Trübe Stimmung in Münchner Reisebüros: Fernweh, aber kein Geschäft
München - "Es ist momentan für uns ganz, ganz schlimm", sagt Angela Berger, Inhaberin vom Reisebüro Angelas Reiseschatulle in Ramersdorf-Perlach. "Ich sitze im Büro hintendrin und hab den Laden zu." Wegen des Lockdowns haben Reisebüros noch immer geschlossen, nur übers Telefon können sie ihre Kunden beraten. Seit 45 Jahren arbeitet Berger in der Tourismusbranche - so wenige Anfragen wie jetzt habe sie noch nie gehabt.
In Martin Hopfensbergers Reisebüro indes ist die Telefonnummer nicht mehr vergeben, im Internet findet sich von vergangenem August ein verzweifelter Spendenaufruf. "Keiner bucht den nächsten Urlaub, wenn er danach in Quarantäne muss", sagt ein anderer Inhaber, der seinen Namen nicht in der Zeitung wissen will. Der Anonyme, der unter anderem Hochzeitsreisen nach Indonesien, Australien, auf die Seychellen oder Mauritius anbot, sagt, die Zurückhaltung unter den Kunden sei groß, solange es Corona-Risikogebiete gebe - da hilft es auch wenig, das jüngst Mallorca von der Liste gestrichen worden ist. Selbst die Veranstalter schickten deutlich weniger Prospekte an ihre Reisebüros. "Die sparen sich die Druckkosten, das ist ja normal", sagt er.

Daniela Köster, Reiseveranstalterin von "Genuss Touren" in Trudering, hat nach einer langen Flaute nun hingegen wieder erste Touren verkauft: "Letzte Woche hatte ich vergleichbar viele Anfragen", sagt sie, "allerdings erst für die zweite Jahreshälfte: Die Menschen denken jetzt über ihren Sommer- bis Weihnachtsurlaub nach." Die Reiselust der Menschen sei "wahnsinnig hoch", sagt sie. Bloß trauten sich viele noch nicht, sich festzulegen.
Social Distancing im Urlaub
Köster hat sich auf Individualreisen nach Afrika und an den Indischen Ozean spezialisiert. Vor allem Namibia sei gerade gefragt. "Es ist ein extrem sicheres Reiseziel, es hat die doppelte Größe von Deutschland." Social Distancing sei dort gut umsetzbar. "Man hat unheimlich viel Natur und Weite, kann Tiere anschauen und einfach mal wieder durchatmen."

Peter Mooser hat sich auf Asien, insbesondere Indien, spezialisiert. Zurzeit vermittle er nur hin und wieder ein paar Geschäftsreisen, sagt der Inhaber des Reisebüros Mooser in Neuhausen, gerade habe er zum Beispiel "ein paar Dolmetscher, die in Afghanistan sind". Mooser hat rund 90 Prozent weniger Kundschaft als vor Corona. Und doch sieht er die Krise als Chance, umzudenken. "Die Fliegerei, wie sie war, die sollte nie wieder so kommen", sagt der 72-Jährige. "Ich hoffe, das ist jetzt endlich bewusst geworden." Tourismus müsse bewusster und umweltfreundlicher werden. "Diese Nummer ‚nach Mallorca mal am Wochenende' - das macht die Welt kaputt."
Insgesamt rund 300 Reisebüros in München und im Landkreis
In den nahezu 40 Jahren als Inhaber seines Tourismusbüros folgte Mooser seinen Prinzipien: Reisen mit bestimmten Flugunternehmen, die Schnäppchenpreise mit schlechten Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsverboten erzwangen, verkaufte er nicht. Kamen Kunden zu ihm herein, die Hauptsache billig ins Ausland wollten, ohne Rücksicht auf die Einheimischen des Reiselands, schickte er sie nach Hause. "Ich habe da schon auch Einfluss genommen und die Leute mal zum Nachdenken gebracht", sagt er. Wenn er Hotels vermittelte, achtete er darauf, dass sie Umweltstandards einhielten. Und doch: "Ab und zu war dann schon auch mal ein schlechtes Gewissen, wenn man etwas verkauft."
Als Mooser 1983 seine Arbeit im Reisebüro aufnahm, gab es in München rund 30 andere Büros, schätzt er. Heute listet das Branchenbuch an die 300 für München und seinen Landkreis. Provisionen für reine Flugreisen bekommen die Tourismusbüros keine mehr. Viele Touristen buchen ihre Flüge auf Vergleichsportalen im Internet. Es ist diese exzessive Vielfliegerei, die Mooser kritisiert. Vermeintlich umweltfreundliche Flugzeuge wie den Airbus A350 der Lufthansa hält er für Augenwischerei. Ein Zurück in die Vor-Corona-Zeit sollte es, sagt der 72-Jährige, nie wieder geben. "Corona ist ein Pippi im Vergleich zur Umweltkrise."
Nur rund 37 Prozent der Deutschen planen 2021 eine Reise
Gerade erst ist die Tourismus-Messe ITB Berlin zu Ende gegangen. Rund 37 Prozent der Deutschen planten ganz konkret eine Reise für das Jahr 2021, zitieren die Veranstalter eine Studie, die sie in Auftrag gegeben haben. 17 Prozent der Deutschen gaben an, nach der Pandemie dauerhaft umso mehr reisen zu wollen. 35 Prozent der Deutschen gaben hingegen an, ihre Reisegewohnheiten wahrscheinlich langfristig zu ändern - 76 Prozent unter ihnen wollen zukünftig mehr Urlaub im eigenen Land machen.
- Themen:
- Deutsche Lufthansa AG
- München