Überwältigend: Das Größte seit Wackersdorf
MÜNCHEN - Die Organisatoren der Menschenkette gegen Atomkraft freuen sich über 50000 Teilnehmer. So etwas hat es in München zuletzt 1985 gegeben. Auch aus Berlin kommt Bewunderung
Die Bilder waren überwältigend. Mehrere zehntausend Menschen haben am Samstag in München gegen die Atompolitik der schwarz-gelben Bundesregierung demonstriert. Rund zehn Kilometer lang schlängelte sich die Menschenkette durch die Stadt. Sie hätte sogar noch viel länger sein können, wären die Atomkraftgegner nicht in Grüppchen beieinander, sondern nur nebeneinander gestanden. Lautstark forderten sie: „Ab-schal-ten!“
Die Organisatoren gehen von knapp 50000 Protestlern aus. Die Polizei schätzte sehr vorsichtig – und kam auf 25000. So oder so: Bayernweit war die Aktion die größte Anti-Atom-Demo seit der Kundgebung gegen die (später verworfene) atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf im Jahr 1985. Damals hatten zwischen 30 000 und 50 000 Menschen in der Landeshauptstadt gegen Atomenergie protestiert.
„Das ist ein Riesenerfolg für uns. Es ist das angekündigte und erwartete Erdbeben“, erklärt Marcus Greineder, Cheforganisator des Bündnisses „KettenreAktion Bayern“.
Mehr als 60 Busse und diverse Sonderzüge waren nach München gefahren. „Der absolute Hammer“, jubelt Koordinator Florian Sperk. Am Tag danach ist er noch immer euphorisiert. Vor drei Monaten hätten die Organisatoren ganz schüchtern mit 5000 Teilnehmern gerechnet: „Es waren so viel mehr Menschen, als wir uns haben träumen lassen.“
Aus Berlin erklärte SPD-Chef Sigmar Gabriel zu der Münchner Aktion: „Das zeigt einmal mehr, dass die Bevölkerung die Lobbypolitik der Bundesregierung für die vier Atomkonzerne nicht einfach hinnimmt.“ Der Odeonsplatz war bei der Abschlusskundgebung übervoll. Bei seiner Ansprache befand OB Christian Ude: „Der heutige Tag zeigt, dass die Menschen wieder bereit sind, gegen eine solche Politik auf die Straße zu gehen.“
Viele der Protestler hatten sich im Vorfeld etwas einfallen lassen und originelle Plakate gebastelt. Wohin mit dem Atommüll? „Merkel räum' die Asse auf und nimm die Fässer mit nach Haus'“, lautet der Beitrag eines Demonstranten. Ein anderer trug ein Schild mit dem Reim: „Ohne Meiler ist es geiler“. Auch ein Thema auf vielen Plakaten: das Alt-AKW Isar 1 bei Landshut. Sogar die Angst vor einer Katastrophe ist in Gedichtform gepresst worden: „Weht nach einem Gau der Wind hierher, ist ganz Bayern menschenleer.“ Julia Lenders