Überlebender von Massaker: „Ich habe so gezittert vor Angst“
MÜNCHEN - Im Münchner Strafprozess um ein deutsches Kriegsverbrechen in Italien hat am Dienstag der einzige Überlebende des Massakers vom 27. Juni 1944 ausgesagt. Der Angeklagte sah den Zeugen - und zeigte keinerlei Reaktion.
„Wir mussten in das Bauernhaus und wurden eingesperrt, dann fand die Sprengung statt“, sagte der 79-Jährige Zeuge bemerkenswert gefasst. Der 90 Jahre alte Angeklagte – ein ehemaliger Leutnant und Kompanieführer des Gebirgspionier-Bataillons 818 – soll das Massaker mit 14 Toten nahe Falzano di Cortona befohlen haben, als Vergeltung für den Tod von zwei seiner Soldaten in einem Partisanenhinterhalt.
Der Angeklagte soll damals im Zweiten Weltkrieg die Erschießung von vier Zivilisten und die Sprengung des Bauernhauses angeordnet haben, in dem zehn Menschen ums Leben kamen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm deshalb 14-fachen Mord zur Last. Der 90-Jährige bestreitet die Vorwürfe.
Betroffen schweigende Zuhörer
Dazu kann der Zeuge – ein Carabiniere im Ruhestand – nichts sagen, aber er schildert seine Erlebnisse. „Ich war nur ein Kind und hatte Angst“, sagt er bescheiden. Er war damals nach eigenen Worten ein neugieriger Junge und ist „dahin gelaufen, wo ich Schüsse hörte“, wie der alte Herr vor den betroffen schweigenden Zuhörern berichtet. Deutsche Soldaten haben ihn dann ergriffen „und zu anderen Gefangenen aus der Zivilbevölkerung gesteckt“. Die auf elf Menschen anwachsende Gruppe musste an der „Durchkämmung“ des Gebiets teilnehmen, etwa 30 Deutsche um sie herum „hielten öfters an und eröffneten das Feuer“. Dabei kamen vier Zivilisten ums Leben. Die Gruppe der Gefangenen kam nachmittags an dem Bauernhaus an.
„Als wir eingeschlossen wurden, hat einer gesagt, jetzt werden wir alle umgebracht“, sagte der Zeuge. Nebenan war bereits ein Gebäude explodiert, nach etwa fünf Minuten ging auch das Bauernhaus in die Luft. Ein Sterbender „ist praktisch auf mich drauf gefallen und hat mir wehgetan, ich habe gesagt, er soll sich nicht bewegen“, erinnerte sich der Zeuge. „Er hat sich nicht bewegt, aber geschrien, bis wenige Minuten vor meiner Entdeckung.“
Die Bäuerin hat den damals 15 Jahre alten Zeugen auf der Suche nach ihrem Hund gefunden. Der Jugendliche hatte schwere Verbrennungen erlitten, er konnte etwa zwei Monate nichts sehen und die Beine nicht bewegen, „der Arzt sprach von einer Blockade“. Der 79-Jährige zeigt auf seine Unterlagen: „Wollen Sie sehen? Das sind die Aussagen vom Pfarrer, vom Arzt und anderen Zeugen über meine Verletzungen.“
Er und die anderen Zeugen haben schon im Prozess in La Spezia ausgesagt, in dem der Angeklagte 2006 in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist. Danach kam das Münchner Verfahren in Gang. Beim Anblick des einzigen Überlebenden zeigt der Angeklagte im Münchner Prozess keinerlei Reaktion. Dieser sah seinerzeit einen Mann aus einem Fahrzeug springen und hörte ihn Befehle schreien: „Ich glaube, dass er ein Offizier war, weil die anderen ihm gehorchten.“ Beschreiben kann der Zeuge den Mann nicht: „Ich habe so gezittert vor Angst.“
Der Prozess dauert an. (dpa)
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