Üben für den Kocherlball: Volkstanz für alle

Ob blutiger Anfänger oder erfahrener Tänzer – beim kostenlosen Volkstanz-Workshop im Hofbräuhaus bereiten sich Münchner auf den legendären Kocherlball am Chinesischen Turm vor. Warum sich das frühe Aufstehen lohnt und was Tanzmeisterin Katharina Mayer so besonders macht.
von  Johanna Kippe
Beim Kocherlball tanzen (wie auf diesem Foto aus dem Jahr 2024) Tausende Münchner in Tracht in den frühen Morgenstunden am Chinesischen Turm.
Beim Kocherlball tanzen (wie auf diesem Foto aus dem Jahr 2024) Tausende Münchner in Tracht in den frühen Morgenstunden am Chinesischen Turm. © Imago/B. Lindenthaler

Diesen Sonntag heißt es wieder: in aller Frühe aufstehen und dann rein ins Dirndl oder die Lederhose. Der berühmt-berüchtigte Kocherlball am Chinesischen Turm steht vor der Tür – und viele Münchnerinnen und Münchner stecken mitten in den Vorbereitungen.

Am Dienstag trafen sich langjährige Ballbesucher genauso wie Tanzanfänger im Hofbräuhaus, um von Tanzmeisterin Katharina Mayer und Magnus Kaindl vom Kulturreferat bayerische Volkstänze zu lernen. Die zeigten, wie man einen Boarischen, eine Polka oder einen Siebenschritt sicher aufs Parkett legt.

Um 1880 trafen sich die "Kocherl", also die Köchinnen, Küchenhilfen, Kindermädchen und Laufburschen sonntags in den frühen Morgenstunden im Englischen Garten, um bevor der Arbeitstag begann, miteinander zu musizieren und zu tanzen. 1904 wurde es der Obrigkeit dann aber zu bunt und sie schob dem Ball wegen "Mangel an Sittlichkeit" einen Riegel vor. 

Seit 1989 tanzen die Kocherl wieder

Zur 200-Jahr-Feier des Englischen Gartens wurde das traditionsreiche Fest wiederbelebt und so tanzen seit 1989 jedes Jahr am dritten Sonntag im Juli bis zu 12.000 Gäste in den Tag hinein. Die bayerischen Volkstänze der "Kocherl" wollen allerdings gelernt sein. Um sie den Münchnerinnen und Münchnern von heute näherzubringen, kommen da die kostenlosen Tanzworkshops des Kulturreferats ins Spiel. Die AZ war am Dienstagabend mit dabei.

Der Niederbayerische Musikantenstammtisch begleitet die Tanzstunde im Hofbräuhaus.
Der Niederbayerische Musikantenstammtisch begleitet die Tanzstunde im Hofbräuhaus. © jk

Die Kursteilnehmer treffen sich bei beschwingter Live-Musik des Niederbayerischen Musikantenstammtischs in der Erkerbar des Hofbräuhauses. Beim Kurs von Magnus Kaindl wird es schließlich so voll, dass bis auf den Flur heraus getanzt wird. Um 21 Uhr übernimmt dann Katharina Mayer und führt gut gelaunt durch den zweiten Workshop des Abends. Das heißt, es geht mit dem Grundschritt wieder von vorne los, was viele Kursteilnehmer aber nicht daran hindert, für eine zweite Runde zu bleiben. Einige berichteten sogar, beide vorherigen Kurse besucht zu haben – oder seit Jahren bayerischen Volkstanz zu praktizieren.

Gar nicht so einfach, alle unter einen Hut zu bekommen

Und so kommen blutige Anfänger und erfahrene Tänzer zusammen. Um das unter einen Hut zu bekommen "braucht’s schon ne Expertise", sagt Tanzmeisterin Katharina Mayer. In ihrem Fall besteht diese Expertise nicht nur aus 20 Jahren Erfahrung. Sie absolvierte auch eine professionelle Tanzausbildung und verfügt als Realschullehrerin auch über didaktische Fähigkeiten.

Und, das Tanzen liegt in Ihrer Familie: Ihr Vater sei nicht nur ebenso musik- und tanzbegeistert wie sie, sondern auch ein begnadeter Vermittler gewesen, erzählt Mayer. Das sieht man, während sie durch Wiege-, Wechsel- und Laufschritte führt. Begleitet von ihren Kommandos und manchmal auch von ihrem Gesang bringt sie den ganzen Raum zum Tanzen.

Volle Konzentration: Die Kursteilnehmer folgen den Anweisungen von Tanzlehrerin Katharina Mayer.
Volle Konzentration: Die Kursteilnehmer folgen den Anweisungen von Tanzlehrerin Katharina Mayer. © jk

Die Tänzer sind auffallend bunt gemischt. Nicht nur, was die Tanzerfahrung angeht. Auch von Jung bis Alt sind alle dabei. Und die Garderobe: Einige tragen Tracht, viele aber auch einfach Jeans und T-Shirt. Der einfache und kostenlose Zugang zu den Kursen ist Meyer besonders wichtig. Gemeinsam mit Eva Becher vom Kulturreferat ist ihr Anliegen, dass immer mehr Menschen beim Kocherlball mittanzen können.

"Wir haben nicht das Allerleichteste gemacht"

Trotzdem gibt sie zu, ihren Schülern, mit den teils anspruchsvollen Schritten, etwas abzuverlangen: "Wir haben nicht das Allerleichteste gemacht." Trotzdem "fangen die Kurse bei null an". Im früheren Kurs bei Magnus Kaindl ging es trotzdem ein bisschen anfängerfreundlicher zu.

Wer die Workshops verpasst hat, kann die richtigen Schrittfolgen immer noch auf dem Kocherlball selbst lernen. Katharina Meyer wird auch dieses Jahr wieder als Tanzmeisterin vor Ort sein und sicherstellen, dass alle gut durch Polka, Landler und den Zwiefachen kommen.

Sie selbst freut sich als "Münchner Kindl" schon sehr auf den Ball. Es ist eben ihr "spezielles Ding" und überhaupt "etwas Besonderes". Anders als sonst feiert man hier nicht vom Tag in die Nacht, sondern von der Nacht in den Tag. Auf die Frage, ob sie das frühe Aufstehen nicht abschreckt, sagt sie lachend: "Es ist ja nur einmal im Jahr." Überhaupt scheint sich von der Gruppe niemand von der frühen Stunde abschrecken zu lassen. Als Tanzmeisterin verbringt Meyer gezwungenermaßen viel Zeit auf der Bühne, sagt aber: "Ich bin gerne mittendrin." Sie freut sich, die Workshopteilnehmer auf dem Fest zu treffen, denn "die kommen alle wieder". 

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