Interview

Trump und die Macht der Oligarchen: "Die Stimmung hat sich gegen ihn gedreht"

Inmitten wachsender Proteste gegen US-Präsident Donald Trump beleuchtet Journalist Julian Heißler in seinem neuen Buch die Macht der Oligarchen und deren Einfluss auf die US-Politik. Was bedeutet das für die Demokratie?
Natalie Kettinger
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Stelldichein der reichsten Männer der Welt bei der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump im Januar (v.l.): Meta-Chef Mark Zuckerberg, Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seiner Frau Lauren, Google-CEO Sundar Pichai und Tesla-Chef Elon Musk.
Stelldichein der reichsten Männer der Welt bei der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump im Januar (v.l.): Meta-Chef Mark Zuckerberg, Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seiner Frau Lauren, Google-CEO Sundar Pichai und Tesla-Chef Elon Musk. © Saul Loeb-Pool/Getty Images/AFP

Dieses Bild sprach Bände: Zur Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump versammelten sich die amerikanischen Tech-Giganten von Elon Musk bis Jeff Bezos und huldigten dem Republikaner. Was steckt hinter Ihrer Nähe zur Macht? In seinem aktuellen Buch beleuchtet der Journalist Julian Heißler die Beweggründe – und den beängstigenden Erfolg – von Amerikas Oligarchen.

Der gebürtige Würzburger Julian Heißler, Jahrgang 1983, berichtet seit Anfang 2018 vor allem für die „Wirtschaftswoche“ aus Washington. Davor war er bundespolitischer Korrespondent für unterschiedliche Medien wie SWR und Tagesschau.de.
Der gebürtige Würzburger Julian Heißler, Jahrgang 1983, berichtet seit Anfang 2018 vor allem für die „Wirtschaftswoche“ aus Washington. Davor war er bundespolitischer Korrespondent für unterschiedliche Medien wie SWR und Tagesschau.de. © Chris Sorensen

"Gewinnt die Opposition den Kongress, wird sein Leben schwer"

AZ: Herr Heißler, unlängst haben in den USA mehr als sieben Millionen Menschen gegen Präsident Donald Trump demonstriert. Sind diese Proteste gefährlich für ihn?
JULIAN HEISSLER: Sie zeigen, dass die Stimmung sich gegen ihn gedreht hat. Trump hat 2024 als erster Republikaner seit 20 Jahren die absolute Mehrheit der Stimmen bei der Präsidentschaftswahl geholt und das als Mandat für weitreichende Änderungen in der US-Politik interpretiert. Jetzt spürt man einen Backlash. Das sieht man auch in den Umfragen für die Kongresswahlen 2026. Da liegen die Demokraten derzeit deutlich vor den Republikanern. Gewinnt die Opposition den Kongress, wird sein Leben schwer.

Mehr als sieben Millionen Menschen haben unlängst gegen Donald Trump protestiert, hier die Demonstration in New York. Der Frust der Amerikaner richtete sich auch gegen den Einfluss der Superreichen - zumindest indirekt.
Mehr als sieben Millionen Menschen haben unlängst gegen Donald Trump protestiert, hier die Demonstration in New York. Der Frust der Amerikaner richtete sich auch gegen den Einfluss der Superreichen - zumindest indirekt. © Olga Fedorova/AP/dpa

Richtete sich der Groll der Menschen auch gegen die Superreichen in seinem Umfeld?
Indirekt. Die meisten Superreichen, die sich in die Politik einbringen, tun das – anders als Tesla-Chef Elon Musk – hinter den Kulissen. Deshalb ist ihr Einfluss nicht so sichtbar. Allerdings war es auffällig, dass als Hauptredner bei der No-Kings-Rally in Washington der unabhängige Senator von Vermont Bernie Sanders gesprochen hat, der zuletzt mit der Fighting-Oligarchy-Tour durch die Lande gereist ist. Ich glaube, bei vielen Amerikanern verfestigt sich das Gefühl, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden – im Gegensatz zu den Interessen von Leuten, die Trump finanziell unterstützen.
Also hat Bernie Sanders recht, wenn er sagt "Die Milliardäre haben dieses System übernommen, wir werden nicht mehr gehört"?
Er hat recht damit, dass der Einfluss der Milliardäre auf die US-Politik deutlich größer ist, als in einer Demokratie vorgesehen. Eigentlich sollte es keine Rolle spielen, wie reich jemand ist, wenn es darum geht, ob sein Anliegen von den gewählten Volksvertretern berücksichtigt wird. Aber in den USA ist die Bedeutung von Geld so groß geworden, dass eine kleine Gruppe superreicher Milliardäre es schafft, durch ihre Zuwendungen den Einfluss normaler Spender und Bürger auszugleichen. Elon Musk hat im vergangenen Jahr fast 300 Millionen Dollar dafür ausgegeben, Donald Trump und die Republikaner an die Macht zu bringen. Mit kleinen Spenden aus der breiten Bevölkerung kommt man dagegen nicht an. Also wissen die Machthaber sehr genau, auf wessen Interessen sie zuerst achten müssen. Und das sorgt dafür, dass die Superreichen in der Frage, wohin sich das Land entwickelt, ein gewichtiges Wort mitzusprechen haben.

