Hause eingeladen, um zu erzählen, wie das ist, ein Leben als Pfarrhaushälterin. Auf dem Sofatisch stehen Dahlien aus der Kirche, Gebäck ist angerichtet, von der Wand schauen zwei Engerl neben dem Kruzifix herunter. Der Herr Pfarrer (78) gesellt sich dazu, er hat sich fesch gemacht im Trachtenjanker für den Termin.
Sie sei damals an so einem Wendepunkt gewesen, sagt sie, wo sie was Neues machen wollte. Gläubig sei sie sowieso immer gewesen, von den Eltern her, die die Kinder täglich in die Kirche geschickt haben.
"Der Herrgott hat mir den Pfarrer in den Weg gestellt"
Ordensfrau war mal ein Gedanke. Ja und dann, sagt sie, ist ihr diese Anzeige in der Kirchenzeitung in die Hände gefallen, "da hat mir der Herrgott den Pfarrer in den Weg gestellt".
Marita Großmann zog ins Pfarrhaus nach Grünwald, übernahm Haushalt und Garten, ging ans Telefon und an die Tür. Und weil noch viel mehr zu tun ist in einer Pfarrgemeinde, hat sie einen Frauentreff gegründet, Seniorennachmittage und Weihnachtsmärkte und Buffets organisiert, und wenn die Mesnerin krank war, auch deren Dienst, den Blumenschmuck für die Kirche und das Putzen im Pfarrheim übernommen.

Eigentlich, wirft der Pfarrer ein, hat sie alle ersetzt, "inklusive mir, außer bei der Sonntagspredigt". Wobei, die Predigt habe es dann daheim gegeben. Der Pfarrer sei ja feinfühlig, sagt sie, aber es fehle ihm das Weibliche. "Ich sag ihm, was Menschen guttut, oder: Das kannst aber nicht so sagen."
Einfach füreinander da sein
Marita Großmann ist da gewesen, wenn er hungrig war, müde oder angespannt. Wenn er Hustentee gebraucht hat oder jemanden zum gemeinsam Freuen. Und als sie wegen ihrer Augen in die Klinik musste, hat der Pfarrer sie dort hingebracht.
Man sei zusammengewachsen über die Jahre, erzählt sie, und dass es keine Frage gewesen sei, den Pfarrer auch dann noch zu begleiten, wenn er mal das Pfarrhaus und die Gemeinde verlässt. "Die Alternative wär gewesen, dass ich mir mit 60 eine neue Stelle und eine neue Wohnung suche, den ganzen Hausstand neu kaufen und alleine leben muss."
Das Reihenhaus, das Pfarrer Schranner in Kirchseeon im Münchner Osten für den Ruhestand bezogen hat, ist groß genug, um Privatsphäre für beide zu bieten.
Sie macht die Wäsche, er trägt den Müll raus
Wenn sie basteln will, geht sie in ihren Arbeitsraum, wenn er sich nach dem Frühstück zum Brevier-Beten zurückzieht, legt er einen Zettel vor die Tür: Bitte warten. Damit sie erst nach dem Stundengebet zum Saubermachen reingeht. Wobei, inzwischen ist auch Marita Großmann ganz offiziell Rentnerin. Jetzt, sagt sie, "teilen wir uns den Haushalt".

Sie kocht, räumt ab und macht die Wäsche. Er muss staubsaugen, die Spülmaschine ausräumen und den Müll raustragen. Und sie herumfahren, wenn sie wohin möchte, weil nur er den himmelblauen Ford Focus vor der Tür fahren kann.
Zusammen durchs Leben
Sie hat übrigens wieder den Blumenschmuck übernommen in der neuen Gemeinde, hilft bei Festen und kümmert sich um Buffets. Er hält auch immer wieder Gottesdienste, wenn ein Pfarrer in den Nachbargemeinden ihn braucht.
Vieles machen sie jetzt aber auch zusammen, weil es mehr Spaß macht. Ins Konzert und in die Oper gehen, zum Beispiel. In den Fasching. Oder auf eine Hochzeit, wie damals, als die Nichte vom Pfarrer geheiratet hat. Da kam Marita Großmann im Dirndl und der Pfarrer im Trachtenanzug.