Vermonts unabhängiger Senator Bernie Sanders. Er sagt: „Die Milliardäre haben dieses System übernommen, wir werden nicht mehr gehört.“
Vermonts unabhängiger Senator Bernie Sanders. Er sagt: „Die Milliardäre haben dieses System übernommen, wir werden nicht mehr gehört.“ © Heather Khalifa/AP/dpa

Was kostet ein Präsidentschaftswahlkampf?

Sie schreiben, dass 2024 in den allermeisten Fällen der Kandidat mit der dicksten Wahlkampfkasse den Sitz im Kongress oder Senat gewonnen hat. Was kosten Wahlkämpfe in den USA?
Die Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr hat – beide Kandidaten zusammengenommen – mehr als fünf Milliarden Dollar gekostet. Und wenn man den Kongress miteinbezieht, sind wir bei rund 15 Milliarden für den gesamten Wahlkampf 2024. Eine absurd hohe Zahl!
Welche Rolle spielen dabei die Political Action Commitees, kurz Pac oder auch SuperPac?
Eine riesige. Eigentlich ist es so: Jeder amerikanische Staatsbürger oder dauerhafte Bewohner der USA darf nur 3300 Dollar an eine Partei oder einen Kandidaten spenden. Die sogenannten SuperPacs sind offiziell unabhängige Gremien, die unbegrenzt Geld einsammeln dürfen – und heutzutage hat quasi jeder Kandidat ein SuperPac, das ihn oder sie unterstützt. Denn in der Praxis sind diese Gremien keineswegs unabhängig, auch wenn das die Regeln verletzt, die die Federal Election Commission eigentlich überwachen sollte. SuperPacs sind zum beliebtesten Instrument der Reichen geworden, um ihre bevorzugten Kandidaten zu pushen.

Elon Musk springt auf der Bühne, während Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung bei der Butler Farm Show spricht.
Elon Musk springt auf der Bühne, während Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung bei der Butler Farm Show spricht. © Evan Vucci / dpa

Wie war das bei Elon Musk?
Genauso. Er hat seine 300 Millionen Dollar nicht der Trump-Kampagne gegeben, sondern sie in SuperPacs gesteckt. Diese SuperPacs haben dann für Trump an Türen geklopft, freiwillige Mitarbeiter bezahlt, die Wähler angerufen oder Werbespots geschaltet haben – immer im Interesse der Trump-Kampagne. Diese SuperPacs sind dafür verantwortlich, dass die Wahlkampfkosten derartig explodiert sind.
Sind die Pacs ein reines Mittel der Republikaner?
Absolut nicht. Die gibt es auf beiden Seiten.

Elon Musk hat seine Zeit in der Administration durchaus für seine wirtschaftlichen Interessen genutzt

Mit Musk hat es einer der Großspender bis in den Inner Circle im Weißen Haus geschafft. Was wollte er da eigentlich?
Ich glaube, er hatte zwei Hauptanliegen. Das Wichtigste war, den Verwaltungsapparat in seinem Interesse zu verändern. Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass sich Elon Musk exakt die Behörden vorgenommen hat, die seine Unternehmen regulieren. Tesla zum Beispiel hatte mit einigen Bundesbehörden Probleme wegen seiner Autopilot-Funktion. Es gab Untersuchungen wegen tödlicher Unfälle. Diese Behörden wurden entkernt. Und als es Handelsstreitigkeiten mit einigen Ländern gab, wurde diesen von US-Seite signalisiert, dass es für die Beilegung sehr hilfreich sein könnte, wenn man das Satellitennetzwerk Starlink von SpaceX genehmigen würde. Insofern hat Elon Musk seine Zeit in der Administration durchaus für seine wirtschaftlichen Interessen genutzt. Zum anderen glaube ich, dass er auch aus Überzeugung gehandelt und in Donald Trump jemanden gesehen hat, der das Land in seiner ideologischen Ausrichtung so entwickeln würde, wie es ihm recht gewesen wäre.

Hat sich vom Trump-Feind zum Unterstützer des US-Präsidenten gewandelt: Amazon-Chef Jeff Bezos.
Hat sich vom Trump-Feind zum Unterstützer des US-Präsidenten gewandelt: Amazon-Chef Jeff Bezos. © IMAGO/Piovanotto Marco/ABACA

Und was versprechen sich die früher doch eher den Demokraten zugeneigten Chefs von Amazon und Meta, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg, von ihrer plötzlichen Nähe zu Trump?
Jeff Bezos hatte sich in Trumps erster Amtszeit noch als dessen Gegner geriert. Er ist Besitzer der „Washington Post“ und hat damals unter dem Slogan „Democracy dies in darkness“ (Die Demokratie stirbt in der Dunkelheit, d. Red.) hervorragenden Journalismus gemacht. Doch das hat ihn Geld gekostet. Bezos hat etwa 250 Millionen Dollar für die „Washington Post“ ausgegeben, was verschmerzbar klingt für jemanden, der mehrere Hundert Milliarden besitzt. Doch infolgedessen, dass er sich gegen Trump gestellt hat, wurden Amazon und seine Tochterunternehmen plötzlich von Regierungsaufträgen ausgeschlossen. Das hat Amazon Milliarden gekostet. Hinzukommt, dass in den Biden-Jahren das Kartellamt gegen Amazon vorgegangen ist. Da wird sich Bezos gefragt haben: Was habe ich von dieser oppositionellen Pose? Er ist eben ein Geschäftsmann. Bei Zuckerberg liegen die Dinge noch ein bisschen anders.

Der Wendepunkt in der Beziehung zwischen Zuckerberg und Trump:  Am 6. Januar 2021 stürmen Anhänger des Republikaners das Kapitolgebäude, wo die Abgeordneten den Sieg des gewählten Präsidenten Joe Biden bei der Wahl im November bestätigen sollten.
Der Wendepunkt in der Beziehung zwischen Zuckerberg und Trump: Am 6. Januar 2021 stürmen Anhänger des Republikaners das Kapitolgebäude, wo die Abgeordneten den Sieg des gewählten Präsidenten Joe Biden bei der Wahl im November bestätigen sollten. © Essdras M. Suarez / dpa

Zuckerberg? "Das fand das Trump-Lager überhaupt nicht lustig"

Wie denn?
Zuckerberg hat sich nie so öffentlich gegen Trump positioniert wie Bezos – bis zum 6. Januar 2021, als Trumps Anhänger das Kapitol stürmten. Da hat Zuckerberg Trumps Facebook-Account gesperrt. Vorher war da nicht viel, obwohl Zuckerberg immer den Demokraten zugerechnet wurde, immer sehr die Nähe zu Obama gesucht und diese auch bekommen hat. Das änderte sich 2016, als Obama ihn wegen Fake News auf der Plattform einmal ziemlich zusammengefaltet hat. Das muss Zuckerberg ordentlich vor den Kopf gestoßen haben. So sehr, dass er kurz mal eine eigene Präsidentschaftskandidatur angedacht hat. Allerdings hat Zuckerberg während der Covid-Pandemie Geld an Wahlbehörden gespendet, damit sie sichere Abstimmungen durchführen konnten. Das fand das Trump-Lager überhaupt nicht lustig. Es sah darin eine Einmischung zugunsten der Demokraten. Dann kam die Sperrung nach dem 6. Januar – und Zuckerberg wurde zu einem der Lieblingsgegner von Trump.