"Vom Pfarrer seiner Lebensgefährtin"
Gerede im Dorf über den Pfarrer und seine Haushälterin, gibt es das auch noch in diesen modernen Zeiten? Ja mei, Gerede, sagt er. Und dann erzählt Marita Großmann schmunzelnd die Geschichte von seinen Schulkindern, denen sie im Pfarrgarten mal ein Eis geben durfte, und wie ein Mädchen daheim auf die Frage der Mutter, wo denn das Eis herkommt, gesagt hat: "Vom Pfarrer seiner Lebensgefährtin." Schlimm? Ach schaun Sie, sagt der Pfarrer, "wir leben beide im Zölibat, sogar die Marita, obwohl sie nicht muss. Aber wir begleiten uns im Leben und einer sorgt für den anderen. Wenn da einer drüber reden muss, ist mir das wurscht."
"Wie ein altes Ehepaar, bloß besser"
Was ist das also nach all den Jahren, eine Freundschaft? "Notgemeinschaft", frotzelt der Pfarrer. Sie: "Wir sind eigentlich wie ein altes Ehepaar." Bloß besser, "weil ich nämlich nix versprochen habe. Ich kann weggehen, solang ich will, und ich kann in Urlaub fahren, wann ich will." Da würden sie schon immer verwundert schauen in der Frauengruppe, wenn Marita Großmann mittags nicht heimgeht, bloß weil der Herr Pfarrer Hunger hat. Der kann sich schon selber auch was warm machen, sagt sie dann.
Nächste Woche wird er sie wieder aufs Blumenfeld fahren, damit sie Dahlien schneiden kann für die Kirche. Für November haben sie schon Konzert- und Opernkarten, und auf den nächsten Fasching freuen sie sich auch, wenn einmal wieder einer ist. Ach ja, und Körndl essen mag Pfarrer Josef Schranner immer noch nicht. Mit dem Schweinsbraten hat er aber seinen Frieden gemacht.
Bistum München-Freising in Zahlen: 330 Pfarrhaushälterinnen
586 Priester und 258 Ruhestandspriester arbeiten im katholischen Erzbistum München und Freising und betreuen 746 Pfarrkirchen, 1.140 Nebenkirchen und 1.406 Kapellen. Nur noch etwa die Hälfte der Priester beschäftigt eine Haushälterin (auch Pfarrhausfrau genannt), ihr Gehalt muss ein Pfarrer aus eigener Tasche zahlen, mit Zuschüssen vom Bistum.
Seit den 1970er Jahren ist ihre Zahl auf etwa ein Zehntel geschrumpft. Das Bistum zählt heute nur noch 330 Pfarrhaushälterinnen (55 in Vollzeit). 155 davon sind schon in Rente, arbeiten aber großteils weiter für ihren Pfarrer. Dem Verein der Pfarrhaushälterinnen (gegründet 1921) gehören heute noch 133 Mitglieder an, Kardinal Marx hat am Mittwoch für sie einen Festgottesdienst gefeiert. Eine Pfarrhaushälterin verdient zwischen 900 und 1.200 Euro netto in Vollzeit, wenn sie kostenlos im Pfarrhaus wohnt und sich dort mitverpflegt. Ihr Arbeitsvertrag endet, wenn sie in Rente geht - oder wenn der Pfarrer stirbt. Sie muss dann innerhalb von zwei Wochen das Pfarrhaus verlassen und sich eine eigene Wohnung suchen - bei einer Rente von etwa 1.000 Euro. Die Kirche betreibt im Bistum einige Wohnhäuser, in denen Pfarrhaushälterinnen in Rente wohnen können. Der Landesverband hat eine Kontaktbörse für freie Stellen eingerichtet.
Mail: mary-anne.eder@gmx.de