Neue Nähe: US-Präsident Donald Trump spricht während eines Abendessens im State Dinning Room des Weißen Hauses mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg.
Neue Nähe: US-Präsident Donald Trump spricht während eines Abendessens im State Dinning Room des Weißen Hauses mit Facebook-Chef Mark Zuckerberg. © Alex Brandon/AP/dpa

Inwiefern?
Das hat so weit geführt, dass Trump einen Bildband veröffentlicht hat, in dem er schreiben ließ, man habe Zuckerberg genau im Blick und wenn er sich noch mal danebenbenimmt, könnte er möglicherweise den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Also eine ziemlich offene Drohung. Ein weiterer Teil der Wahrheit ist, dass auch gegen Facebook ein Kartellverfahren läuft, das von der Biden-Regierung weiter vorangetrieben worden ist. Auch für Zuckerberg stellt sich also die Frage, warum er die Demokraten unterstützen sollte, wenn er nichts davon hat.

Musks Auftritt als Leiter der Abteilung für Regierungseffizienz „Doge“ war ein vollkommenes Desaster

Zurück zu Elon Musk. Wieso hat er sich aus der Politik zurückgezogen?
Weil sein Auftritt als Leiter der Abteilung für Regierungseffizienz „Doge“ ein vollkommenes Desaster war. Nur ein Beispiel: Seine Mannschaft hat die Mitarbeiter des Energieministeriums rausgeschmissen, die die amerikanischen Atomwaffen überwachen. Als ihnen aufgefallen ist, dass das möglicherweise eine dumme Idee war, und sie die Leute wieder einstellen wollten, haben sie sie erst mal nicht erreicht, weil sie ihnen sogar die E-Mails abgestellt hatten. Solche Sachen gab es wieder und wieder. Viele der Doge-Sachen mussten rückgängig gemacht werden.
Eigentlich unfassbar...
Außerdem gibt es die Vermutung, dass die Kosten in Zusammenhang mit den vielen Entlassungen höher waren, als wenn man einfach nichts gemacht hätte. Dann hat sich Musk noch in einen Wahlkampf in Wisconsin eingemischt, in dem es um einen Sitz am Supreme Court ging. Er hat viel Geld investiert, um einen konservativen Richter ins Amt zu hieven – und verloren. In Trumps Augen sah er plötzlich wie ein Loser aus. Hinzukommt noch, dass er ein Besonderer Regierungsmitarbeiter war und die nur eine gewisse Zeit im Amt sein dürfen. Wobei man die Zeitspanne vermutlich hätte ausdehnen können.

Hat sich der reichste Mann der Welt verzockt?

Musk gilt heute als Trumps Intimfeind, die Tesla-Aktie ist abgestürzt und die Nasa will ihre Mondmission zugunsten von Bezos Unternehmen Blue Origin neu ausschreiben. Hat sich der reichste Mann der Welt verzockt?
Kurzfristig könnte man das so sehen. Ich frage mich allerdings, wie lange der Bruch zwischen Musk und Trump anhalten wird. Musk ist ja nicht doof.

Ein ausgebrannter Tesla in Berlin. Musks Nähe zu Trump - und zur AfD - hat einige gegen ihn aufgebracht.
Ein ausgebrannter Tesla in Berlin. Musks Nähe zu Trump - und zur AfD - hat einige gegen ihn aufgebracht. © Christophe Gateau / dpa

"Ich bin mir sicher, dass dieses Zerwürfnis zwischen Musk und Trump nicht von Dauer ist"

Er hatte angekündigt, eine eigene Partei zu gründen: die „America Party“. Was ist daraus geworden?
Dritte Parteien haben es in den USA schwer. Das politische System ist eigentlich ohne Parteien im Hinterkopf gegründet worden. Trotzdem hat sich schnell ein Zwei-Parteien-System gebildet, das heute das politische Leben auf allen Ebenen dominiert. Es aufzubrechen, ist teuer und aufwendig. Zudem ist Musk in Südafrika geboren und kann deshalb nicht selbst Präsident werden. Da stellt sich schon die Frage: Wofür sollte er das tun? Spätestens im nächsten Jahr muss er eine Antwort darauf finden, ob es Sinn ergibt, sich gegen die Republikaner zu positionieren, mit denen er bestens vernetzt ist. Und die ihn sehr gerne wieder auf ihrer Seite hätten, weil er ihr größter Geldgeber ist. Soll er das Risiko eingehen, sich rauszuhalten? Oder gar seine ideologischen Partner zu schwächen? Auf die Gefahr hin, die Demokraten wieder an die Macht kommen zu lassen? Ich bin mir sicher, dass dieses Zerwürfnis zwischen Musk und Trump nicht von Dauer ist.

© Natalie Kettinger


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